Olivier Mosset La Chaux-de-Fonds 2010

Kunstsammlung als Autobiographie

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 16. April 2010

Der US-Neuenburger Olivier Mosset (geb. 1944) ist auf der globalen Kunst-Bühne einer der Grossen. 2007 schenkte er La Chaux-de-Fonds Teile seiner Kunstsammlung. Jetzt wird sie gezeigt.

Anfänglich, so Olivier Mosset, habe er  Kunst angenommen, wenn Galeristen ihm seine Guthaben nicht bezahlen konnten. Doch dann habe er plötzlich Lust bekommen, eigene Werke mit solchen von Freunden zu tauschen,  schliesslich auch Kunst zu kaufen.

Was dabei in Jahrzehnten, vor allem aber ab ca. Mitte der 1980er-Jahre, zu einer Kunstsammlung wuchs, ist jetzt im Museum von La Chaux-de-Fonds zu sehen. „Ich wollte nicht einfach die Highlights zeigen“, sagt Lada Umstätter, seit 2007 Direktorin des Hauses. „Es geht mir viel mehr darum, anhand der Werke eine Art Biographie des Künstlers zu zeichnen,  aufzuzeigen was ihn in Wechselwirkung mit seinem Schaffen herausforderte, mit wem er in welcher Zeit befreundet war usw.“

Olivier Mosset lebt seit dem 1960er-Jahren nicht mehr in der Schweiz. Als junger Revoluzzer zog er nach Paris, „weil ich wusste, dass Tinguely dort ist“. Im Umfeld der Aufbrüche der Zeit, wird er zum „radikalen Maler“. 1977 zieht er nach New York, malt nun vor allem monochrom, zuweilen auch zeichenhaft. 1990 vertritt er die Schweiz an der Biennale Venedig. 2007 wird er zur Withney Biennale in New York geladen. Dennoch ist Mosset immer Schweizer geblieben. Er hat Freunde hier und lebt, wenn er nicht gerade in Arizona, in Peking, in Paris oder sonst wo ist, auf seinem Bauernhof zwischen Le Locle und La Chaux-de-Fonds.

So wundert es nicht, dass er das Museum von La Chaux-de-Fonds schon lange als eine Art „Lager“ für seine Kunstsammlung nutzte, um so mehr als der frühere Direktor, Edmond Charrière, zu seinem Neuenburger Kreis zählte. Doch vor dessen Pensionierung musste Klarheit geschaffen werden. Und so entschloss sich Mosset 2007 seine Sammlung aufzuteilen: In ein Konvolut für das „Moca“ (das junge zeitgenössische Museum seiner Wohnstadt Tucson/Arizona), eines für Le Locle und – das Bedeutendste – für La Chaux-de-Fonds.  Einen kleinen Teil behielt er für sich selbst.

Dem Konzept Ladstätters folgend, ist nicht einseitig die Schenkung an „ihr“ Haus ausgestellt, sondern 182 Arbeiten aus allen Teilen. Es sind keineswegs nur grosse Arbeiten – im Gegenteil, man staunt, dass der Maler grosser Monochrome primär „private“ Formate um sich versammelte. Doch vielleicht entspricht das dem Netzwerk-Charakter seines Lebensentwurfs. Mosset ist kein Einsiedler; er liebt das Gespräch, mehr noch, er versteht es als ergänzenden  Inhalt seines auf Farbräume reduzierten Werkes. Entsprechend gross ist  die Zahl der „Gesprächspartner“ respektive der vertretenen Künstler und – seltener – Künstlerinnen. Gesamthaft spielt dabei die „radikale“ Malerei in vielen Ausformungen eine wichtige Rolle. Man spürt auch  wichtige Freunde heraus – den Genfer John Armleder etwa, Christian Robert-Tissot und vor allem auch den 2005 verstorbenen US-Künstler Steven Parrino. Doch viele sind gerade mal mit einem einzigen Blatt  oder auch einer einzigen Kleinskulptur  vertreten wie etwa Jeff Koons oder Yves Klein. Mosset sammelte nicht Kunst, sondern zeichnete Begegnungen nach.  Dabei spielte der „Wert“ eines Werkes ganz offensichtlich eine untergeordnete Rolle,  denn in der Sammlung hat ein Blatt, das ihm einst Hervé Graumanns Computer-Programm „Raoul Pictor“ ausdruckte denselben Platz wie eine Rose von Joseph Beuys, sieben Haarnadeln von Sylvie Fleury oder ein Mini-Fliesenstück von Carl André.

Dieser Haltung entspricht auch, dass nicht ein einziges Werk von Olivier Mosset selbst in der Ausstellung hängt. Nein, wirklich keines. Auch der für Mossets Frühwerk typische schwarze Ring auf weissem Grund im Eingangsraum ist nicht von ihm; es ist eine „Appropriation“ des französischen Künstlers Olivier Babin (geb. 1975).

Das Porträt Mossets gleich daneben, gemalt vom Chinesen Yan Pei-Ming, bringt den Künstler immerhin als Gestalt ein; man spürt Mosset darin, einzig der Blick ist etwas zu duster. Im Verbund mit der „Vincent“ von1950 ergibt sich aber ein sehr gutes Bild des Künstlers, für den das Unterwegs-Sein mit dem Motorrad immer ein Bubentraum war und noch heute ist. Daher auch der Titel der Ausstellung: „Portrait de l’artiste en Motocycliste“.

Bis 12. September 2010. Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr. Im Sommer erscheint ein Katalog mit dem Inventar der Schenkung.

Vertretene Künstler

Die Spannweite der Sammlung Mosset ist weit.

Sie reicht von Sherrie Levine über Joseph Koshut bis Lawrence Weiner.

Von Renée Levi über Gavin Brown bis Grégoire Müller.

Von Christoph Gossweiler über Thom Merrick bis Sabina Lang/Daniel Baumann.

Von Ben Kinmont über Delphine Reist bis Gerwald Rockenschaub

Von Helmut Federle über Frank Kosik bis Janine Antoni.

Das Museum von La Chaux-de-Fonds

Das 1926 errichtete Museum steht  unter Denkmalschutz. Es ist ein wichtiges Zeugnis des Art Deko Stils. Erbaut wurde es u.a. vom Architekten Charles L’Eplattenier, dem Lehrer von Le Corbusier, der 1887 in La Chaux-de-Fonds geboren wurde. Treibende Kraft war die Société des Amis des Arts, die schon im 19. Jahrhundert Kunst sammelte. Anfänglich der regionalen Kunst verpflichtet, sprengte das Museum nach dem Krieg die Grenzen hin zum Pariser Informel. 1986 erhält das Museum die“ Sammlung Junod“ mit Werken von Van Gogh, Modigliani, Soutine usw. Daraufhin wird das inzwischen städtische Museum unterirdisch ausgebaut und verfügt heute über hervorragende Ausstellungsräume.  Highlight seiner Sammlung sind unter anderem das Konvolut an Werken von Leopold Robert (1794-1835), dem berühmtesten der Neuenburger-Bieler Robert-Dynastie und die Art Deko-Abteilung.

Bildlegende :

Im Foyer wird man gleichsam von Olivier Mosset empfangen (Porträt: Yan Pei-Ming, 2009). Davor eines der Motorräder des Künstlers, eine „Vincent“ von 1950. Die Leinwand ist ein „gefälschter“ Mosset.                                                            Bild: azw