Jürg Straumann in der Galerie Silvia Steiner Biel 2009

Ein Spieler im Panoptikum der Stile

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 14.Feb. 2009

Der Berner Künstler Jürg Straumann ist ein Spieler nach den Regeln der Kunst. Ob Böcklin, Valloton oder Hopper – er malt ihre Bilder neu. Zu sehen ab heute bei Silvia Steiner in Biel.

„Paraphrasen“ ist der Titel der ersten Ausstellung von Jürg Straumann in der Galerie Silvia Steiner. Paraphrasen sind Umformungen und genau das macht der 57-jährige Berner Künstler. Ihn interessiert  wie Bilder der Kunstgeschichte – von Felix Valloton über Paul Klee bis Georgia O’Keeffe – in verschiedene Bildsprachen übersetzt werden können.  Massgebend ist für ihn dabei weniger die Inhaltlichkeit und die persönliche Beziehung zu Böcklins „Toteninsel“ respektive Klees „Tempelgärten“ als vielmehr die Lust die Ikonen aufzubrechen und die Versatzstücke so  zu arrangieren, dass daraus eine Durchdringung von Fremdem und Eigenem entsteht.

Konkret kann das heissen: Straumann platziert eine Laserkopie von Edward Hoppers berühmtem „Fremdenzimmer“ neben sich. Auf die mittelgrosse Leinwand legt er als Erstes lockere Pinselgesten in den Farbklängen Hoppers. Dann zerstückelt er das Motiv des nächtlichen Hotels mit dem warmgelb erleuchteten „Fremdenzimmer“ und malt die Versatzstücke als quadratischen Fenster oder  mehrteilige Rechtecke in die abstrakte Bildszene. So, dass das Bild zu oszillieren beginnt zwischen hinten und vorne, zwischen konstruktiv und gestisch, zwischen objektiv und subjektiv.

Es kann auch sein, dass er eine Leinwand mit Abdeckbändern in ein konstruktives Netz verwandelt, dann mit Farbe, Pinsel und Körperschwung bemalt, die Bänder wieder entfernt und dann erst ein Werk aus dem Fundus der Kunstgeschichte wählt, das in die Trassee der Bänder eine zweite Bildwelt einpasst. Achtung: Bei „Soir antique“  von Valloton  sind es ziemlich deftige (Film)-Streifen, die da einer romantisch-blauen Landschaft vorgelagert sind;  Valloton liebte bekanntlich nicht nur Sonnenuntergänge, sondern auch „Fleisch“.  Straumann variiert die stilistischen Parameter mit Lust, das Erkennen von angeeignetem und Eigen-Bild verliert sich dabei allerdings oft in einem innerbildlichen Dialog.

Jürg Straumann ist seit den späten 1970er-Jahren als Künstler tätig. Seine erste Paraphrase (nach Böcklin) datiert von 1979. Re-Interpretationen waren in den bildkritischen 1970er-Jahren keine Seltenheit; man denke etwa an Martin Schwarz’ „abwesende Mona-Lisa“ von 1972.  Wie die 2007 im Förderprogramm des Kantons erschiene Monographie zeigt, darf man den Künstler aber keinesfalls auf „Paraphrasen“ reduzieren. Was sich als roter Faden durchzieht, ist indes das Reagieren auf etwas, sei es etwas Materielles  wie zum Beispiel ein Zeichenbrett, etwas Mediales wie eine Fotografie oder eben das Universum der Kunst. Die Zeichnung, ob einzeln oder in Skizzenbüchern, ist dabei das wohl wichtigste Medium, um die unermüdlich assoziierenden Einfälle des Künstlers festzuhalten und zu Bildzyklen voranzutreiben. Neben Zeichnung und Malerei spielt auch die Druckgraphik eine wichtige Rolle.

Eine weitere Klammer ist eine ab 1990 entwickelte 12-teilige Bildsprache, die Straumann aufgrund der 12 astrologischen Tierkreiszeichen und ihrer psychologischen Zuordnungen als eine Art „Schule der Temperamente“ entwickelt hat und bis heute in Kursen vermittelt. Dieses „Alphabeth“ zwischen Konstruktion und Geste bestimmt auch die „Paraphrasen“ – das macht sie einerseits vielfältig und spannend, verhindert andererseits aber auch eine dezidiert eigene, künstlerische Vision. Diese wird ersetzt durch den Forschertrieb des Künstlers, der eigenwillig und abseits des Mainstreams dem nachgeht, was er für sich zwischen Himmel und Erde entdeckt. Dass die Rezeption seines Werkes nicht zuletzt deswegen primär eine regionale geblieben ist, gehört mit zum Typus des mehr sich selbst als dem Markt verpflichteten Künstlers.

Info: Galerie Silvia Steiner, Seevorstadt 57 Biel.  Apéro: Sonntag, 1. März 11-13 Uhr. Offen: Mi,Do,Fr 14-18, Sa 14-17, So nur 15. Februar 14-17 Uhr. Bis 14. März.

Jürg Straumann
Geboren am 21. April 1952 in Solothurn, aufgewachsen in Utzenstorf
1971-73 Académie Maximilien de Meuron, Neuenburg
1974/75 Ecole du Louvre, Paris;1975-1979 Sekundarlehramt Universität Bern
1981 Louise Aeschlimann-Stipendium
ab 1982 eigenes Atelier in Bern.
1988/89 Istituto Svizzero Rom
Ab 1979 Einzel- und Gruppenausstellungen im Raum Bern/Burgdorf, seltener Solothurn, Biel oder Zürich

Bilder:

Paraphrase (Öl auf Leinwand) von Jürg Straumann nach Edward Hoppers „Fremdenzimmer“ respektive Paul Klees „Tempelgärten“.