Verena Lafargue Kunst am Bau Raiffeisenbank Bielersee 2008

Trotz allem träumen in der Bank

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 22. Oktober 2008

Die Raiffeisen Bank will ihren Häusern durch Kunst am Bau Individualität verleihen. Verena Lafargue Rimann hat für die Raiffeisenbank Bielersee das Opus Magnum ihres bisherigen Werkes geschaffen.

Alles begann an einem kalten Februarmorgen des Jahres 2005. Verena Lafargue Rimann fuhr zusammen mit der Tänzerin  Katharina Vogel und der Fotografin Sandra Dominika Sutter ins Grosse Moos. Sie wollte auf der dunklen, gefrorenen Erde eine zuvor im Atelier geschweisste Plastikhülle von 10 Meter Länge für eine Foto-Performance mit Luft und Licht füllen und durch die Bewegungen der Figur im Innern zu „Leben“ erwecken. 

Wozu die Fotos dienen sollten, war nicht definiert und so warteten sie. Bis 2007 die Einladung zum Wettbewerb „Kunst am Bau“ für den neuen Hauptsitz der Raiffeisenbank Bielersee eintraf. Da entschloss sich Lafargue die auf eine Ausdehnung der realen Welt in eine durch die Plastikhülle gezeichnete, unsichtbare „Um-Welt“  gerichteten Fotos als Grundlage für ihr Projekt zu nehmen. „Venushochzwei“ nannte sie ihren als digitales Bildgewebe konzipierten Vorschlag. Der Titel verweist auf das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs, dem das Bieler Büro Binggeli den Namen „Venus“ gegeben hatte, gleichzeitig betont er aber auch die sinnlich-gelbe Leuchtkraft der Arbeit.

Verena Lafargue gewann den Wettbewerb, allerdings mit dem Auftrag, das aufgrund der Ausschreibung als Boden-Arbeit konzipierte Projekt auf den bereits definierten gelben Kubus im Innern des Raumes zu applizieren. Das war für die Künstlerin ein Glücksfall.  Sie konnte nun ganz auf die von Simon Binggeli und seinem Team weitestmöglich geöffnete Architektur eingehen, das Parterre mit dem ersten Stock verbinden, die Vertikale wie die Horizontale betonen.

Die Figur in der Lüfthülle strebt nun zum einen über 10 Meter Höhe dem „Himmel“ zu, während sie in der Waagrechten um die Ecke verschwindet. Die in die Fotos eingewobenen Blumen und Blüten in unterschiedlichen Massstäben betonen die Präsenz von  fiktiven, sinnlichen, träumerischen Zonen inmitten realer Räume und doch jenseits von ihnen.

Der gelbe Kubus ist eine Idee der Architekten, welche die Innenraum-Gestaltung auf klare Formen, bewusst gewählte Materialien und eine präzise Farborchestrierung ausgerichtet haben. Sie traten der Künstlerin also quasi den gelben Kubus ab, was für Verena Lafargue bedeutete, die ursprüngliche Vielfarbigkeit in verschiedenste Gelbtöne mit Ausweitungen in grünliche und rötliche Schattierungen einzubetten. Dies führte zu der spürbaren Integration der Kunst am Bau-Arbeit in ein Gesamt-konzept, just das also, was eigentlich immer Ziel eines Gestaltungswettbewerbes sein sollte, aber nicht immer so gelingt wie jetzt am Bahnhofplatz in Biel.

Es kommt hinzu, dass die Glasfront zum Kundenraum der Bank das Projekt nicht „einsperrt“, sondern zum Leben in der Seeländer Metropole hin öffnet. Es macht die Bank zu einem Ort zum Träumen, trotz allem was die Menschen angesichts der Finanzkrise zurzeit verunsichert.

„Venushochzwei“ ist aber nicht nur der Gelbe Kubus. Dieser ist in den Bürogeschossen ergänzt um 20 stimmungsvolle Fotos von Performances, welche das Trio im Frühling, Sommer, Herbst und Winter in einem Baumgarten in Gerolfingen, auf der kleinen Insel beim Einfluss des Hagneck-Kanals in den Bielersee, in Cressier und im Bözingenmoos respektive in der Umgebung von Prés d’Orvin durchführten. Sie holen das Entrückte der Tapete auf die Ebene der Realität zurück ohne allerdings das performative Element aufzugeben. Im Attika-Geschoss schliesslich findet man vier Leuchtkästen, welche Jahreszeiten-Fotomaterial noch einmal bearbeiten, nun aber hin zu Auflösung, Licht und Farbe jenseits des Fassbaren.

In der Endphase des Wettbewerbs standen sich 2007 die Projekte von Verena Lafargue und Luo Mingjun gleichwertig gegenüber. Die Bank-Verantwortlichen haben daraus ein Happy End gemacht indem sie für die Besprechungszimmer fünf der neuen, dichten Bleistift-Zeichnungen der aus China stammenden Bielerin Luo Mingjun ankauften. Zeichnungen, die einerseits das Vage von Erinnerungen in Licht und Schatten übersetzen, andererseits das Zeitmoment der Vermischung der Kulturen von Ost und West subtil aufzeigen.

Info: Die neue Raiffeisenbank Bielersee am Bahnhofplatz in Biel wird am kommenden Samstag, 25. Oktober mit einem Tag der offenen Tür eingeweiht.

Info-Kasten
Verena Lafargue Riman
1951 in Solothurn geboren; lebt und arbeitet in Biel
1971 Bernisches Lehrerpatent
1973 Ausbildung im Webatelier Geiger-Woerner in Ligerz
1974-1985 Eigenes Atelier in Frankreich
1986/87 Weiterbildung an den Schulen für Gestaltung Basel und Zürich
Seit 1982 Einzel- und Gruppenausstellungen, vor allem in Frankreich und der Schweiz; Kunst am Bau-Arbeiten und Projekte im öffentlichen Raum
Zahlreiche Bühnenbilder, u.a. für Katharina Vogel