Lisa Hoever im Kunstmuseum Winterthur

Schönheit im Angesicht des Todes

www.annelisezwez.ch Mittelland Zeitung 27. Juni 2008

Das Kunstmuseum Winterthur zeigt Lisa Hoeves zeitlose Malerei im Überblick und einen überraschenden Ausblick.

Die Berner Künstlerin Lisa Hoever, die vor 20 Jahren mit Ulrich Loock von Düsseldorf in die Schweiz kam, ist mit Malerei bekannt geworden, die stilllebenartig verwelkte Zweige, Ranken und Blumen zeigt; Bilder voller Schönheit und Melancholie, Bilder mit dem Charakter von Memento mortis. Diese mit grosszügiger Geste gemalten, sich vielfach überlagernden, auch in  Öl aquarellartig wirkenden Gemälde stehen denn auch im Zentrum der beglückenden Ausstellung von Lisa Hoever im Kunstmuseum Winterthur.

Die grösste Überraschung der Ausstellung sind allerdings nicht die erwartete Kraftentfaltung der grossformatigen Leinwände in den hellen, musealen Räumen des Gigon Guyer-Anbaus, sondern die jüngsten, erst kurz vor der Ausstellungseröffnung fertig gestellten Porträts der 17-jährigen Johanna, der Tochter der Künstlerin. In Bern grossformatige Gesichtsporträts zu malen ist angesichts der Nähe von Franz Gertsch eine mutige Sache. Doch  Lisa Hoevers Bilder stellen sich der Herausforderung bravourös. Und zwar durch denselben Bildcharakter wie er auch die Umsetzung der vertrockneten Zweige und verblühten Blumen prägt: das Moment der angehaltenen Zeit in einem unaufhaltsamen Prozess der  Veränderung.

Während Franz Gertschs gestochen scharfe Johannas und Silvias durch ihre zeitlose Jugend berühren, ist es bei Lisa Hoever eine mehr nach innen denn nach aussen gewandte Nachdenklichkeit. Die sichtbar, aber keineswegs expressiv gezogenen Bewegungen des Pinsels und die Transparenz des Farbauftrags lassen trotz der bildfüllenden, starken Präsenz des jugendlichen Gesichtes das Fühlen und Denken im Augenblick spürbar werden. Bereits ist auch Entwicklung erkennbar, da wo Lisa Hoever den Kopf nicht gesichtsbetont malt, sondern seitlich mit dem zum Knopf gedrehten Haar, dem Nacken und dem Ohr im Fokus.

Einen weiteren Akzent setzt die Ausstellung mit einer stattlichen Zahl von  Aquarellen aus einer Zeitspanne von rund 15 Jahren. Fliessender und spontaner in ihrer Art zeigen die Wasserfarben-Blätter eine breitere Palette von Motiven, die  neben Ornamentalem zum Teil daran erinnern, dass Lisa Hoever in jungen Jahren Bilder von Musikern malte, die sie mittels Farbe und Bewegung in Klang umzusetzen suchte.

Die Ausstellung Lisa Hoevers in Winterthur hat noch eine weitere Besonderheit. In einer Gegenwart, wo kaum ein Kurator mehr wagt, Malerei als sinnlichen Ausdruck des Lebens zu zeigen, geht Dieter Schwarz nach  Ausstellungen mit Bendicht Fivian, Heiner Kielholz und anderen erneut einen eigenen Weg und man dankt es ihm. Umsomehr als Lisa Hoevers Malerei trotz ihrer Referenzen an französische Traditionen und amerikanische Formate eine Zeitlosigkeit evozieren, die sie unabhängig von Modeströmungen macht.

Der sich nicht vor Texten scheuende Katalog in der Reihe der „Séléctions d’artistes“ der Sophie und Karl Binding-Stiftung ergänzt die Ausstellung in gewinnbringender Art; vor allem Ulrich Loocks Essay zu den frühen Werken erweitert den Blick auf das Gesamtwerk der 56-jährigen Malerin und Dozentin an der Hochschule der Künste in Bern.

Info: Bis 3. August. Link: www.kmw.ch