Aufgeräumte Zimmer_René Zäch_Kunstmuseum Thun 2009

Skulptur neu betrachtet

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 18. Feb. 2009

Das Kunstmuseum Thun stellt seine Sammlung an Skulpturen ins Licht. Vergessenes wird neu geprüft und mit Heutigem konfrontiert, unter anderm Arbeiten von René Zäch.

Helen Hirschs Konzept besticht. Die Direktorin des Kunstmuseums Thun durchstöberte das Depot nach (Klein)-Skulpturen und fand dabei zahlreiche Arbeiten der 1950er- und -60er, seltener der -70er Jahre bis heute. Unter dem Stichwort „Aufgeräumte Zimmer“ (Titel einer de-konstruktiven Plastik von Giro Annen von 2006) zeigt sie nicht einfach Highlights und versucht auch nicht zu vertuschen, dass die Sammlung regionalen Charakter hat.

Sie breitet vielmehr aus und überlässt es den Besuchenden zu beurteilen, was Mief angesetzt hat und was bis heute Stand hält. Unter letzterem sind insbesondere die figürlich-konstruktiven Stahlplastiken von Werner Witschi (1906-1999) zu erwähnen, deren tänzerische Leichtigkeit noch heute beschwingt. Anderes versenkt man gerne wieder ins Depot. Doch wer weiss, vielleicht ist der Blick generationenbestimmt, vielleicht schauen die Jungen die zeitgeistigen Abstraktionen ihrer „Grossväter“ mit anderen Augen an als jene, die sich erinnern können.

Die Skulptur im klassischen Sinn stand in den letzten 20 Jahren nicht im Zentrum des Kunst-Interesses. Erst in letzter Zeit dreht sich der Wind – es entstehen sogar wieder Bronzegüsse. Helen Hirsch hat nicht diese sich erst anbahnende Tendenz aufgegriffen. Sie stellt der einstigen Skulptur vielmehr drei heutige Positionen gegenüber, die exemplarisch drei Stränge der Entwicklung des Dreidimensionalen in den letzten 20 Jahren aufzeigen. Es sind dies die Wandlung der Tradition des Einzel- oder seriellen Werkes (René Zäch, geb. 1946),  der Einsatz von Trash- und anderen Billigmaterialien in Raum-Installationen, die entweder Life-Style-Befindlichkeiten Ausdruck geben (Delphine Coindet, geb. 1969) oder die Besuchenden über Audio-Stränge direkt miteinbeziehen (Yves Mettler, geb. 1976). Sie machen die Lebendigkeit der Ausstellung aus.

Man kann es pointiert formulieren:  Die wiederkehrende Präsenz der drei Gäste stiehlt  den Werken aus der Sammlung die Show. Darum kann man unter anderm behaupten, Thun zeige Zäch. Die Werke des bezeichnen-derweise gerade jetzt international immer gefragteren Bieler Künstlers kombinieren Tradition und Aktualität so meisterhaft, dass man geneigt ist den Spruch der richtigen Arbeit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzumerken.

Seit bald 30 Jahren schafft Zäch Holz- (seltener Karton- oder Kunststoff)-Skulpturen, die Alltagsgegenstände auf ihre skulpturale Erscheinung reduzieren. Diese Gegenstände nehmen dabei vielfach Bezug zu technischen Neuentwicklungen – Digitalanzeigen zum Beispiel – und kombinieren so High und Low in einmaliger und überdies oft humorvoller Art. In Thun ist es insbesondere die Arbeit „Channel“, die einem sprachlos macht. Die Einzelteile sind, nüchtern betrachtet, einfache Bogenformen aus geraden Holzstücken, kombiniert mit kleinen Rundhölzern, die farblich Metall und Kunststoff suggerieren. Die Blitzartigkeit mit welcher sich die Assoziation „Cern“ einstellt und damit eines der verwegensten Technik-Experimente mit einer derart einfachen skulpturalen Anlage verbindet, ist schlicht grossartig. Zäch würde wohl einen pragmatischen Kommentar abgeben und sagen, ohne Computer könne er gar nicht anders. Und er träfe damit  wohl ins Schwarze, das heisst, weil er in seinem Atelier (aber nicht in seinem Blick in die Welt) ein High-Tech-Verächter ist, muss er komplexeste Strukturen auf ihr Skelett herunter-brechen. Dass ihm das in modellartigen Anlagen so stupend gelingt, ist seine Kunst.

Auch die Audio-Arbeiten von Yves Mettler überzeugen. Die Karton-Skulpturen sind im weitesten Sinn Schall-Gehäuse. Aus ihnen dringen Sätze in die Räume wie „I’am coming“ oder „They listen to us“.  Er gibt damit Geschäftigkeit vor, welche die Ausstellung quasi aus ihrer Statik hebt und Bewegung einbringt. Delphine Coindets verspielte Objekt-Sulpturen wiederum stecken die Ausstellung mit jener Prise unbekümmerter Gestaltungslust an, die einem ermuntert, die 50 Jahre Skulpturgeschichte einem Kaleidoskop gleich durcheinander zu wirbeln, um sie neu zu sehen.

Info: „Aufgeräumte Zimmer – Skulpturen aus der Sammlung mit Interventionen“, Kunstmuseum Thun, bis 13. April. Di – So 10 – 17 Uhr, Mi 10 – 21 Uhr. Kein Katalog.