Christina Niederberger bei Silvia Steiner Biel 2010

Blumen zwischen Form und Fiktion

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 16. April 2010

Die Malerin Christina Niederberger führt Bilder, die von der Kunst kommen über den Umweg des Populären zurück in die Kunst. Schöne Bilder, die mehr sind als sie scheinen.Bis 29. Mai bei Silvia Steiner in Biel.

Die Gitterstruktur und das rote Quadrat verraten es schnell: Dieses Bild von Christina Niederberger war mal ein Mondrian. Und die farbigen Blumen auf grünem Grund in roter Vase? Sie haben ihre Urahnen in der barocken Stillleben-Malerei. So verschieden die Motive sind, gemeinsam ist ihnen, dass sie von der Populärkultur so sehr vereinnahmt wurden, dass sie gar nicht mehr als Kunst wahrgenommen werden.

Und genau das inspiriert die in London lebende Berner Malerin, die sich seit Jahren mit Kitsch und seinen Möglichkeiten für die zeitgenössische Kunst befasst. Indem sie die schwarzen Linien bei Mondrian durch Spitzenbänder ersetzt und die Farben in psychedelische Wolken auflöst, scheint es zunächst, sie mache sich über den bedeutenden Vertreter der klassisch-abstrakten Moderne lustig und reihe sich damit in die Vielzahl derer ein, die das in anderer Form vor ihr auch schon gemacht haben.

Doch die Sorgfalt, mit welcher sie die Spitzen-bänder als gesprayte Negative auf die Leinwand überträgt oder Blumenmuster aus Spitzenvorhängen ausschneidet und als Blumen-Malerei auf die Leinwand überträgt, zeigt, dass es ihr viel mehr um eine Visualisierung des Abstiegs der Kunst in die Niederungen des Lifestyles respektive deren Rekonstitution als Kunst geht, wenn nun auch ganz anders.

Christina Niederberger hat kürzlich – mit 48 Jahren! – ihren PhD (ihr Doktorat) an der Kunstfakultät der  Universität London abgeschlossen. Das heisst, die theoretische Reflektion über Erscheinung und Wandlung von Bildern ist ihr in hohem Mass vertraut. Doch ist sie darob nur bedingt zur Konzept-Künstlerin geworden. Das Handwerk des Malens ist ihr mindestens so wichtig. Und das ist bei genauem Hinschauen auch sichtbar. Die Präzision, mit welcher die Künstlerin zum Beispiel einen im Stil von Yves Klein blau eingefärbten Teddybären auf die Leinwand abklatscht oder Jasper Johns „Targets“ (Zielscheiben) als dekorative Muster respektive Tortenuntersetzer ins Bild überträgt, verrät unzweifelhaft: Christina Niederberger ist Malerin und das Experiment mit der Beschaffenheit der Oberfläche, mit Licht und Schatten, mit 3D-Effekten ist ihre eine Lust. Und dies alles ohne PC-Unterstützung oder Bildprojektion, sondern variantenreich von Hand gemalt.

Aber auch das ist nicht alles. So geht es bei den im Mittelpunkt der Ausstellung stehenden Blumen-Stilleben zum Beispiel auch um die Frage von Hintergrund und Motiv, um Tapete, Vorhang und Gegenstand. Indem die deutlich als „künstlich“ erkennbaren Blumensträusse gleichsam mit dem Hintergrund verschmelzen, werden sie zu illusionistischen  Mustern im Raum während die Blumen und Blätter papieren oder textil wirken. Einzig die mit Lackfarbe gemalten Vasen verweisen auf taktile Materialität. So drängt Niederberger die Bilder in Richtung Fiktion zwischen Abbild, Materialität, Raum und Fläche, Natur und Künstlichkeit und bleibt dabei doch ganz bei der verführerischen Ästhetik des Populären. Sie wolle die Grenzen des im heutigen Kontext Darstellbaren ausloten, sagt sie.

Weitere Motive wie zum Beispiel eine glitzernde Collage aus alten Tuschbildchen, Papierspitzen als Ufos im universellen Raum der Malerei ergänzen die vierte Ausstellung der Künstlerin in der Galerie Silvia Steiner in Biel.

Info: Galerie Silvia Steiner, Seevorstadt 56, 2500 Biel. Bis 29. Mai 2010 Mi – Fr 14 – 18, Sa 14-17 Uhr. 

Bildlegende:

Natur und Ornament: „Blumen und Vase“ der  Berner Malerin Christina Niederberger. Bild: azw