Irene Naef Galerie Elisabeth Staffelbach 2004
Sterne wie Schnee in der Nacht
Am besten man lässt die Erinnerung an Irene Naef als Pixel-Zauberin zuhause. Um der neuen Irene Naef, die in Natur, Alltag und Malerei eingetaucht ist, unbelastet zu begegnen. Bei Elisabeth Staffelbach in Aarau.
Irgendwo im Schilf. Geknicktes und Aufstrebendes. Vereinzelt andere Pflanzen. Die Fotografie ist unscharf. Aber sie glänzt. Man spürt das Zoom, das Nähe schafft und Unschärfe zeigt. Die Künstlerin will es so; mehrfach, Möglichkeiten ertastend.
Die Ausstellung von Irene Naef als Ganzes im Visier wird die Reihe von Fotografien hinter Plexiglas unweigerlich zum Spiegel. Zum Bild einer Künstlerin, die wie so viele von uns in je eigenen Situationen Unschärfe aushalten muss; will. Irene Naef tut es, indem sie die Unschärfe auf ihre malerischen Qualitäten hin untersucht. Sie reduziert die Farben auf das Beige des Schilfs und das Blau des Wassers. Auf dass sie kommunizieren. Und sie entlässt die festen Formen in tastende Freiheit. Auf dass sich ihr Blick erweitere.
Irene Naef (geb. 1961) ist um 1997 überregional bekannt geworden. Unter anderem mit grossformatigen Inkjet-Prints, die Kleider aus Bildern der Kunstgeschichte von ihren Figuren löste und verselbständigt in alltägliche Räume stellte. Mit malerischem Gespür, qualifizierter Maus-Technik und „Photoshop“ setzte sie die neue, digitale Kultur um in bühnenreife Stücke. Über Jahre, immer neu.
Dass dahinter eine Künstlerin nach sich selbst suchte, indem sie nach der Identität der gemalten Modelle, nach den Menschen in den Hotelzimmern, den Figuren hinter den Rosenvorhängen fragte, übersah man. Obwohl die Künstlerin auch mit dem eigenen Körper arbeitete, fragmentiert meist.
Ein Bruch in der Biographie musste darum zu einer Neuorientierung führen. Zu Unschärfe vorläufig. Mit Ansätzen freilich. Irene Naef hat immer eigene Fotografien und Videostills mit gefundenen Abbildungen kombiniert, aber nie die Bilder selbst zum Thema gemacht. Sie hat erzählt. Jetzt, könnte man sagen, schaut sie. Und entdeckt, zum Beispiel, das Schneeflocken in der Nacht im Licht einer Strassenlampe eigentlich das ganze Universum beinhalten. „Sterne wie Schnee“ heissen die digital kaum veränderten Inkjet-Prints auf Leinwand. Nicht „Schnee wie Sterne“ sondern „Sterne wie Schnee“. Das Grosse im Kleinen. Das ist nicht revolutionär, aber poetisch und auch ein bisschen Manifest für die Reihe kleinformatiger Malereien in der Ausstellung. Bilder nach Fotografien, die dank Ölfarbe „schmecken“, dank Mal-Gestus „sprechen“, die das Körper-Ich „hörbar“ machen. Die Motive sind wie die Schneeflocken, Kleinigkeiten: Ein Geburtstagskuchen, ein Kindergesicht, ein Holzhäuschen, ein Stück Atelier, ein Zipfel Garten, ein Fuss mit roten Nägeln und Pinseln zwischen den Zehen. Kleine Welten, das ganze Leben.