Max Wandeler Monographie Ansprache

Vernissage und Ausstellung Galerie Bommer Zürich

www.annelisezwez 27. Juni 2008

Sehr geehrte Damen und Herren
Lieber Max

Max-Milian Wandeler:  „Wo kann Blau noch bauen?“  -– Es ist ein Prachtsband, dieses Buch. Es braucht Muskeln, um es nach Hause zu tragen.
Was kann der Grund sein, ein solches Buch herauszugeben?  Will da ein finanzstarkes Konsortium einen bisher unbekannten Künstler dem boomenden Kunstmarkt schmackhaft machen? Nein, wer das denkt, liegt falsch. Obwohl natürlich jeder Gang an die Öffentlichkeit, wie auch immer er aussehen mag, einen Anteil Wunschdenken mit beinhaltet, unabhängig davon, ob dies in Abrede gestellt wird oder nicht.

Buchvernissage Galerie Bommer Zürich

Der Hintergrund für dieses umfangreiche Buch ist ein privater, aber immerhin schon ein bisschen weniger privat als das die Geschichte der Zeichnungen und Bilder, die darin in grosser Zahl abgebildet sind. Ich bin daran nicht ganz unschuldig, denke aber, es ist gut so.

Am Anfang war alles noch ganz anders. Da betrachtete Max Wandeler eines Tages in seinem Haus und den ehemaligen Räumlichkeiten seines Architekturbüros in St. Niklausen sowie auf dem „Gütsch“ ob Luzern, was er in gut 40 Jahren alles gezeichnet, gemalt und reliefiert hat. Und war ein ganz bisschen stolz, als er sich der Fülle bewusst wurde. Und es erwachte der Wunsch, sich all der Stunden im versteckten Kämmerchen oder in den Ferien, all der Beweggründe für diese oder jene Ausdrucksform noch einmal zu erinnern. Das ist nicht aussergewöhnlich; viele Menschen, mich eingeschlossen, haben im Zug des Älterwerdens das Bedürfnis, das eigene Leben oder Teile davon noch einmal genau zu betrachten, vielleicht sogar zu hinterfragen. Die einen beginnen dann ihre Memoiren zu schreiben, die anderen  – es ist die deutlich seltenere Spezies – haben lange Jahre ein zweites Leben gelebt und entschliessen sich jetzt, dieses sichtbar zu machen.
Das ist hier der Fall.

Max Wandeler war sich anfangs der 1950er-Jahre als er in Rom den Nabis gleich die historischen Stätten des römischen Reiches aquarellierte noch nicht sicher, ob er Künstler oder Architekt werden wollte. Der ziemlich pragmatische Entscheid lautete dann wenig später: Zuerst Architekt, dann Künstler.  Es wurde dann ein bisschen komplizierter. Die meisten von Ihnen kennen Max Wandler als erfolgreichen Architekten.  Viele von ihnen kennen Max Wandeler als Kunstsammler mit internationalem Profil. Aber für die Allermeisten hier diese Ausstellung und dieses Buch eine – RIESIGE – Überraschung. Nicht nur die grosszügige Publikation,  die einer eigentlichen Oeuvre-Präsentation gleichkommt, sondern die Tatsache, dass sich darin ein bisher nur einem kleinsten Kreis bekannter Max Wandeler zeigt. Das Malen war Max Wandelers PRIVATISSIMUM.

Es ist mir auch heute, nach den langen Diskussionen mit Max Wandeler einerseits und vielen Luzernern andererseits, schleierhaft, dass kaum jemand von dieser Leidenschaft – und von einer solchen muss angesichts des Werkumfangs gesprochen werden – wusste. Weder Architektenkollegen, noch Kunstkritiker, noch Künstler, nicht einmal Museumsleute, die mit ihm bezüglich Leihgaben aus seiner Sammlung verhandelten, wussten davon. Obwohl in seinem Haus durchaus Bilder mit der Signatur „Milian“ hingen – zwischen Werken von englischen, deutschen, österreichischen, schweizerischen Künstlern und Künstlerinnen. Einmal, so erzählte mir Max Wandeler schmunzelnd, habe beim Besuch einer Gruppe von Kunstsammlern bei ihm zuhause, einer gesagt, ach, dieses Bild da, das sei  doch sicher von diesem von diesem Amerikaner… doch er habe nur mit „nein“ geantwortet und dann sei die Sache erledigt gewesen.

Warum hat Max Wandeler im Verborgenen gemalt? Die Inhalte seiner Malerei sind ja, wie sie sehen, keineswegs von privatem Charakter, keine Enthüllungen, keine emotionalen Ausbrüche, sondern – wie der Untertitel des Buches sagt – „Gemalte Stadtträume“.

Ich glaube, man muss dazu zwei Dinge sagen. Ein Privatissimum ist etwas, das einem sehr wichtig ist, das sehr kostbar ist und das man schützt wie ein rohes Ei, damit niemand das darin enthaltene Glück zerstört. Malen hat hier demzufolge mit Glück zu tun. Es kommt mir dazu immer wieder Agnes Martin in den Sinn, die sinngemäss sagte,  sie male nur um den winzigen Augenblick des Glücks willen, wenn sie in fast nichts die Fülle des Ganzen spüre. Max Wandeler ist kein Minimal Artist und auch seine Sammlung ist nicht auf Minimal Art ausgerichtet – da gibt es eher auf verborgene Ordnungen, auf Surreales, auf Materialbetontes ausgerichtete Werke.  Aber das heisst nicht, dass die Vollendung eines malerischen Stadtraum-Traumes nicht auch dieses Glücksmoment bringt, das man mit niemandem teilen kann. Und das man auch nicht aussetzen will, weil eine äusserliche Kritik daran, den inneren, eigenen Kern verraten hätte.

Max Wandeler (rechts) im GesprächSo ging Max Wandeler  als Maler – nicht als Architekt und Sammler – den Weg der Einsamkeit. Wenn sie dann in meinem Text lesen, dass sein „Atelier“ eine Abstellkammer war, so wird sie dies unter dem Aspekt des eben Gesagten nicht mehr wundern.

Da hat aber wahrscheinlich noch etwas anderes gespielt. Wie sagte er sich als junger Mann: Zuerst Architekt werden, dann Künstler. Und so lag dieses Kommende eigentlich immer vor ihm, so war das Zeichnen und Malen während mehr als 30 Jahren in gewissem Sinn eigentlich immer Vorbereitung auf…. und erst seit er sich vor  knapp 10 Jahren entschloss, das Architekturgeschäft hintan zu stellen, ist Zeit da und das Werk – sie sehen es im Buch, wenn sie die Jahrzahlen studieren – hat sich auch tatsächlich vervielfacht seither.

Aber eigentlich ist das Leben jetzt schon gelaufen – mit 65/70 Jahren hat man keine Ambitionen mehr wie mit 35 (ausser man heisse Mc Cain, aber das lassen wir hier besser).  Max Wandeler durfte beim Rückblick auf sein Leben indes feststellen, dass das mit dem Künstler nicht ein Ball war, den er einfach vor sich her schob, sondern einer den er immer mit schob und der ein Werk entstehen liess, das umfangreicher ist als er sich dessen wohl je bewusst war, bevor der Wunsch keimte, es im Zusammenhang zu sehen – nicht als grosse Ausstellung, das wäre ein zu grosser Schritt aus dem Privaten heraus gewesen. Aber als BUCH!

Und so lautete denn auch die erste Idee, ein Buch herauszugeben, das sein Schaffen dokumentiere.  Für mich war dennoch schon nach dem ersten Besuch in St. Niklausen klar, dass das Buch zwar das malerische und zeichnerische Werk dokumentieren soll, dass mein Text aber nicht den Fehler machen dürfe, nur vom Maler zu reden und den Architekten und Sammler auszublenden. Denn niemand kann sein Leben in Einbahnstrassen unterteilen und so ist das Urbanistische, das die Ideen des Architekten geformt hat, im malerischen Werk durchaus ein Thema und das Auge des Sammlers ist mitgeprägt von den Erfahrungen des tätigen Künstlers. Und durch alles hindurch wirken familiäre und charakterliche Prägungen, Zeiteinflüsse, Lebensformen usw.

Bei unserem ersten Zusammentreffen, war das gesamte Werk bereits fotografiert und es gab eine erste grafische Idee, aber die Diskussion ging erst jetzt so richtig los. Nicht nur eine Person sollte schreiben, sondern mehrere, unter verschiedenen Blickwinkeln. Wir waren uns wohl nicht bewusst, wie sehr unser Kommen, Schauen, Kommentieren für Max Wandeler Neuland war, wir benahmen uns wie immer in Ateliers, Bilderlagern usw. – das heisst ziemlich rücksichtslos. Das muss gar nicht so einfach gewesen sein. Dennoch gab es nie irgendwelche Grenzen. Vermutlich war sich Max Wandeler bewusst, dass er sich als Sammler ja auch fremder Werke bemächtigte und sie nicht nur, was den Besitz, sondern auch die geistige Substanz anbetraf, zu seinen eigenen machte. So liess er auch uns nicht nur gewähren, sondern beobachtete mit Interesse, was wir wie interpretieren würden.

Und nun ist das Buch da. Es ist längst nicht mehr einfach eine Dokumentation, sondern eine durch und durch gestaltete Kunst-Publikation, herausgegeben vom Benteli-Verlag.

Ich kann mich noch erinnern wie wir diskutierten, ob es einen Verlag brauche oder nicht und ich dann meinte: Auf alle Fälle, denn der Vertrieb sei doch eine wichtig Sache usw. Ich war gewohnt auf Öffentlichkeit hin zu denken. Und ich meinte auch zu wissen, dass Max Wandelers  nicht auf Konkurrenz mit zeitgenössischem Kunstschaffen ausgerichtetes, aber in einer ganz besonderen Konstellation entstandenes Werk eventuell ins Programm des Beneteli-Verlages passen könnte. Und dann begann der Stein plötzlich zu rollen – nicht gerade im Eilzugstempo – aber vielleicht ist das gut so, denn was jetzt vorliegt überzeugt in mehererlei Hinsicht. Das Buch ist nicht langweilig, es wagt die Kombination von kleinen Abbildungen und  grossen, herangezoomten Nahblicken – das ist ja schliesslich auch Architekturpraxis – es wagt die Chronologie, die es entwicklungsmässig durchaus gibt, zu durchbrechen. Es wagt,  durch die fast 1:1 auf Transparentpapier gedruckten Zeichnungen dem Konstruktiven der Bilder den unterschwelligen roten Faden des Surrealen – auch des Emotionalen –  immer und immer wieder entgegen zu stellen.

Und auch bei den Texten ist gelungen, was anvisiert wurde, nämlich keine Wiederholungen. Mir sass in einer Frühphase des Projektes gerade ein Buch im Nacken, wo jeder Texxt mit „wenn man ins Atelier tritt“ b eginnt. Das sollte hier nicht passieren. Christoph Lichtin wählte sich für seinen Text nit dem Titel „Fragemente für einen Metaphysiker“ scheinbar ein Rand-Werk – nämlich eine Zeichnung auf zerknülltem und wieder geglättetem Papier, das als Negativ-Struktur eine Art Stadtbild innerhalb der Konturen eines Schädels zeigt – und er entwarf von hier aus einen eigenwilligen Blick auf die Spiegelung dieses inneren Bildes in der Malerei und belegt dies auch mit Zitaten Wandelers.

Marco Obrist nahm sich ein anderes Thema vor – nämlich die Art und Weise wie Max Wandeler Farbe einsetzt, warum helle Pastelltöne hier, satte, kräftige, ungemischte Farben dort und wie die fast konsequent angewandte Farbfeld-Metholde zu interpretieren ist.

Ganz anders Carsten Joergensen – sein Text steht nicht nur für Literatur, sondern in gewissem Sinn auch für den Rezipienten, den ein Bild, in diesem Fall insbesondere „City Structure“ von 1974, anregen kann, assoziativ zu eigenen mystischen Stätten aufzubrechen.

Ganz wichtig scheint mir in jeder Monographie, dass darin auch der Künstler selbst zu Wort kommt, dass auf der Textebene nicht nur Interpretationen zu lesen sind. In Form von Zitaten ist Max Wandeler hier und dort präsent, aber ebenso wichtig sind seine eigenen „Stadtgedanken“, die aufzeigen, wie er selbst in seinen Bildern zu lustwandeln liebt.
Meinen eigenen Ansatz, den Maler, den Architekten und den Sammler zu verknüpfen habe ich bereits erwähnt.
Es bleibt anzumerken, dass ich Bücher sehr schätze, die zusätzlich zum Buch-Inhalt auch Dankes worte und Informationen enthalten, zum Beispiel, wer die aufwändige buchgestalterische Arbeit geleistet hat, in diesem Fall Arturo Andreani, wewr die Menschen sind, welche die Texte schrieben usw.

Wie sagte ich eingangs: Ein Prachtsband. Es bleibt dabei. Ich danke.

Annelise Zwez, Kunstkritikerin, Fraubrunnenhaus, 2513 Twann, 032/ 315 11 59, 079/278 31 88, email: azwez@bielertagblatt.ch, www.annelisezwez.ch