Agnes Barmettler und Marianne Kuhn im Kunstmuseum Olten 2006

In Erde verpackt und in Licht getaucht

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Aargauer Zeitung vom 6. Februar 2006

Sowohl Agnes Barmettler (Wölflinswil) wie Marianne Kuhn (Aarau) gehören zur wichtigen Generation von Künstlerinnen, die vor 25, 35 Jahren ich-Bewusstsein zum Thema ihrer Kunst machten; wenn auch sehr verschieden. Nach Vivian Suter und Rut Himmelsbach stellt Patricia Nussbaum in Olten erneut zwei solche Werke im Heute zur Diskussion.

Agnes Barmettler, 1945 in Stans geboren und im Kloster Ingenbohl geschult, gehört im engsten Sinn zu den Pionierfrauen. Nach der Ausbildung in Basel mit Martin Disler in Dulliken wohnhaft, gehörte sie zum Kern der lebendigen Oltner Szene der 1970er-Jahre. Schon 1972 zeigt Paul Meier ihre fast skulptural gemalten Arbeiter und Arbeiterinnen im Stadthaus Olten (zusammen mit Werken von sechs weiteren Frauen). Zwei Jahre später sind es nicht mehr die Anderen, die sie in ihre nun grossräumig und naturhaft angelegten Szenerien stellt, sondern sich selbst – als Zeichen für das Feuer, das die Frauen entfacht haben.

Wenige Werke aus den 1970er-Jahren verknüpfen im Museum das Heute mit dem Aufbruch damals. Später gibt es ein Zeitloch. Agnes Barmettler zog sich, wie viele Pionier-Künstlerinnen, aus dem Strudel der Szene zurück. Sie lebt mit dem Hopi-Indianern in Amerika und später im Domleschg. Zentral wird in den 1980er- und 90er-Jahren das Labyrinth. Zusammen mit Rosmarie Schmid baut sie ein internationales Netzwerk auf, das in verschiedensten Ländern Labyrinth-Orte für imaginäre Reisen zum eigenen Ich schafft. Dass das in der Zeit geschieht und wieder verschwindet, zeigen in Olten analog Fotografien von spontan in Amarant-Samen eingeschriebene Zeichnungen symbolhaften Inhalts. Aber auch, künstlerisch überhöht, die beeindrucken „Labyrinth-Projektionen“, die Barmettler mit Anka Schmid zu einem tänzerisch-zeichenhaften Film vedichtet hat. Er wurde zuletzt im Rahmen von „Magic Moments“ in Luzern gezeigt.

Seit rund 10 Jahren lebt Agnes Barmettler im Fricktal. Hier nahm sie, angeregt von der Landschaft, den Pinsel wieder zur Hand. „Er ist ein Weib, dieser Jura“, sagt sie (an die Innerschweiz denkend). Es sind oft kleinformatige Aquarelle, die sie mit ihrer Befindlichkeit oder jener von Gesprächspartnern (dem Postautochauffeur zum Beispiel) auflädt und zu eindrücklichen und vielfach überraschend farbigen Metaphern von Stimmungen macht.

Wie das ums Zentrum kreisende Labyrinth greift sie auf frühe Bildmotive zurück und schaut sie im Heute – malend – wieder an. Da sitzt, winzig, ein nackte Frau, neben ihr eine zweite, in Kleidern, offenbar unterwegs. Man nimmt sich selbst immer mit, scheint das kleine Aquarell auszudrücken, auch vom damals ins Heute. Die Einladung nach Olten hat Barmettler so angeregt, dass sie den Fluss nicht stoppen will. Darum hat sich gleich ihr Atelier ins Museum verlegt, um hier – im Museumslabyrinth gleichsam – weiter zu malen. An der Vernissage hängt eine grosse, alte Leinwand an der Wand; sie trägt noch Spuren der 1970er-Jahre, aber schon ist eine gelb leuchtende Landschaft daraus geworden. Die eine Zeit in der andern spiegelnd.

Graphit im Widerschein seiner Natur
Die Aargauer Künstlerin Marianne Kuhn zeigt in Olten Graphit-Arbeiten aus den letzten 15 Jahren

Es war 1991 als Marianne Kuhn im Aargauer Kunsthaus ihre riesigen unterirdischen Architekturen und ihre grossformatigen Vogelperspektiven zeigte. Ihre aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Olten schliesst hier an und führt grossräumig und in überraschender Vielfalt in die Gegenwart. Verbindendes Moment aller Arbeiten ist der Graphit, dessen Materialität die 1949 in Wohlen geborene Künstlerin mit unglaublicher Hartnäckigkeit zu immer neuen Erscheinungsformen führt; in Wechselwirkung mit der inhaltlichen Ausrichtung der Zeichnungen, Reliefs und Klein-Skulpturen.

Eine einengende Thematik gibt es dabei nicht. Es ist Verdichtung und Verdünnung, Materialität und Licht, die im Verbund mit der lenkenden Hand die Arbeiten bestimmen. Man könnte auch von Himmel und Erde sprechen, denn oft ist die Landschaft Inspiration; sei es steppenartige Weite, kartographische Form oder der Vogelblick auf Furchen zwischen lang gezogenen Bergrücken. Ja, der Vogel – er ist oft da, bis hin zur assoziativen Erkennbarkeit ausladender Schwingen. Er ist quasi Erde und Luft in einem. So wie Marianne Kuhn ihrem Material dichteste Schwärze abringt und dann wieder ins Licht führt. Nur von Ferne klingen in der Ausstellung noch die Gedichte an, die sie zeitweise in ihre Geographien einschrieb; gewichtiger ist der Flug, der Blick, die Landschaft, die Architektur auch, das Ornament gar und schliesslich die Konzentration in den geschnittenen oder gebohrten Block. Marianne Kuhn hat sich im Graphit einen Ort geschaffen wie er in dieser Konzentration einmalig ist, auch wenn man sich (heimlich) wünschte, sie würde das Rot ihrer Arbeit im Kloster Muri nicht ganz vergessen.