Frauenpower zum Saisonauftakt
Aarau/Brugg Irma Ineichen, Rosmarie Vogt, Lisa Enderli und Valérie Balmer setzen in der Galerie Elisabeth Staffelbach und im Zimmermannshaus die ersten Akzente des Aargauer Kunstherbsts.
Annelise Zwez in Aargauer Tagblatt September 2007
Was die beiden Ausstellungen in Aarau und in Brugg klar voneinander unterscheidet, ist ihre Farbigkeit. Während Irma Ineichen ihre Landschaften und Intérieurs mit Farbe baut und Rosmarie Vogt ihre luftigen Kabelnetze mit Orange, Gelb, Grün auflädt, konzentrieren sich Lisa Enderli und Valérie Balmer in Brugg ausschliesslich auf Klänge zwischen weiss, grau und schwarz.
Die Strahlkräfte der Farben in Aarau gehen einher mit einer Reduktion der Form, während die Nichtfarbigkeit in Brugg verbunden ist mit einer variationsreichen, zum Teil gestischen Bildsprache. Die komplementäre Struktur ist spannend und trägt sicherlich dazu bei, dass man die Intensität hier und dort als letztlich gleichwertig empfindet.
Die Überraschung unter den vier Positionen sind die zwei Serien von Landschaften auf Papier der in Lenzburg wohnhaften Valérie Balmer (geb. 1961). Die fiktiven, mit Öl und Graphit in reichen Grauwerten gehaltenen Berge, Meere, Schluchten mögen an Schwarz-Weiss-Tendenzen in der aktuellen Malerei erinnern, unterscheiden sich durch ihre Entstehung aber gleichzeitig deutlich davon. Die Künstlerin bearbeitet ihre grossformatigen Papiere so lange bis all das „zuviel“ unseres Lebens es schwarz eingefärbt hat. Dann „befreit“ sie sich davon; mit Radiergummi und Terpentin lässt sie das Drückende gleichsam verdampfen, um eine neue, ihre eigene, bewegte Topographie zwischen Schwarz und Weiss zu schaffen.
Beeindruckend in einem ganz anderen Sinn sind die neuen Arbeiten der Luzernerin Irma Ineichen in Aarau. Denn es ist der 1929 geborenen Künstlerin in den 2006 und 2007 entstandenen Ölbildern noch um einen Grad mehr gelungen, die architektur-betonten Innen-Räume und die baumbestandenen (Tessiner-) Landschaften von Bezeichnendem zu lösen und dabei die Reduktion in Verdichtung umzusetzen. Da ist zum Beispiel der schon vielfach gemalte Blick von ihrem Sommer-Haus in Monte Bré ob Locarno hinunter auf den Lago Maggiore, eingefangen in nur fünf Formen und fünf Farben zwischen sattem Blau, Grün und Rotbraun. Jede Form ist wie ein ruhender Körper, der unendlich mehr in sich trägt als er äusserlich zeigt; geballte, stille Emotion. Eine ähnliche Verdichtung zeigt sich auch in den Intérieurs, hier jedoch farbenreicher, fröhlich fast und voller Licht. Treppenstufen, Fensterbögen, Ein- und Ausblicke bestimmen die Architektur. Sind es Andachtsräume? Wohl ja, und zwar nicht nur die nach Carpaccio gemalten, Reste von Erzählerischem zeigenden, sondern auch die von jeglichem Beiwerk abstrahierten laden zu einer Art festlichem Innehalten.
Die von der Künstlerinnenkombination her überzeugendere Ausstellung ist jene bei Elisabeth Staffelbach, denn die Art und Weise wie die 10 Jahre jüngere Aargauer Künstlerin Rosmarie Vogt mit neuen und zugleich für ihr Schaffen typischen Arbeiten auf Farbe und Inhalt in Ineichens Werken reagiert, ist faszinierend und schafft eine ganz besondere Atmosphäre. So erkennt man zum Beispiel in Vogts andeutungsweise geometrischem, luftigem Kubus aus vielfach gebogenem, orangefarbenem Elektrodraht sogleich einen Dialog mit den Innenräumen von Irma Ineichen. Ernsthaft und ironisch zugleich, denn die Verwendung von Elektrokabeln als verschlungenes Volumen erzeugendes Material ist natürlich kein Zufall, sondern eine Art Zeitkommentar.
In Brugg stehen sich, auch stärker getrennt durch die beiden Stockwerke, zwei Einzelpositionen gegenüber, die indes eine ähnliche Gewichtsverteilung haben wie Ineichen und Vogt. In Brugg ist die Zürcherin Lisa Enderli (geb. 1951) im Vergleich zu Balmer die leichte. Sie braucht für ihre Werke nicht mehr als ein starkes Papier, das sie teilweise grundiert, und ein Messer. „Papierschnitte“ nennt sie sie, doch es sind keine Scherenschnitte, sondern gezielt mit dem Messer aufgeschlitzte Papiere. Enderli holt sich ihre Linien, ihre Formen aus dem Material ihrer Kunst und schafft damit rhythmische Felder, die nicht Natur darstellen, sondern gleichsam aus der Natur des geschöpften Papiers wachsen; gerade das ist das Überzeugende daran.
Info: Galerie Elisabeth Staffelbach, Laurenzentorgasse 14, Aarau: Irma Ineichen, Rosmarie Vogt. Bis 23. 9. Do 14-20,Fr 14-18, Sa/So 13-17 Uhr. Galerie im Zimmermannshaus, Brugg: Lisa Enderli, Valérie Balmer. Bis 22. 9. Mi-Fr 15-18.30, Sa/So 11-16 Uhr.