Rückblick/Ausblick Kunstjahr Biel 2008/09

Dynamische Bieler Kunstszene

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12.1. 2009

Die Kunstszene Biel hat 2008  an Dynamik gewonnen. Das wird  2009 weitergehen. Aber: Der Tanz um den Brunnen hat auch Kehrseiten.

Ob „Joli mois de mai“, „Lokal.int“ oder „Espace libre“ – in Vielzahl gab es 2008 Installationen und Aktionen von Künstlern und Künstlerinnen aus Biel und Umgebung zu sehen respektive mitzuerleben. Umsomehr als sich auch die Stadt dazugesellte indem sie mit „reçu“ die Kulturgeld-Empfänger der letzten Jahre zu einem Auftritt in der Alten Krone verpflichtete, wobei hier auch Step- und andere Tanzende, Literaten und mehr mit von der Partie waren. Kurzum:  Die lokale Kunst- und Kulturszene ist lebendig wie schon lange nicht mehr. Und das Erfreuliche dabei: Es leben mehr junge Kreative in der Region als noch vor ein paar Jahren.

Musste die „visarte“ – Veranstalterin des „Joli mois de mai“ in der Alten Krone – die Kunstschaffenden früher dazu  anhalten mitzumachen, bewarben sich 2008 mehr als vom 21. Mai bis 15. Juni Abende zur Verfügung standen. Und kein Event war ein Flop – die Jahr für Jahr zu beobachtende Steigerung der Qualität (und das Aufwandes) war für jeden und jede eine Herausforderung. Man darf behaupten, dass dem „Hübschen Mai“ 2008 der Sprung von der Veranstaltungsreihe zum Festival gelang.

Auch dem „Lokal.int“ gelang es erneut die Kadenz von „jeden Donnerstag Vernissage“ durchzuziehen, was – abzüglich Ferien – heisst, dass 2008 knapp 40 Einzelkünstler und Kollektivs auftraten, die „Kopfhörer“-Konzerte und Text-Events nicht  mit eingerechnet. Und auch hier muss Chri Frautschi niemanden überreden, denn es gilt vor allem für die junge Kunstszene mittlerweile als „in“ ein Event im Off-Space in Biel realisiert zu haben.

Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Die Zahl jener, die am Donnerstag ab 18 Uhr vor dem ehemaligen Kiosk an der Aarbergerstrasse ein (selbstbezahltes) Bier trinken, ist nicht immer sehr gross, aber Ort und Anlass sind nichtsdestrotz ein wichtiger Angelpunkt, um sich zu treffen. Die anderen können im Internet mitverfolgen, was lief und läuft.  Reales und Digitales geben sich die Hand.

Treten im Rahmen des „Joli mois“ wie auch der Weihnachtsausstellung des Kunstvereins ausschliesslich mit der Region verbundene Kunstschaffende auf, ist  es im „Lokal.int“  ein Mix zwischen lokalen respektive in Bern, Basel, seltener anderswo tätigen Kunstschaffenden. Dasselbe gilt für den von der „visarte“ betriebenen und zu den Partnern des Centre PasquArt zählenden  „Espace libre“.

Dennoch zeigte sich im Laufe des Jahres die Gefahr des „too much“. Und nicht übersehen werden darf, dass all diese Auftritte  kaum einem der Kunstschaffenden auch nur einen roten Rappen Verdienst brachte. Das wäre zu verschmerzen, wenn die Region parallel dazu über eine gewinnträchtige Galerien-Szene verfügen würde. Dem ist aber leider nicht so. Zwar gibt es Hoffnungsträger wie die eben ins PasquArt-Quartier eingezogene „Art-Etage“ (ehemals „Quellgasse“), war die Galerie Silvia Steiner auch im 41ten Jahr ihres Bestehens erfolgreich aktiv, deckten die Gewölbe-Galerie und der Art Corner etwas weniger szeneorientierte Bereiche ab, doch ein Kunstmarkt-Ort ist Biel nicht.

Immerhin gelingt es einigen, die hier leben, sich national, ja gar international bemerkbar zu machen – erwähnt seien etwa das Haus am Gern mit Auftritten in Berlin, René Zäch mit einer Einladung nach Dubai, Pavel Schmidt mit einer One-man-show im Tinguely-Museum, Luo Mingjun mit einer Teilnahme an der „Contemporary Art“-Messe in Shanghai – doch Biel muss weiter daran arbeiten, dass seine Lebendigkeit überregional wahr genommen wird.

Wie auf einer anderen Ebene präsentieren sich die „nationalen“ Kunst-Veranstal-tungen in Biel, seien es die Fototage, die Aktivitäten von Museum und Photoforum PasquArt.  Alle können auf ein erfolgreiches 2008 zurückblicken. Zwar wirkten die Fototage unter dem Titel „make believe“ etwas weniger dynamisch als andere Jahre, aber sie konnten die Besucherzahlen (rund 3000) halten. Das Museum darf stolz sein 2008 sowohl in den Verband Schweizer Kunstmuseen aufgenommen worden zu sein, wie den Zuschlag für den Manor-Preis Kanton Bern erhalten zu haben.

2009 wird San Keller als erster Berner Preisträger in Biel ausstellen. Auch die Qualität des Programms mit Emanuelle Antille, Chiharu Shiota, Luo Mingjun, Urs Dickerhof und der Themenausstellung „Aurum“ als Highlights muss im Rückblick keine Vergleiche scheuen. Das Photoforum kam seinem Ziel, sich als Etappenort zwischen Fotomuseum Winterthur und Musée de l’Elysee in Lausanne zu positionieren näher, auch wenn man sich eine charismatischere Ausstrahlung der Institution wünschte, um dies auch wirklich auszusenden.

Was uns 2009 erwartet
azw. 2008 ist vorbei; es lebe 2009. Die Wirtschaftskrise wird im Bereich Sponsoring Spuren zeitigen, vielleicht zu Redimensionierungen führen, aber die öffentlichen Gelder für 2009 sind gesprochen und im Low-Budget-Bereich war eh schon immer „Krise“. Die höchstdotierte Bieler Kunstveranstaltung wird zweifellos die 11. Ausgabe der Schweizer Plastikausstellung sein (ab 29. August). Sie verspricht 50 Interven-tionen von internationalen Kunstschaffenden, die sich mit Utopien und Mikro-Nationen ins Zentrum der Stadt infiltieren werden. Verbündete werden hierbei die Philo- und die Fototage sein.
Das Museum PasquArt startet am 24. Januar mit Hannes Brunners „à la recherche du temps perdu“ und Stéphane Zaechs „Vision du Van“. Gespannt sein darf man auf eine Gruppenausstellung mit jungen türkischen Kunstschaffenden (ab 28. Juni) sein. Das Photoforum-Jahr beginnt mit einer eigenwilligen Sicht des Australiers Brad Rimmer zum Wandel in China. Das Lokal.int. nennt als erste Gäste 2009 Marianne Oppliger, Alexandra Schumacher, Ruedy Schwyn, Judith Huber.
Die Art-Etage startet mit Ausstellungen von Hans Rudolf Fitze (ab 6. Feb.) respektive  Romana Del Negro (ab 27. März), die Galerie Silvia Steiner mit  dem Berner Jürg Straumann (ab 14. Feb.). Der Art Corner präsentiert unter anderem Werke der in Ipsach lebenden Dominikanerin Susan Mézquita (ab 24. April).  Mehr ist zu erwarten; Langeweile wird kein Thema sein.

Das Seeland
Die Stadt Biel ist bezüglich Kunst Zentrum.
Akzente im Seeland setzen die Galerie 25 von Regina Larsson in Siselen, die Galerien Vinelz und René Steiner (Erlach).
Beachtete Kunstorte sind u.a. auch die Kultur-Mühle in Lyss, die Galerie „Marktgasse“ und (neu) die ARTis-Galerie in Büren,  das Rebhaus in Wingreis, das Aarbergerhus in Ligerz und (neu) das Kunstforum in Safnern.

Bildlegenden:

Luo Mingjun Salle Poma Centre PasquArt, Biel
Mirjam Gottier, Installation, Alten Krone, Biel