Culture en pots Botanischer Garten Neuenburg 2010

In Töpfen wachsen nicht nur Blumen

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 11. Mai 2010

Endlich macht Neuenburg wieder Schlagzeilen in Sachen Kunst. Im Botanischen Garten wächst aus Töpfen Kunst, im Centre d’Art brennt das Feuer wieder und die 1000-Jahr-Feier wirft ihre Schatten voraus.

„Willst du einen Brief, so schreibe einen Brief“ heisst es. Das gilt auch in der Version: „Lädst du ein, so wirst du eingeladen“. Denn auf die Einladung der Neuenburger zum Bieler „Joli mois de mai“,  kam prompt das Gegen-Angebot der Visarte Neuenburg an Biel, sich am Projekt „Culture en pots“ im „Jardin botanique“ in Neuchâtel zu beteiligen. So begegnen jetzt musikalische „Naturklänge“ aus Topf-Schalltrichtern von Daniela da Maddalena (Biel) farbenfroh aus Töpfen wachsenden „Bambus-Blumen“ von Anne-Charlotte Sahli (Neuenburg). Und die „Hors sol“-Allee von Robert Schüll (Biel) führt zum „Fest unter dem Kastanienbaum“ von Claire Pagni (Neuenburg).

Es ist nicht in erster Linie die objektive künstlerische Bedeutung der 22 Projekte, welche einen Besuch der Ausstellung zum besonderen Erlebnis macht. Es ist vielmehr der heitere, zuweilen aber auch kritische Dialog zwischen Kunst und Natur im teils garten- teils parkartig angelegten Gelände. Dabei fokussieren die 15 Objekte und Installationen im Aussenraum – es gibt auch eine Ausstellungshalle und eine Galerie mit „Kunst im Topf“-Multiples – die Hauptaufmerksamkeit auf sich.

Wer fand dabei das Ei des Kolumbus? Es ist insbesondere eine Arbeit, welche alle andern überflügelt. Es ist das mit Ausnahme einer Topf-Form im Innern verspiegelte grosse Glas der Neuenburger Künstlerin Catherine Aeschlimann. Wie es ihr gelingt das gläserne Bild-Objekt in der  offenen Natur durch Momente von Durchsicht und Spiegelung in eine räumliche Vervielfachung mit entsprechenden Irritationen überzuführen, ist beeindruckend (siehe Bild). Dass die in Neuenburg auch als Lehrerin und Kulturanimatorin ausgesprochen aktive Künstlerin überregional kaum bekannt ist, verweist auf eine ähnliche Situation wie sie auch der Aargau, Solothurn, Biel als „Provinzregionen“ kennen. Umso bedeutsamer sind Gegenkräfte wie der „Jolimai“ oder „Culture en pots“.


In Töpfe kann man nicht nur Blumen pflanzen. Man kann auch „Malerei“ eintopfen und damit, wie es die Bielerin Eve Monnier macht, quasi die Passanten und die Farben der Natur einfangen. Oder man kann Töpfe zerschlagen und die Glück verheissenden Scherben ins Zentrum stellen (susanne muller/Prêles). Dass Scherben auch wieder Form werden können, zeigt Jocelyne Ricklis „Bienenhaus“.

Überdies sind Töpfe nicht zwingend aus Ton;  Marcus Egli (NE) hat neun kleine aus giftigem Blei hergestellt und sie unter dem Titel „Virus neuf“ unsichtbar in die Erde versenkt … Eine Hommage an die klassische Form des Topfes ist hingegen die an Brancusi erinnernde Säule des Bieler/Solothurners Percy Slanec, die zu den gewachsenen Bäumen in präzise Beziehung gesetzt ist.

Kunst in der Natur ist per se interaktiv, also nicht nur im Sinne davon, dass man an de Maddalenas Musikwalzen drehen muss, um Vivaldi hörbar zu machen,  sondern auch in Bezug auf Wachstum, Wind und Wetter. So warten Robert Schülls Baum-Töpfe im „Verger“ des Gartens bereits darauf, dass das Gras gemäht wird und sie wieder sichtbar macht. Während die von Sirenen und anderen Geheimnissen erzählenden Spiegel-Bühnen-Objekte von Pétermann und Jaques  wohl nur bis im Herbst „überleben“, wenn sie von heftigen Gewittern verschont bleiben.

Info: „Jardin botanique de l’Ermitage“, Pertuis-du-Sault 58, Neuchâtel. Ausstellung „Culture en pots“ bis 3. Oktober, täglich von 9 bis 20 Uhr.

Bildlegenden (v.o.n.u.)

Beim Aufbau im Regen: Robert Schüll (Biel)

Installation von Catherine Aeschlimann (Neuenburg)

Performance von susanne muller (Prêles)

Bilder: azw/zvg