Aurelie Jossen_Le kou Meyr_Percy Slanec Lyss und Biel 2010

Momente der Stille und der Poesie

 www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. Mai 2010


Die bildende Kunst drängt ans Licht. In der Art-Etage zeigt Percy Slanec feine Rhythmen. In der Kultur.Mühle.Lyss erzählen Aurélie Jossen und Le kou Meyr von Dingen, die vielleicht nur zu sein scheinen.

Percy Slanec in der Art-Etage, Jossen/Le kou Meyr in der Kultur.Mühle, Niederberger bei Steiner, Kunz im Art Corner, Lambert im Gewölbekeller und ab Mittwoch Jolimai in der Alten Krone: Die Kunst stellt sich ins Licht in der Region, abstrakt da, erzählerisch dort.

Von feiner Poesie geprägt sind die Skulpturen, Objekte und Videos von Aurélie Jossen (geb. 1983). Sie ist zusammen mit Lorenzo le kou Meyr Gast in der charmant renovationsbedürftigen, verwinkelten und mehrgeschossigen Kultur.Mühle.Lyss. Obwohl sie 30 Werke zeigt, kommt keine Sekunde Langeweile auf. Immer wieder neu interpretiert sie ihr Thema: Gefühle des Seins; erzählt in papierenen Schnitten, geschnitztem Holz, filmischer Bewegung, keramischer Form und textilen Netzen. Die Arme, die Hände, die Füsse, die Köpfe sind sichtbar, erkennbar und gehorchen doch nicht den Gesetzen des Realen. Frei setzt Jossen Befindlichkeit in Form um; Märchen, Traum und surrealistische Kunsttradition verwebend.

Es ist faszinierend zu sehen wie wenig sie zuweilen dazu braucht, um Fülle zu erzeugen: Etwa ein kleines Notizheft mit dem Papierschnitt einer Mädchengestalt darin, deren überlange Beine im Büchlein nicht Platz haben oder gerade herauszurutschen scheinen. An anderer Stelle mit versilbertem Kupferdraht geschriebene Worte: das „ce que je te dis“ ist dabei so oft überlagert bis es zum melancholische Ausdruck der Unmöglichkeit etwas mitzuteilen wird.

Eine ähnliche Thematik verfolgt auch das Video der Vernissage-Performance; „Sur la pointe des mots“ zeigt die Künstlerin, die ein semitransparentes Körperkleid aufknüpft und dabei in subtilen Worten ihre Schwester anruft, sie aber nicht hört obwohl sie neben ihr steht.

Le kou  Meyrs Transparentfolien-Objekte, Himmel-, Licht- und Nebelbilder auf Leinwand waren in letzter Zeit mancherorts zu sehen, so bieten sie weniger Überraschungen als das Ensemble von Jossen. Worin sich die beiden begegnen, ist einerseits in der Lust an der Fiktion, basierend auf Gegenständlichkeit, andererseits in einem im positiven Sinn spielerisch-kindlichen Moment, das Freiheiten gewährt, welche sich die Erwachsenen nicht mehr erlauben (das wusste schon Paul Klee!). Sehr schön zeigt sich die Charakteristik im Entrée, wo der „Hasenplanet“ Meyrs einem von einem Holzpfeil durchbohrten Stein („légende“) von Jossen begegnet.

Slanec in der Art-Etage

An der Türe zur Art-Etage im Pasquart-Anbau sollte ein Schild hangen. Mit den Worten: „Die Hektik des Alltags bitte draussen lassen“. Denn um die Zeichnungen von Percy Slanec (geb. 1953) wirklich wahrzunehmen, bedarf es der Ruhe. Nur wer  in einem Zustand der Leere und Konzentration schaut, kann die Vibrationen der rhythmisch gesetzten graphitenen Grau-Flächen und -Bänder  spüren.

Distanzen, Proportionen, Farbnuancen bestimmen die Verläufe. Materialien wie Papier, Glas, Folie, neuerdings auch Holz und Gips definieren die Orte. Es sind Aspekte von Architektur, die in Slanecs Arbeiten Ausdruck finden, quasi bevor sie funktionellen Parametern Genüge leisten müssen.  

So zurückhaltend die einzelnen Zeichnungen, so still das Gesamtwerk des seit den 1970er-Jahren tätigen Solothurner Künstlers. Veränderung interessierte ihn nie grundlegend, wohl aber Variation als Akt der Bereicherung. Ähnliches gilt für die graphit-dunklen Architektur-Körper-Zeichnungen von Robert Schüll, den Präsidenten der Visarte Biel, den er als Gast einlud, in Erinnerung daran, dass er schon 1977 gemeinsam mit ihm in Bern ausstellte.

Info: Percy Slanec, Art-Etage, Seevorstadt 71, Biel, bis 22. Mai 2010. Mi-Fr 14-18, Sa 11–18 Uhr. Aurélie Jossen/Lorenzo le kou Meyr, Kultur.Mühle.Lyss, Mühleplatz 8, bis 16. Mai. Fr 18-20, Sa/So 15-18 Uhr.

Bildlegenden:

Aurélie Jossen: „repliée“ (Gefaltete), Gewebe und Textilbänder, 2010; Wandobjekt und Performance-Requisit.

Aurélie Jossen/Lorenzo le kou Meyr: Blick in die Ausstellung

Percy Slanec: Grafitzeichnung.