Heinz Peter Kohler im Rebhaus Wingreis 2008

Haben Künstler kein Recht auf Pensionierung?

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez inBieler Tagblatt vom 30. Sept. 2008

Im Rebhaus in Wingreis stellt Heinz-Peter Kohler aus. Er ist 73 und zeigt lauter neue Bilder. Virtuose Aquarelle und Ölbilder. Und doch weht eine Spur Tragik durch die Räume.

Es gibt keinen bielerischeren Künstler als Heinz-Peter Kohler. Seit mehr als 50 (!) Jahren malt er daselbst. Mehr als 5000 Arbeiten – Aquarelle insbesondere, aber auch Ölbilder, Zeichnungen und Grafiken – lagern in seinem Depot. Wie viele durch Verkäufe und Schenkungen in den Besitz von Privaten, aber auch der Sammlung der Stadt Biel zum Beispiel, gelangten, wisse er nicht, sagt Kohler. Viele, das ist sicher. Er habe nie einen anderen Beruf gehabt, meint er, darum habe er immer gemalt.

Und weiter: Es sei halt schon eine Krux, wenn die Produktivität und die Nachfrage nicht übereinstimmten. Klagen gehört zu Heinz-Peter Kohler, dass wissen alle, die ihn kennen, und manchmal werden seine Worte so bitter, dass es schwierig wird, ihm zuzuhören. Und das wiederum macht sein Leben schwierig, auch wenn die Malerei erstaunlicherweise davon nichts verrät. Die Pinselzüge sind leicht, die Farben fliessen, selbst ein Gewitter über dem Bielersee kann bei Kohler malerisch zum Fest werden.

Und jetzt stellt  Heinz-Peter Kohler im Rebhaus in Wingreis aus, eine wunderbares Haus, aber keine professionelle Galerie. „Was soll ich denn machen, wenn mich niemand sonst zeigt“, sagt er. Kohler hat schon immer zur Eigeninitiative gegriffen, wenn die Dinge für ihn nicht zufrieden stellend waren. Als es in Biel noch kein Kunstmuseum gab, gehörte der einstige Stadtrat zu den ersten, welche ein solches forderten.

Und als ihm schien, Biel werde während der Expo zum Nicht-Ort, gründete er flugs eine temporäre Galerie in der Altstadt. Und weil die Galerien ihn nicht zeigen, veranstaltet er halt selbst eine Ausstellung und foutiert sich darum, ob am gewählten Ort sonst meist Hobby-Künstler ausstellen und nicht Maler von der Qualität und dem Renommée eines Heinz-Peter Kohler. Man vergesse nicht, dass Kohler in den 1960er-Jahren zu den vielversprechendsten jungen Künstlern der Schweiz zählte und mit Stipendien und Preisen überschüttet wurde.

Die Qualität seiner Malerei hat seither nicht nachgelassen; im Gegenteil. Das tägliche „Üben“ hat ihn im Laufe der Zeit zu einem Virtuosen gemacht. Wie kaum ein anderer beherrscht er sämtliche Malstile vom Impressionismus des späten 19. Jahrhunderts über die verschiedenen Stränge der Moderne bis zum Informel der 1960er Jahre. Und er hat sie so verinnerlicht, dass sie ihm alle gleichzeitig zur Verfügung stehen, wenn er die Türe zu seinem kleinen 1-Zimmer-Atelier schliesst, am grossen Tisch steht, ein Papier vor sich hinlegt und zu malen beginnt.

Froh sei er schon, wenn er ein Thema habe, wie zum Beispiel die Petersinsel, die er für Wingreis mehrfach zum Motiv gemacht habe, sagt er, aber wenn dem nicht so ist, so scheint er einfach sein Repertoire abrufen zu können und loszulegen.

Nicht immer gelingt es ihm gleich gut – die Qualitätsunterschiede sind oft markant – aber summa summarum ist Heinz-Peter Kohler bis heute ein hervorragender Maler. Nur:  wenn man durch die Ausstellung in Wingreis geht, muss man zuerst einen Zeitsprung machen, zurück in Epochen als Malerei eine Frage von Farbe und Form war, als es darum ging atmosphärische Stimmungen einzufangen, sei es über dem See oder in der Stadt, als die Malerei noch Geschichten erzählte und dabei – wie Paul Klee zum Beispiel – mit Poesie in tiefere Schichten eindrang.

Die Kunst ist indes nicht da stehen geblieben, sie hat sich neue Medien und Felder erobert. Doch die mag Kohler nicht und kann nicht nachvollziehen, dass das, was einst Gültigkeit hatte,  bei Bildern des 21. Jahrhunderts nicht mehr gleich bewertet wird.

Einer der seit den 1970er-Jahren zu ihm hält, ist der Zürcher Galerist Silvio Baviera. Erst im Januar dieses Jahres fand die letzte Einzelausstellung statt. Im Gespräch meint er: „Kohler ist gar kein erfolgloser Maler wie er oft sagt; er hat Museumsausstellungen in seinem Palmares und in meiner Bibliothek gibt es mindestens 1,5 Meter Publikationen zu seinem Werk, aber er ist nie zufrieden, und das macht es nicht einfach.“
Heinz Peter Kohlers aktuelles Schaffen ist kein Spätwerk, es spiegelt nicht einen Wandel hin zu etwas, das erst im Alter möglich ist. Es setzt, durchaus qualitätvoll, fort, was die Entwicklung in den 1960er-Jahren angelegt hat. Und da liegt die Problematik, die auch für viele andere Maler seiner Generation gilt.

Das Publikum erwartet von Künstlern, dass sie Neues schaffen bis zu ihrem Tod. Oft ist das auch eine schiere Notwendigkeit, denn kaum ein Künstler hat eine die AHV übersteigende Pension. Also kann „Pensionierung“ kein Thema sein, aber dennoch zeigt sich gerade am Beispiel von H.P. Kohler, der seit 1955 als Maler in Erscheinung tritt,  wie schwierig für viele Künstler der Umgang mit dem Älterwerden ist. Gerade darum ist ein Besuch seiner Ausstellung in Wingreis eigentlich ein Must.

Info: Rebhaus Wingreis, bis 19. Oktober 2008  Fr 17 –  20, Sa 17 – 20, So 10 – 17 Uhr.

Die Ausstellung

Das Rebhaus in Wingreis gehört einer Stiftung.
Die unbeheizten Räumlichkeiten im 1. und 2. Stock  werden für Ausstellungen vermietet.
Aktuell sucht der Stiftungsrat nach neuen Perspektive für das Haus.
Heinz Peter Kohler zeigt bis 19. Oktober Bilder aus den Jahren 2007/2008.
Zu sehen ist auch eine Ausstellung in der Ausstellung.
Sie gilt der Harlekin-Clique Biel, deren Hofmaler H.P. Kohler seit 1977 ist.
Es sind mehrere Bilder der Clique in unterschiedlichen Kostümen zu sehen.
Die Clique spielte auch zur Vernissage auf – ohrenbetäubend und wunderbar.