Uwe Wittwer Kunstmuseum Solothurn 2005

Malerei im Zustand der Erinnerung

www.annelisezwez.ch                 Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 11. Mai 2005

Uwe Wittwer (51) zeigt in Solothurn Werke seit 1990.Inkjetprints und Malerei vor allem. Mit Empfindung aufgeladene Abbilder. Fremde Bilder werden zu eigenen.

Die erste grosse Ausstellung in einer öffentlichen Institution, 1996 im Helmhaus in Zürich, zeigte den Zürcher Maler, der auch ein Berner ist, als Romantiker, der das Metier der Malerei ausserordentlich zu instrumentieren weiss. Die erste Retrospektive, die nun im Kunstmuseum Solothurn stattfindet, setzt den Akzent auf den Prozess der Bildwerdung. Damit tritt die konzeptuelle Vorgehensweise in den Vordergrund. Zugleich wird damit aber auch der emotionelle Schub sichtbar, mit welchem der Künstler gewählte, gefundene und selbst fotografierte Abbilder verändert, indem er sie mit eigenen Empfindungen auflädt.

Im Werk des Künstlers, der sein Atelier in wichtigen Jahren in Burgdorf hatte, gibt es zwei hauptsächliche Stränge. Im einen greift der Künstler auf Bilder der Kunstgeschichte zurück und befragt sie neu; sowohl stilistisch wie inhaltlich. Im andern geht er von Fotografien aus, von eigenen Aufnahmen oder – neuerdings vor allem – von Bildern aus dem Internet. Es sind Figurenstücke, Intérieurs, Stilleben, Landschaften, Gegenstände. Christoph Vögele reiht den Künstler in seinem Katalogtext dementsprechend in die sogenannte „Appropriation-Art“ ein – Kunst, die davon ausgeht, dass es keine neuen Bilder mehr gibt, sich darum bestehende aneignet und neu interpretiert. Wittwers Bilder seien Bilder von Bildern, schreibt Konrad Tobler im nämlichen Buch-Katalog.

Die Befragung findet bei Uwe Wittwer zunächst am Computer statt. Fast immer entzieht er daselbst der Vorlage die Farbe und wechselt ins Negativ des Bildes; Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe sind nun die „Farben“. Der Gefahr der Beliebigkeit entgeht der Künstler zum einen durch seine Erfahrung als Maler, einer emotionalen Konzentration auf die innere Vorstellung zum andern. Und zum dritten einer Druck-Technik auf Aquarellpapier, die er (in Zusammenarbeit mit Kevin Mueller) selbst entwickelt hat und seine Inkjet-Prints an die Grenze zur Originalgrafik führt.

Die Ausstellung in Solothurn beginnt mit einer Auswahl solcher Inkjets und öffnet damit den Blick in den Bild-Kosmos des Künstlers. Nicht nur hier ist man an Gerhard Richters mehr als 1000-teiligen „Atlas“ erinnert, auch stilistisch ist Richter einer der Väter Wittwers. Doch da ist noch ein zweiter „Vater“ – der belgische Maler Luc Tuymans, dessen zentrales Motiv „Erinnerung“ ist – eigene und kollektive. Wittwer führt sie zusammen – von Richter nimmt er die Distanz und die Präzision bildnerischen Wandels, von Tuymans den Schwebezustand erinnerter Bilder. Bilder, die da Akzente setzen, wo die Gefühle sie markieren.

Wittwer führt die Inkjet-Prints über den Zustand von Skizzen hinaus. Dennoch ist der Wandel zur Malerei auf Leinwand oder zum Aquarell auf Papier noch einmal gross. Die Malerei kennt keine Distanz. Die Wechselwirkung lässt sich – nicht didaktisch, aber doch im Sinne von Netzwerk – verfolgen. Doch im Gegensatz zum „Schein“ des technischen Bildes, hat die Malerei mehr materielle Substanz – vielleicht sogar Körperlichkeit. Obwohl bildlich nur auf einer vage greifbaren Ebene angesiedelt, sind der Leuchter, das Haus, die Stadt, das Intérieur „begehbar“, quasi als Bilder hinter den Augen. Vermutlich ist das der Punkt, wo sie berühren, wo Uwe Wittwer ein grosses Publikum anspricht und ihn zum immer erfolgreicheren Maler macht.

Er könnte dies indes nicht, wenn da nicht eine Kraft wäre, die ihn treibt. Uwe Wittwer ist als Maler Autodidakt, absolviert hat er in den 1970er-Jahren die Fachschule für Sozialarbeit in Bern. Das ist dahingehend erhellend, als die Frage nach dem Erleben – dem Leiden auch – nach dem Empfinden in anderen Zeiten, anderen Konstellationen möglicherweise den Kern des Schaffens bildet. Und ihn so zu Zyklen wie dem eben erst begonnen, dem „Monsun“, führen, dessen Ausgangspunkt Fotos sind, die Vietnam-Veteranen ins Internet gestellt haben. Früher schon haben Kriegsschiffe eine Rolle gespielt. Bilder sind Welten, Uwe Wittwer macht daraus die seine und gibt sie weiter.