Au joli mois de mai_25 Einabendausstellungen_Altstadt Biel 2010

Nichts Schöneres als Kunst und ein Glas Wein

 www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 05.05.2010 – 07.06.2010


Heute (05.05.2010) beginnt in der Bieler Altstadt der „Joli mois de mai“. 52 Kunstschaffende aus den Regionen Seeland, Neuenburg, Solothurn und Freiburg werden bis zum  6. Juni 25 Ein-Abend-Ausstellungen inszenieren.

Alle hoffen, dass die neunte Ausgabe ein Erfolgskapitel mehr ins Buch des „Joli mois de mai“ schreiben wird. Die Voraussetzungen sind gut. „Blieb ich beim ersten ‚Jolimai’ manchmal zum Nachtessen in der Alten Krone, damit der Künstler nicht allein ist, darf ich heute sicher sein, dass jede Vernissage ein Stelldichein von Vielen sein wird“, sagt Robert Schüll. Als Einziger hat er sämtliche Ausstellungen seit 2002 gesehen, anfänglich und immer noch als „Hoffotograf“, seit 2006 auch als Präsident der veranstaltenden „Visarte. Sektion Biel“.

„Unser Ziel ist es“, so Schüll, „so wenig Regeln wie möglich aufzustellen.“ Das heisst am „Joli mois de mai“ kann sich beteiligen, wer Mitglied der Künstlergesellschaft ist. Wie er oder sie den Abend im Ring gestaltet, ob als simple Bilderausstellung oder als spartenübergreifende Performance, als Videoprojektion, als Installation, Konzert oder wie auch immer, ist in der Verantwortung der Teilnehmenden. Eine Art Wundertüte. Dass damit ein qualitatives Auf und Ab programmiert ist, gehört bei jedem „Festival“ – der Begriff sei gewagt – mit dazu.

Nichtsdestotrotz wurde sich der Vorstand letztes Jahr der Gefahr des Repetitiven bewusst und hat 2010 darum zum Jahr der  „Pas de deux“ erklärt. Das heisst Biel lud die Künstler und Künstlerinnen der Visarte-Sektionen Neuenburg, Solothurn und Freiburg ein, sich zu beteiligen und mit einem Künstler aus der Region zusammen auszustellen. 17 haben sich allein oder als Duo entschlossen mit dabei zu sein und bilden nun zusammen mit den 28 Kunstschaffenden aus der Region und weiteren Gästen das Teilnehmerfeld des „Jolimai“ 2010. „Ich bin überrascht wie sich die ‚Zusammengewürfelten’ auf das unbekannte Miteinander eingelassen haben, sich vor Ort trafen und zum Teil eigentliche „Pas de deux“-Konzepte entworfen haben“, gibt sich Robert Schüll erwartungsvoll. Ziel des „Jolimai“ ist ja nicht nur die Präsentation von Werken nach aussen, sondern ebenso sehr ein Austausch unter den Kunstschaffenden selbst, seien das die Seeländer unter sich oder, wie jetzt erstmals, ein überregionales Feld mit Nachbar-Regionen, insbesondere auch über die Sprachgrenzen hinweg.

Um das Programm zu runden, finden – wie schon in früheren Jahren – neben Duo-Inszenierungen von Susanne Muller und Béatrice Bader (SO), Barbara Krakenberger und Anne-Charlottee Sahli (NE), Danièle Holder-Bianchetti/Pia Maria und Daniel Salzmann (FR) auch Bieler Partnerschaften wie zum Beispiel Manette Fusenig und Tiziana de Silvestro, Willi Müller und Markus Furrer zum „Pas de deux“.

 

Zum Erfolgsrezept des Altstadt-Kunstevents gehören unabdingbar Susan & Ueli Engel. Jahr für Jahr richten sie parallel zur Kunst das kulinarisch einen überaus guten Ruf geniessende Restaurant „Jolimai“ ein. Denn nichts ist schöner, so der Tenor vieler Festival-Besucher, als ein Kunsterlebnis mit einem guten Glas Wein zu begiessen und dabei angeregt über Kunst und die Welt zu diskutieren.

Der „Jolimai“ ist weitgehend ein lokaler Kultur-Anlass. Doch Biel darf stolz sein, dass ein solches Festival hier stattfindet, dass die Kulturschaffenden nicht einfach ihre Ego-Gärtlein pflegen, sondern auch unentgeltlich Engagement zeigen für die Kultur-Gemeinschaft vor Ort. Das gibt es in vielen anderen Regionen nicht. 

Dass die Bieler „Visarte“ als Veranstalterin zeichnet, bestätigt auch 40 Jahre nach der Abspaltung der Sektion Biel von Bern, dass die seinerzeitige Revolte ihre Berechtigung hatte und die Gemeinschaft lebt. S

ie betreibt auch den Espace libre im Centre Pasquart. Dennoch wirkt die Limitierung der am „Jolimai“ Teilnehmenden auf die Visarte-Mitgliedschaft heutzutage etwas verstaubt. Gewiss wird sie durch Einladungen durchbrochen, aber der Geschmack bleibt. „Gut möglich“, sagt Robert Schüll, „dass wir zum 10-Jahr-Jubiläum im nächsten Jahr just da ansetzen werden“.

Info: Die Vernissagen des „Joli mois de mai“ finden vom 5. Mai bis 6. Juni jeweils Mittwoch bis Sonntag um 18 Uhr statt und dauern bis 20 Uhr. Danach ist die Ausstellung bis spät abends geöffnet.

 

Gelungener Start

Ruedy Schwyn und Ernst Schmid boten am Mittwochabend mit ihrer heiter-hintergründigen Installation einen gelungen Auftakt zum „Joli mois de mai“ in der Alten Krone in der Bieler Altstadt. Zuweilen knallte es – eine der  an stehenden Birkenästen befestigten „Bomben“ zündete, warf Konfetti aus u

nd brachte die an Fäden  hängenden Besen zum Tanzen. „Heute Maisprung“ stand in farbigen Lettern an der Wand. Alles Fasnacht? Nicht bei Schwyn und Schmid: Die Installation war eine subtil satirische Interpretation der aktuellen Linth-Kanal-Korrektion. Denn was Linth  vor 150 Jahren regulierte und mit einer Birkenallee säumte, wird jetzt „in die Luft gesprengt“ und renaturiert. Das kennt man auch im Seeland! Und so fanden der in den 1980er-Jahren aktive Bieler Künstler Ernst Schmid (heute in Glarus lebend) und der sich einst fürs Grosse Moos einsetzende Ruedy Schwyn zum gemeinsamen Thema. Sie trafen sich übrigens vor einem Jahr beim Jolimai nach 20 Jahren zum ersten Mal wieder und beschlossen, „mal was gemeinsam zu machen“. Et voilà – genau das ist eine der Zielsetzungen des „Jolimai“.

Nach Fraefel und Cavoli sind heute Zaech/Jaquet und Siron am Zug, morgen Samstag lassen Markus Furrer und Willi Müller ihre ertüfelten Objekte respektive sinnlichen Peintures aufeinandertreffen. Und am Sonntag erweitern Schüll und Slanec ihre Ausstellung in der Art-Etage in d

ie Alte Krone.

Bildlegende:

Wer bestimmt das Leben der Natur? Installation Ruedy Schwyn/Ernst Schmid. Bild: azw

 

Beschauliche erste Woche

 

 

Es wäre übertrieben zu sagen, dass in den ersten sechs (von total 25) Ein-Abend-Ausstellungen am Jolimai in der Alten Krone bereits „die Post abgegangen sei“. Willi Müller, Markus Furrer, Robert Schüll, Katrin Hotz und andere präsentierten sich eher von der beschaulichen Seite.

 

 

Durchaus qualitätvoll; zu Jean-Denis Zaechs farbbetonten neuen Malereien auf Papier zum Beispiel hörte man hier und dort überraschte, anerkennende Worte. Und Madeleine Jaccard erntete für ihre digitale Raum-Inszenierung im Restaurant-Bereich die Prädikate „humor- und stimmungsvoll“. Die Künstlerin aus La Chaux-de-Fonds hat, ihren Zeichnungen auf Papier entsprechend, die Fluglinien marienkäferähnlicher Tierchen animiert und über den Köpfen der zum Mahl Versammelten tanzen lassen.Während ihr Partner im Bereich Software, Arno Parel, digital generierte kleine Medusen auf die Mauern im Ring projizierte. „Ist doch toll, das hier so im öffentlichen Raum zeigen zu können“, freute er sich und bestätigt damit, dass die „Pas de deux“ respektive „Pas à trois“-Idee des diesjährigen Joli mois de mai eine gute Sache ist.  Wenn auch Gemeinschaftsarbeiten im engeren Sinn bisher die Ausnahme waren. Heute Freitag sind Isabelle Hofer-Margraitner (Jens) und Marie Claire Meyer (Neuenburg) am Ball, morgen Samstag Hannah Külling und ihre Partnerin Claudia Webinger (Biel). Am Sonntagabend sind es Annemarie Würgler und ihr Solothurner Kollege Heini Bürkli.  

 

 

Bildlegenden:

Objekt von Markus Furrer. Foto: azw

Arno Parels „Medusen“ projiziert auf die Fassade der Stadtkirche. Foto: Robert Schüll

Schnäppchenkunst

„Ein Schnäppchen Kunst“ versprachen die Bieler Künstlerin Daniela da Maddalena und

ihr Pas de deux-Partner „Klakla“ aus dem Freiburgischen auf der Einladung zu ihrem Event am Joli mois de mai in der Alten Krone in der Bieler Altstadt.

Die in ihrem Hauptwerk beide realistisch und gesellschaftsbezogen Malenden haben eine ebenso originelle wie humorvolle Idee umgesetzt. Zuerst entschlossen sie sich für Staubsauger. Haushaltgeräte, die – symbolisch betrachtet – mit Luft Unrat einsaugen und Platz für Neues schaffen. So stand denn an ihrem Jolimai-Abend ein Gitter mit einer Vielzahl teils stillen, teils hörbar saugenden Geräten im Raum.

Und an den Wänden hing ein langes Fries mit einer grosszügig angelegten Grafit-Zeichnung mit Saugern, Rüsseln, Staub, Wind und Wirbeln. Dazu gab es fürs Publikum Passe-Partouts, mit denen man ein Bild aus dem Bild wählen konnte, das daraufhin von den beiden Kunstschaffenden ausgeschnitten, signiert und für wenig Geld verkauft wurde. Das zahlreiche Publikum fand Gefallen und machte mit Freude mit.

Köstlich auch die Idee des Workshops mit Blättern für weitere Zeichnungen. Da Künstler es bekanntlich nicht lassen können, waren schon bald H.P. Kohler, Manette Fusenig und Georges Rechberger an der Arbeit, sodass sich der Abend zum bunten Reigen weitete. – Es ist eindeutig, dass der Jolimai dann aufblüht, wenn die Künstler mehr zeigen als Bilder an der Wand. Wenn sie die Chance des heuer zum Motto erklärten „Pas de deux“ nutzen. Das machten kürzlich auch Jocelyne Rickli (Biel) und Catherine Aeschlimann (Neuenburg), als sie mittels Schatten respektive phosphorezierender Farbe ihre Zeichnungen und Objekte im Wechsel von Tag und Nacht erscheinen liessen. – Für diese Woche sind Veranstaltungen mit Eve Monnier & Catherine Tissot&Isabelle Pilloud, Daniel Schär & Jean-Claude Etienne, susanne muller & Béatrice Bader, Danièle Holder&Pia Maria&Daniel Salzmann, Sandra D. Sutter & Priska Gutjahr angesetzt.

Bildlegende:

Daniela da Maddalena schneidet ein „Schnäppchen Kunst“ aus. Bild: azw

Im Nackt-Sein die eigene Fragilität spüren

Es war der 18. Teil der dem Sonntag gewidmeten Performance-Serie „24 x 45 Minuten Nackt-Gehen“, die Thomas Zollinger und 14 weitere Männer und Frauen gestern Abend zum Abschluss des „Joli mois de mai“ durchführte. Das von heftigen Winden attackierte „Niemandsland“ des Nidauer Expo-Parks bot hiezu ein geradezu feindliches Ambiente. Die Nackt-Gehenden kämpften – gegen die Kälte, den Sturm, die spitzen Steine und vielleicht auch die Öde des eingezäunten Areals, das sie gleichsam zu „Gefangenen“ machte. 

Nur die Hälfte hielt bis zum Schluss durch. Die Bedingungen führten vor Augen wie ausgesetzt, wie fragil der Mensch ist, wenn er sich ohne kleidenden Schutz bewegt. Umsomehr wenn er nur mit der vorbestimmten Geschwindigkeit von einem Meter pro Minute vorwärts schreiten darf. Für Begegnungen gibt es da kaum mehr Raum.  – Im Gegensatz zu „Naked Ufos“ im August 2009 auf dem Zentralplatz, fand das „Ritual-Theater“ gestern Abend praktisch unbemerkt statt; die Strandgänger flüchteten eben vor dem drohenden Gewitter und das Jolimai-Stammpublikum blieb beschämenderweise lieber beim Bier im Bistro.