Chiharu Shiota im CentrePasquArt in Biel

Fäden zeichnen die Stille in den Raum

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 12. April 2008

Das CentrePasquArt eröffnet heute Samstag, 12. April, 17 Uhr die Ausstellung der Japanerin Chiharu Shiota. In ihren Installationen verbindet sich westliches und östliches Denken.



Nur ein paar Passanten wunderten sich. Vor dem Centre PasquArt brannten ein Piano und 50 Holzstühle. In einer Art Ritual brachte die Künstlerin Chiharu Shiota (36) die Objekte für die Installation «In Silence» zum Schweigen.

Dann wurden der versengte Flügel und die angekohlten Stühle in die Salle Poma verfrachtet und in Konzertanordnung aufgestellt. Jetzt erst konnte der spirituelle Prozess beginnen. Die Künstlerin, drei Assistentinnen und fünf Studenten der Schule für Gestaltung begannen 1300 Knäuel schwarzer Acrylwolle zu einem dichten Netz zu verweben.

Für die Japanerin Chiharu Shiota ist das Verbrennen des Flügels wohl ein aggressiver Akt, aber zugleich ein Tor zu einem Zustand des Seins, wo weder Tod noch Leben regieren. Indem sie die Objekte und mit ihnen den ganzen Raum in ein dichtes Gespinst einbindet, versucht sie diesem Zustand ein Bild zu geben.

Einengend oder ausweitend?

Ob man dieses Bild als bedrohlich empfindet oder als Vibrato der Erinnerungen an die Musik, welche einst aus dem Flügel kam, und an die Menschen, die auf den Stühlen sassen und zuhörten, hängt vom Betrachtenden ab. Möglich ist beides. Sicher ist jedoch, dass die Installation den riesigen Raum grossartig bespielt.

Die Suche nach Zuständen zwischen zwei Ebenen – seien sie materiell oder immateriell – kenntzeichnet das gesamte Schaffen der 36-jährigen, seit 10 Jahren in Berlin lebenden Künstlerin. In einem frühen Video (1999), das in den Galerien zu sehen ist, sieht man die Künstlerin, wie sie sich in der Badewanne mit einer Mischung aus Erde und Wasser übergiesst, quasi eins zu werden versucht mit der Erde.

Das zweite Video (2005) zeigt die Künstlerin auf einem schrägen Eisenbett-Rost in einem Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, während aus der Schräge unaufhaltsam Sand rinnt. Die Künstlerin schreckt nicht zurück vor sehr eindeutigen Symbolen, das macht die Bilder sehr prägnant und ihre Kunst sehr eingängig, birgt aber auch die Gefahr, dass auf die erste Faszination bald einmal eine gewisse Sättigung folgt.

Bereits die 16 unterschiedlich grossen, offenen Metallkuben, die in den zwei vorderen Galerie-Räumen schweben, deuten letzteres an. Sie bergen in ihrem Innern ein weisses Kleid, einen Stuhl, einen Koffer oder kleinere oder grössere Spiegel(fragmente). Ein Gespinst aus schwarzen Fäden bindet die Objekte ein oder deutet auf deren energetisches Ausweiten in den Raum. Das Bild, das die Künstlerin auch hier für die Vernetzung von allem mit allem findet, ist sicherlich eindrücklich, aber die Reduktion auf hell und dunkel (Tag und Nacht, Leben und Tod) einerseits, den rechteckigen Kubus andererseits, führt sehr schnell zu einem repetitiven Moment.

Von Museum zu Museum

Chiharu Shiotas Karriere hat sich in den letzten Jahren enorm beschleunigt. Sie hat nicht nur eine Galerie in Japan, die sich engagiert vertritt, sie reist auch einer internationalen Tournee gleich von Museum zu Museum, um immer neue Ausstellungen aufzubauen. Sie zeigt dabei wichtige Arbeiten mehrfach, baut sie aber – das scheint ihr wichtig zu sein – an jedem Ort von Grund auf neu auf. So werden auch das Klavier und die Stühle, welche das PasquArt mit grossem Aufwand für die Bieler Ausstellung beschaffte, nicht weiter verwendet, sondern nach Ablauf der Ausstellung entsorgt.

Einer der Gründe für Shiotas Erfolg ist zweifellos die überzeugende Art und Weise, wie es ihr gelingt, ihren japanischen Hintergrund nahtlos mit den Einflüssen ihrer Studienzeit bei Marina Abramovic in Deutschland zu verbinden. So, dass daraus etwas entsteht, das zugleich in West und Ost verwurzelt ist.

Das internationale Moment

Das CentrePasquArt zeigt primär Kunst aus der Schweiz seit 1980. Es ist aber zweifellos sinnvoll, diese Regel dann und wann zu durchbrechen. Die Ausstellung Chiharu Shiota stellt sich so in eine Reihe mit den Künstlern Koreas (2006), aber auch der Schau von Claudia di Gallo (2007), die ebenfalls, wenn auch anders, in Zonen des Universellen vorzudringen suchte.

Die Ausstellung dauert bis 15. Juni 2008