Ich liebe die Vermehrung

Lilly Keller im Museum Bickel in Walenstadt  –  Kunstbulletin 07_08_2007

Annelise Zwez     Bis 26.08.2007

15 grossformatige Hauptwerke aus 40 Schaffensjahren stellt die Plastikerin Lilly Keller (geb. 1929) im 15 x 25 Meter grossen und bis 5 Meter hohen, oberlicht-erhellten Saal des Museums Bickel in Walenstadt aus. „Endlich ein Ort, der den Dimensionen meiner Werke entspricht“, freut sich die in Cudrefin (NE) lebende Bernerin mit Bündner Wurzeln. Denn grossformatig heisst in diesem Fall 2.5 x 10 Meter oder 6 Meter Durchmesser. „Pileaton“ oder „Grünes Blatt“ mit seinen 2.5 x 2.5 Metern ist da schon fast klein.

„Ich liebe die Vermehrung“, sagt sie. So hiess sie ihren Assistenten jahrelang die Gummi-Behälter fürs Anmischen des Polyurethan – einer ihrer Hauptwerkstoffe – auf ein Brett kleben. Aus der Multiplikation der kreisrunden, von Tätigkeit gezeichneten Hohlformen entstand schliesslich die „Blaue Wand“. Das Strenge und das Masslose, das Schillernde und tätig Verändernde, das „Verrückte“, das Surreale sind die Treibkräfte in Lilly Kellers immensem und (zu) selten in grossen Zusammenhängen gezeigten Werkes.

Die Faszination der Künstlerin gilt der Wirkkraft der Materialien zwischen inneren Gesetzmässigkeiten und sichtbarer Dynamik; somit dem, was die Natur kennzeichnet. Natur, wie sie den in 45 Jahren gewachsenen Park rund um ihr Anwesen prägt, wie sie sich ihr aber auch als Kind in den Bündner Bergen eingeschrieben hat. Ihre „Blätter“ sind dem Garten entnommen und wachsen zu „Felsen“. Ihre „Gletscher“ spiegeln Eis und wandeln sich in Organisches. Ihre „Faltwände“ tragen Form und bergen surreale Malerei. Auch Klang; immer wieder sucht Lilly Keller die Interaktion mit der Neuen Musik.

Für Walenstadt hat Franziska Baumann den „Walfelsen“ und das „Gebirge“ mit elektronischen (Natur)-Klängen vertont. Und am 19. August gibt das Quartett des Saxophonisten Evan Parker eine Musikperformance. Das Vibrierende der Musik fand Lilly Keller auch in den Lichtbrechungen von Glas. Zusammen mit Roberto Niederer hat sie Glas, Skulptur und Malerei „verschmolzen“ – ihre bemalten Glas-/Polyure-than-Kegel gehören zu den herausragenden Arbeiten in ihrem Werk. Die Ausstellung ist keine Retrospektive; sie wirkt vielmehr wie ein Tanz mit dem lebenslang Geschaffenen und ist dabei lebendig und überraschend „jung“.