Bieler Fototage 2008 zum Thema Make believe

19 Schweizer Positionen in 10 Ausstellungen

www.annelisezwez.ch    Mittelland-Zeitung vom 6. September 2008

„Make believe“ Die 12te Ausgabe der Bieler Fototage befasst sich mit dem Genre der inszenierten Fotografie. 17 Positionen in 10 Ausstellungen.

Annelise Zwez

Künstler wie Cindy Shermann, Jeff Wall oder Spencer Tunick stehen prototypisch für die inszenierte Fotografie in der Gegenwartskunst. Das Charakteristikum: Die Fotografie ist das Endprodukt aufwändiger Vorbereitung, eine Art Theateraufführung in einem Bild. Was für die Leuchttürme gilt, faltet sich in der weltweiten Foto-Szene seit den 1980er-Jahren auf und zieht bis heute unvermindert Kreise.

Unter dem Stichwort „Make believe“ versuchen die 12ten Bieler Fototage das Spektrum, wie es sich in der Schweiz aktuell zeigt, einzufangen; mit 17 Positionen von Loan Nguyen über Annaïk Pitteloud bis zu Stefania Malorgio. Traditionell ist der Besuch der zehn Ausstellungen mit einem Spaziergang von der  Museumsmeile in die Bieler Altstadt verbunden. Wer Glück hat begegnet dabei den zwei witzigen goldenen Kameras, die als Lifestyle-Maskottchen durch die Strassen ziehen.

Die Ausstellungen selbst präsentieren sich weniger bunt, zeigen Essays, die von (Fast)-Dokumentarischem über betont Theatralisches bis zur hintersinnigen Rekonstruktion reichen. Zu den Highlights gehören ohne Zweifel die „Cromofobien“ des im Tessin lebenden Italieners Christian Tagliavini. In den grossformatigen, farbentleeren Intérieurs geht es um die Angst einer Blondine im Outfit der 1950er-Jahre vor Gegenständen, die so rot sind wie ihre sinnlichen Lippen. Was überzeugt ist, dass die Inszenierung nicht eine Geschichte oder Diskussion evozieren soll, die Essenz vielmehr im Bild selbst stattfindet.

Ganz im Gegensatz zur Serie des Zürcher Hochschul-Dozenten Istvan Balogh, der, in Anlehnung an historische Vorbilder, Frauen auffordert, sich ohnmächtig in die Arme ihrer Partner fallen zu lassen, um die Schnittstelle zwischen Hysterie und Theatralik aufzuzeigen.

Unbekümmerter und frischer ist die als Mischkonstruktion zwischen Guckkasten und Baustelle Inszenierte „Kiste“ der beiden jungen Zürcher Taiyo Onorato und Nico Krebs. Sie zeigen anhand  von Schwarz-Weiss-Dias, etwas, das es kaum mehr gibt, was sie Archäologen gleich an kleinen Absurditäten in der Stadt gefunden und in Szene gesetzt haben.

Obwohl mit Chantal Michel eine der grossen Schweizer Foto-Performerinnen mit von der Partie ist, bestimmen das Feld eher unbekanntere Namen einschliesslich Studierende an der Bieler Schule für Gestaltung. Damit fehlen wichtige Positionen wie zum Beispiel Katrin Freisager, Nele Stecher oder Shooting Star Olaf Breuning. Das ist für eine Veranstaltung, die sich Festival nennt, bezüglich Publikum nicht ungefährlich, umso mehr als das Thema eher ein formal-analytisches ist als ein unter den Nägel brennendes. Da braucht es schon Spieler wie Olivier Pasqual, der Sportler  in historischen Posen auftreten lässt als wären sie die Herrscher von heute, um Zeitgeist und Thema zu potenzieren.

Was positiv auffällt, ist die konzeptuelle Abgrenzung des Mediums Fotografie gegenüber digitalen Mischtechniken, um nicht ins Uferlose abzugleiten.

Info: Bis 28. September. Mi-Fr 14-18, Sa/So 11-18 Uhr. Empfang: Centre PasquArt. Begleitpublikation und Rahmenprogramm. Link: www.bielerfototage.ch

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