Was machen mit den Neuen Medien?

Neuenburg: Ausstellung des BAK in der Tour OFS. Bis 20.03.2005

Seit Jahren probt die Eidgenössische Kunstkommission den sinnvollen Umgang mit Neuen Medien in Bundesbauten. Und flopt dabei. Installiertes läuft nicht mehr. Temporäres stösst auf taube Ohren.

Vor fünf Jahren lud die Eidgenössische Kunstkommission (EKK) zur Einweihung der ersten Kunst-am-Bau-Projekte mit Neuen Medien. Realisiert im markanten Glas-Bau des Berner Architekturbüros „Bauart“ beim Bahnhof Neuenburg, in dem sich das Bundesamt für Statistik befindet (das BT berichtete). In einem Amt mit lauter Informatikern dachten wir, das sei der richtige Ort, sagte die Präsidentin der EKK, Jacqueline Burckhardt, am vergangenen Samstag in Neuenburg. Doch gefehlt. Die Software für das mit dem Internet gekoppelte Projekt von Hervé Graumann war bald einmal „out of date“ und die interaktiven Video- respektive Film-Installationen von Eric Lanz und Renatus Zürcher verwaist. Dass sich die Statistiker darum kümmern würden, blieb Wunschdenken.

Jetzt lud die EKK zu einer Ausstellung mit dem Titel „Office World“ in den Espace culturel im Parterre der Tour OFS – den neuen, 50 Meter hohen gläsernen Turm gleich nebenan, der zusätzliche 240 Arbeitsplätze für Statistiker bietet. Auch er eine Realisation von „Bauart“. Die Ausstellung zeigt in bescheidener, um nicht zu sagen belangloser Inszenierung zwölf Werke mit Neuen Medien von grossenteils bekannten Schweizer Künstlern und Künstlerinnen: Videos – projiziert oder auf Monitoren laufend – eine Dia-Schau sowie interaktive Internet-Projekte. Mit dabei: Beat Brogle, collectif_fact, Hervé Graumann, Studer/van den Berg, Yves Netzhammer, Elena Montesinos u.a.m.

Der bekannte Genfer Kurator Simon Lamunière hat die Arbeiten, die alle irgendwie mit Büro zu tun haben, im Auftrag der EKK zusammengetrommelt, Geräte gemietet und das Ganze zum Laufen gebracht. Wie dann an der Vernissage zu erfahren war, ist die bis 6. März dauernde Ausstellung als Ersatz für Kunst am Bau gedacht. Bedenkt man die 32 Mio Franken, welche der Turm gekostet hat, ein ziemlich mikriger Ersatz. Das Budget von 40’000 Franken wird aufgefressen für die Betreuung der Ausstellung, den Kurator, Geräte-Miete, Installationen, den Flachmaler, der Ingo Giezendanners Wandbild am Ende wieder übermalen muss usw. Es reicht nicht einmal für eine „Miete“ der Videobänder, welche die Künstler – allesamt Träger von Eidgenössischen Preisen für freie Kunst – auf ihre Kosten einzusenden hatten. Was den einen und andern an der Vernissage etwas sauer aufstiess.
Doch das ginge alles noch, wären da Anstrengungen spürbar, die Arbeiten zu vermitteln, den mehrheitlich kunstungewohnten Bundesangestellten – und allen anderen Besuchern der ebenerdig und öffentlich leicht zugänglichen Räume – die Künstler und Künstlerinnen vorzustellen, ihre Anliegen zu beschreiben und, wo nötig, Gebrauchsanleitungen zu platzieren. Denn nicht zuletzt der Fall Hirschhorn hat gezeigt, dass die zeitgenössische Kunst – ob politisch brisant oder nicht – ein Vermittlungsproblem hat. Doch davon in Neuenburg wenig bis nichts. Sodass das Ganze aufgesetzt wirkt. Wobei, wie zu hören war, die Gleichgültigkeit seitens der OFS-Verantwortlichen gegenüber dem multimedialen Kunst-Event in ihrem Hause die Kreativität nicht gerade gefördert haben soll.

Schade, denn mit der Qualität zahlreicher Arbeiten haben die Umstände nichts zu tun. So gibt es nur eines, Widerstand leisten und sich beim nächsten Bahn-Stop in Neuenburg trotzdem in die einmalige Versammlung so vieler schweizweit beachteter Medien-Künstler einzuloggen. Zum Beispiel in San Kellers Projekt, das auffordert ein Lieblingslied zu wählen und sich zu verpflichten, inskünftig und lebenslang zu tanzen, wenn dieses Lied irgendwo gespielt wird; auch im Büro. Oder sich, damit es keine Zeit kostet, mit Studer/van den Berg wenigstens virtuelle Ferien in den Alpen zu leisten. Nicht immer muss man selbst aktiv werden, man kann auch schmunzelnd zuschauen, wie sich die Figuren in Yves Netzhammers computergenerierter Animation kontinuierlich ihre eigenen Gehege bauen. Oder mit collectif_fact das Innenleben eines Bürohochhauses beobachten, mitsamt geheimnisvoller Vorkommnisse. Doch was heisst „Office World“ – Hervé Graumann, der Raffiniert-Ironische, erklärte schon 1999 in „My living room“, dass das Leben ein einziges Büro ist. Und so geht die Reise weiter, mal von innen, mal von aussen – ganz wie im Wandbild mit Flimmer-Fenstern von Ingo Giezendanner.

Für die EKK ist die Ausstellung eine Variante im Umgang mit Neuen Medien und Architektur. Eine andere sei, so sagt Andreas Münch, Leiter Bildende Kunst im Bundesamt für Kultur, Projekte mit Neuen Medien zeitlich zu limitieren. So habe man sich zum Beispiel bei der „Blätter speienden Maschine“ von Pipilotti Rist in der Schweizer Botschaft in Berlin eine garantierte „Lebensdauer“ von 10 Jahren definiert. In Neuenburg sollen nun dementsprechend die Arbeiten von Lanz und Zürcher reaktiviert werden.

Lebenszeichen vom Centre d’Art Neuchâtel
„V – O – I – D“ – die vier Buchstaben hängen zur Zeit als dreidimensionale Objekte von der Decke des Hauptraumes des Centre d’Art Neuchâtel, von vier kleinen Motoren in Drehung gehalten. Die Arbeit von Christian Robert-Tissot trifft den Nagel auf den Kopf. In den 1990er-Jahren war das CAN überregionaler Fokus zeitgenössischer Kunst (das BT berichtete). Doch wo kein Lohn, kein Budget und gar nichts, springen die Kuratoren über kurz oder lang verständlicherweise ab. Marc Olivier Wahler, der CAN-Motor der 90er-Jahre, ist längst Leiter des Swiss Instituts in New York. Dann und wann gibt das CAN immerhin ein Lebenszeichen: Letztes Jahr „LASKO“, eine Ausstellung zum Thema Wandbild, jetzt eine von Olivier Mosset zusammengestellte Schau mit Francis Baudevin, Christian Floquet und Christian Robert-Tissot. Sec, ästhetisch, konzeptuell, quallitätvoll, aber ohne Feuer. Daran ändern auch die ratternden Filmmotoren von Amy Granat, die im Kabinett der Jungen fehlerhafte Bänder abspulen, wenig.