Mette Stausland in der Galerie Lelong in Zürich

Tracks and Traces

Annelise Zwez, Kunstbulletin November 2007

Wer in die Zeichnungen von Mette Stausland „eintritt“, spürt, dass die langgezogenen Lineaturen nicht gestisch-emotional auf die Oberfläche des Papiers gelegt sind, sondern bewusst in Schichten aufgebaut, um ihre Energie als Ereignis im Raum zu zeigen.

Mette Stausland: Ohne Titel, 2007, Pastellkreide auf Papier auf Holzplatte, 170 x 150 cm. Foto: Alf-Georg Dannewig
Die Serie „Tracks and Traces“, Fährten und Spuren, welche das Zentrum der Ausstellung von Mette Stausland (*1956) in der Galerie Lelong in Zürich bildet, entstand als Konvolut im Sommer 2007 im Norden Dänemarks, da wo die Norwegerin, die seit 1985 mehrheitlich in der Schweiz lebt, seit sieben Jahren ein Refugium abseits urbanen Lebens besitzt.

Seit 1993 ist die Zeichnung – im Kleinen, wie im Grossen – das ausschliessliche Medium der Künstlerin. In keine andere Bildsprache könnte sie die Bewegungen des Körpers, das elastische Auf und Ab und Hin und Her so einbringen, dass sie sich in den Ausdruck ihrer selbst wandeln. Mette Stausland ist an der Basis ihrer Ausbildung Tänzerin; das spürt man. Und im Bildnerischen ist sie Bildhauerin; auch das macht sie sichtbar.

Wenige Bilder im Eingangsbereich machen die Entwicklung der Künstlerin sichtbar. Sie zeigen, wie einst vom Rhythmus des Körpers geformte und mit Kohlestift gezogene Horizontale und Vertikale das Gerüst  ihrer bis zu drei Meter langen „Schachbrett“-Zeichnungen bildeten. Dann begannen die Linien und Bänder zu mäandern, um sich nun in neuen Werken gänzlich vom Wechsel von Lineatur und Binnenraum-Flächen zu lösen und offen im Raum flottierende Netzwerke unterschiedlicher Dichte und Farbigkeit entstehen zu lassen.

Charakteristisch und stilbildend ist aber nach wie vor die Tendenz zur linearen Bewegung, die in den Bildraum eintritt, ihn durchmisst und sich wieder davon macht. Geht man einer einzelnen Linie nach, findet man die Hand der Künstlerin, die mit den Dehnungen des Körpers das Bildformat auslotet. Komprimierungen ergeben sich nicht durch Bewegungen an Ort, sondern durch eine Vervielfachung von Kreuzungen. Wichtig ist auch der Wechsel von der Kohle zur Kreide, denn in Kombination mit qualitativ hochwertigen, ganz leicht porösen, oft sanft-grauen – aber auch mal leicht grünlichen oder bläulichen – Papieren, kann die Künstlerin die Berührung der Linie mit dem Blatt zu einem differenzierten Ausdrucksmittel machen, Geschwindigkeit, Kraft, Druck, Zögern, Drehen, Wenden sichtbar werden lassen.

Man könnte die Bilder assoziativ mit Magnetfeldern, die uns umgeben, den Handy-Gesprächen, die drahtlos und unhörbar durch den Raum schallen, in Verbindung bringen. Doch die skizzenartigen Zeichnungen auf Notizpapier und ebenso die mit Stein (Lithographie) oder Holz (Holzschnitt) überdruckten Zeichnungen am Rande der Ausstellung, verneinen eine solche Übertragung eher. Denn sie betonen Intimität, leises Gespräch, Fühlen von Körper und rücken die Grossformate damit in die Nähe einer Choreographie, die sich aus innerer Befindlichkeit ausstülpt und als Momente in Zeit und Raum flüchtig Gestalt annehmen.

Wenn die Künstlerin von der Konzentration spricht, die sich braucht, um der Übertragung ins Bild Energie zu geben, und davon spricht, wie schwierig es sei, sich „auszusetzen“, so verweist das nicht nur auf die Unmittelbarkeit des Mediums Zeichnung, sondern auch auf den sehr persönlichen Charakter der Arbeiten.

Es heisst auch, dass Mette Stauslands sorgsam und kohärent entwickeltes Werk eher klassischen Charakter hat und dergestalt die Interpretation von  Eckhard Schneider im neuen Katalog bestätigt, der die Zeichnungen zwischen Josef Albers und Cy Twombly ansetzt. Wobei wir dem Duo gerne Maria Lassnig als dritten Pfeiler hinzufügen möchten.

Bis 17. November 2007