Remy Zaugg: Ein radikale Denker ist tot

Der mit Worten Bilder schaffende Schweizer Künstler Rémy Zaugg ist am 23. August, 62-jährig nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

Seine letzte grosse Einzelausstellung in einem Schweizer Museum hatte Rémy Zaugg 2000 in der Kunsthalle Bern. Ihr Titel: „Über den Tod“. Jetzt ist der radikale, oft umstrittene Maler- und Architektur-Philosoph aus dem Jura überraschend und mitten aus grossen Projekten heraus gestorben, erst 62-jährig. 18-fach stand vor fünf Jahren im Oberlichtsaal der Berner Kunsthalle der Satz: „Und wenn der Tod Ich wäre“. Farbig erstaunlicherweise, als Siebdruck auf Aluminiumplatten. Das „Ich“ und das „Du“, das er in seinen Denkanstössen und Wahrnehmungsappellen oft brauchte, meinte nie ihn oder sein Vis-à-vis, sondern stets das Bild und den Betrachtenden. Wenn Ich (das Bild) der Tod wäre, meinte der Satz somit, wobei der Tod bei ihm ein Synonym für „blind“ oder „unsichtbar“ war. Wenn Ich (das Bild) nicht da wäre, hiess darum letztlich die Frage, die er den Besuchern der Ausstellung stellte. Und potenzierte die Dramatik des „Totentanzes“ in einem zweiten Raum mit „Ich betrachte den Duft des Veilchens“. Nun ist er nicht mehr da und Blumen werden wohl sein Grab schmücken.

Rémy Zaugg wurde am 11. Januar 1943 als Nachfahre jurassischer Mennoniten in Courgenay geboren. Das zuweilen fundamental Puritanische seines bildnerischen Werkes, seiner theoretischen Schriften und seiner Beratertätigkeit im Bereich Architektur hatte darin seine Wurzeln. Nach der Matura Typ C in Porrentruy besucht Zaugg die Kunstgewerbeschule Basel. 1972 zeigt das Kunstmuseum Basel „Dedans – Dehors, Dehors – Dedans“, eine Reflektion über die Parameter von Skulptur, Farbe, Bild. Die Präsenz in Schweizer, später europäischen Museen reisst nie mehr ab und sein scharfes, analytisches Denken gewinnt kontinuierlich an Einfluss. 1991 lädt ihn Paris ein, eine Giacometti-Ausstellung einzurichten – der Beginn der kuratorischen Tätigkeit Zauggs, die spätestens nach der Ausstellung „Herzog & De Meuron“ im Centre Pompidou (2005) die Architektur als wichtiges Tätigkeitsfeld erschliesst. Ob Luzern oder Aarau – Museumsneubauten kommen kaum mehr aus ohne Rémy Zaugg, was – speziell in Luzern – nicht nur freundlich aufgenommen wird.

Für heisse Diskussionen sorgte schon 1997 der 1-Millionen-Direktauftrag des Bundes für den als „Gesamtkunstwerk“ apostrophierten Kunst und Bau-Auftrag für das Verwaltungsgebäude an der Monbijoustrasse in Bern. Und auch in Biel hat man so seine Erinnerungen: Im Rahmen der Schweizer Plastikausstellung 1991 platzierte Zaugg an drei Gebäuden der Stadt eine zweistöckige Leuchtschrift, wie sie auch die Werbung nutzt, hier jedoch VOIR und MORT in den Stadtraum rief. Obwohl des Künstlers Übersetzung SEHEN und BLIND lautete, las die Bevölkerung primär „Den Tod sehen“ und befürchtete eine Suizid-Welle. Die Schrift auf der Glasfassade an der Mühlebrücke musste in der Folge entfernt werden. Der Künstler bezog das Werk 2000 in die Ausstellung „Über den Tod“ ein und dokumentierte so die schmerzlich empfundene Differenz zwischen Sehen und Nichtsehen, die gerade heute seine Familie und die Kunst in der Schweiz trifft. In der Gewissheit freilich, dass Zauggs Schaffen, zu dem, geradezu symbolhaft, vor wenigen Wochen die erste umfassende Monographie erschien, nicht aus der Diskussion verschwinden wird; im Gegenteil.