Pascale Grau Never Failed Yet Zuerich 2008

Performance und Ausstellung im videotank

annelisezwez.ch   Annelise Zwez in regioartline Norschweiz 07.09.2008

Multimediale Ansätze prägen die Performances der Basler Künstlerin Pascale Grau. Bild, Präsenz, Bewegung und Gesang bilden auch die Facetten des Projektes „Never Failed Yet“, das kürzlich im Zürcher „videotank“ Première hatte und als (autonome) Video-Trilogie bis 17. Oktober in den „Aquarien“ unter der Dreikönigsbrücke zu sehen ist.

Lautlos gleitet ein Weidling den Schanzengraben in Richtung Dreirosenbrücke. Die in der Stadt niemals dunkle Nacht lässt die darin stehende, blutrot gekleidete Frau, den Mann an den Stehrudern und die aufgespannte Leinwand dazwischen erkennen. Sie sind angekündigt und werden von Schaulustigen erwartet. Da schaltet sich ein Video-Beamer zu und das flirrende Bild einer offenen Iris gleitet auf die Leinwand. Die Nahsicht  auf Staubbeutel und Stempel lässt  an Bilder von Georgia O’Keeffe denken; Verletzlichkeit, Sinnlichkeit breitet sich ins Licht aus. Der Ruderer hält den Weidling an, fragil die Strömung ausgleichend; dennoch ist alles in Bewegung, das Wasser, der Kahn, das Bild.

Pascale Grau hebt im Schiff zum Gesang an. „Jesus blood never failed me yet“, singt sie, ein Lied von Gavin Bryars nach dem Song eines englischen Junkies. Nicht jedes Wort ist verständlich, aber das spielt keine Rolle – die Farbe des Gesangs ist wichtig, das Besingen des Bildes, die Potenzierung von Stimme und lautlos vibrierender Blüte zum erotisch bewegten Klang-Bild. „Never failed me yet“ klingt es  auf der Tonleiter hinauf und hinunter, versunken in  Erinnerungen an vergangene Liebesnächte.

Loop-Wiederholungen über Lautsprecher, die unter der Brücke angebracht sind,  lassen die Stimme zum Chor werden, zur Sehnsucht nach der Wiederkehr der Erinnerung in die Gegenwart. Pascale Grau singt mit sich selbst, ignorierend, dass sie an einem Un-Ort, unter einer Beton-Brücke mitten in der Stadt ihr Innerstes Preis gibt. Dann wird ihre Stimme fast unmerklicher leiser, das Bild weicht, der Weidling fährt, das Echo nimmt ab, der Traum entflieht, die Vision schwindet , der Kahn fährt zurück in die Nacht.
Die auf der Fussgänger-Promenade entlang dem Schanzengraben Stehenden schweigen; niemand hat Lust das noch in der Luft Schwebende zu zerstören.
Bald tritt die Künstlerin hinzu; sie ist nicht ganz glücklich – technisch klappte nicht alles wie während der Probe. Doch die Besucher kippen das nebenab; sie sind beeindruckt. Vielleicht am meisten davon, dass eine renommierte Performerin wie Pascale Grau es wagt,  heute  und mitten in betonverbauter Umgebung, die Liebe nicht zu zerstampfen, sondern als Kraft-Ort zu besingen, überzeugt , dass der Glaube daran nie falsch sei („Never failed me yet“).

Zum Auftritt in Zürich  eingeladen wurde die in St. Gallen aufgewachsene Künstlerin und langjährige Performance-Kuratorin im Basler Kaskadenkondensator von Anna Kanai und Nadja Baldini, die den seit 2006 bespielten, offenen Kunstraum unter der Dreirosenbrücke unweit des Paradeplatzes kuratieren. War der Auftritt einmalig, so bleibt vor Ort  die Tag und Nacht zugängliche Video-Trilogie, die, in raffinierter Weise  1973 erbaute und später stillgelegte Aquarien nutzend, dasselbe Thema auf drei Monitoren einfängt.

In der Mitte die bereits beschriebene Iris-Blüte, die aufgrund von feinen Zeit- und Bildverschiebungen auch als Video vibriert. Rechts und links Wasser, mal grau, mal blau, mal grün, mal Bach, mal Strom, mal wild bewegt, mal ruhig und lichtdurchflutet, mal nahe am Ufer und nahe an der Vegetation,  mal weit draussen auf brechende Wellen fokussiert. Das Auf und Ab, das Nah und Fern, das Ungestüme und das Stille übertragen sich auf die entblösste Iris-(Blume) im Zentrum, die dem Zittern und Zagen unentwegt trotzt.

Auch als Videokünstlerin ist Pascale Grau Performerin, das heisst die wendungsreiche Dynamik der Aufnahmen beruht nicht  (nur) auf Manipulationen am Schnittpult, sondern ebenso auf dem körperlichen Umgang mit der Kamera, die dergestalt 360° um die Welt schaut.