Jahresausstellung der Solothurner Künstler 2010

Das lokale Fundament in seiner Vielfalt

www.annelisezwez.ch           Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. November 2010

Solothurn gab am Wochenende den Startschuss zum Reigen der Jahresausstellungen der bildenden Künste. 52 Kunstschaffende aller Sparten überstanden die Jurierung.

Es ist immer wieder erstaunlich wie Solothurn sich selbst mit einer sympathischen Portion Stolz zu feiern vermag. Selbstverständlich, dass der Kulturminister, der Stadtpräsident  und andere Honoratioren an der Vernissage der Jahresausstellung im Kunstmuseum sprechen, ja gar erwägen, ob man die Künstler – wie einst vor Jahrhunderten – wieder gratis einbürgern soll, weil Kunst Schaffende wichtig seien für das Renommee einer Stadt. Da lebt was Jurypräsident Pierre-André Lienhard sagte: „Globale Ansprüche sind glaubhaft, wenn das lokale Fundament in seiner Vielfalt wahrgenommen wird“.

Entsprechend erhielt der lokal engagierte Gewinner des „Auszeichnungspreises des Kunstvereins und der Stadt Solothurn“ – der zwischen Skulptur, Urbanistik und Architektur changierende Ruedi Fluri (geb. 1948) –  gerade zu eine „Standing Ovation“. Ruedi Fluri, so die Jury, habe alle Qualitäten des stillen Denkers und ausdauernden Entwerfers von Lebensräumen, der es nicht beim…Modell belasse, sondern seine Visionen immer wieder am realen Stadtraum messe und sie dort in ephemeren (Karton)-Installationen umsetze.

Dabei macht Solothurn seine Tore keineswegs eng; für die Ausstellung eingabeberechtigt sind alle Künstler und Künstlerinnen, die im Kanton wohnen, aufgewachsen und/oder heimatberechtig sind oder simpel einer der Kunstgesellschaften im Kanton angehören. 213 haben heuer Werke oder ein Dossier präsentiert, 52 von Ihnen haben die Jury überzeugt. Sie leben und arbeiten im Raum Solothurn, aber auch in Zürich, Basel, Biel, Bern, Altdorf oder Luzern. Die meisten haben indes eine Beziehung zur Region oder sind gar Bieler/Solothurner „Doppelbürger“ wie etwa Pavel Schmidt, Barbara Meyer Cesta, Berndt Höppner oder – neuerdings – Christoph Hess alias Strotter Inst.

Qualitativ ist die von den lokalen Kunstvereinen im Zwei-Jahres-Turnus in Solothurn oder Olten durchgeführte Ausstellung im guten Durchschnitt. Sensationelles fehlt, aber im Detail betrachtet, kann man durchaus Trouvaillen machen, umso mehr als sich an den Jahres-ausstellungen oft Kunstschaffende beteiligen, die sonst eher selten in Erscheinung treten. Da ist zum Beispiel die „digitale Fotocollage“ der relativ unbekannten Solothurnerin Manu Wurch (geb. 1965), die sich, einem animierten Bild gleich, in einem kleinen dunklen Holzrahmen ca. 1.80 Meter ab Boden zeigt. Im Lichtbildrahmen sind vielfach multiplizierte Jesus-am-Kreuz-Figuren in strenger Anordnung zu sehen. In gymnastischen Bewegungen lösen sie sich indes Bild für Bild aus ihrer Gebundenheit und entschwinden. Gebannt schaut man zu.

Zu den Highlights zählt auch die zeltartige Cabane der ebenfalls eher unbekannten Inner-schweizerin Monalice Haener (geb. 1961). Sichtlich als Provisorium aufgebaut, enthält sie im Innern „Objekt-Zeichnungen“ von Utensilien wie man sie auf Reisen im Koffer mitführt, Jacken, Hosen, T-Shirts,Turnschuhe. Sie sind aus hauchdünnem Plastik genäht, so, dass nur die Fäden im installierten Schwarz-Licht vielfarbig leuchten; fast eine Alice-im-Wunderland-Situation.

Es sind alle Medien vertreten; die Fotografie erstaunlich wenig, aber in den Lochkamera-Aufnahmen von Urs Amiet zum Beispiel hochpräzise. Die Malerei und die Zeichnung sind nach wie vor am Beliebtesten, nicht zuletzt weil sie  einer Jury leicht präsentiert werden können. Eingeschrieben haben sich ebenso die immer mehr „verschwindenden“, silbergrauen Bilder der Solothurnerin Annatina Graf (geb. 1965), die  nurmehr sieht, wer sich die Musse nimmt, den richtigen Licht-Standort zu suchen, wie auch die alte Meister zitierenden, sich unerschrocken und machtvoll in Szene setzenden Kompositionen des Berners Boris Billoud (geb. 1968). Bei den Zeichnungen sind uns unter anderem die den Performance-Hintergrund von Kathrin Borer (geb. 1972) verratenden „tapis rouges“ aufgefallen. In der Reihe findet man den roten Läufer sogar unter einer präzise konstruierten Bleistift-Guillotine…Todesurteile wurden schon immer inszeniert.

Integriert in die Weihnachtsausstellung ist das „Freispiel“ im Graphischen Kabinett – Präsentationen von Kunstschaffenden, die dem Kunstverein-Vorstand 2009/10 aufgefallen sind. Es sind dies heuer Esther Ernst, Barbara Wiggli, Kaspar Flück und Verena Baumann. Eine Überraschung bilden die täglich vor dem Spiegel ausführten Selbstporträts der in Paris lebenden Verena Baumann ( geb. 1964). Obwohl als Motiv und Vorgehensweise nicht neu, heischt die Vielfalt der Blicke, der Stile und die Dezidiertheit des Strichs Respekt. Mit Nachdruck setzt sich auch Barbara Wiggli in Szene. Ihre vielfältigen De- und Rekonstruktionen von Dingen des Alltags illustrieren die Charakterisierung der Solothurner Kunst-vereinspräsidentin Roswitha Schild im besten Sinne: „Nichts ist, was es zu sein scheint“.

Info: Bis 2. Januar 2011. Di – Fr 11-17, Sa/So 10 -17 Uhr.

 

Lohnen die Reise

Zu den Künstlern und Künstlerinnen, derentwegen sich ein Besuch lohnt sind neben den im Haupttext erwähnten auch:

Boycottelettes (Siebdrucke), Fritz Breiter (Objekte), Monika Feucht (Stickerei), Sonya Friedrich (Zeichnung), Sabine Hagmann (Video), Otto Lehmann (Zeichnung),  Lina Müller (Wandinstallation), Fraenzi Neuhaus (Fotografie), Christina  Schmid (Stempeldruck), Lex Vögtli (Malerei), Thomas Woodtli (Malerei), Elsie Wyss (Modell für Installation).   (azw)

Bilder: V.O.N.U. :  Installation Ruedi Fluri, Bild von Boris Billaud, Relief von Jürg Hugentobler, Selbstporträt von Verena Baumann. Fotos: azw

 

 

Der grosse Markt gleich nebenan

Parallel zur Jahresausstellung findet in Solothurn bereits zum 11ten Mal der KunstSuperMarkt statt. Wer denkt, hier würden die gut 150 Künstlerinnen und Künstler ausstellen, welche heuer von der Jury nicht angenommen wurden, liegt falsch. Der KunstSuperMarkt ist kein Salon des Refusés. Hier bieten vielmehr Gestalter und –Gestalterinnen aus der Schweiz – sehr oft auch aus Deutschland – dekorative Bilder an, die sie als Kunst bezeichnen. Ein bisschen rot, ein bisschen gelb und wenig schwarz, ein paar grosszügige Gesten und fertig ist das Seelen-Porträt. Und falls es noch ein bisschen Gegenständlichkeit braucht, kein Problem, irgendwo ausschneiden und aufklatschen ist keine Hexerei. Wer Glück hat, findet den tausendsten Aufguss von Paul Klees Gartenbildern in Variation; das ist dann aber schon Qualität, denn immerhin hat er oder sie schon mal in einem Kunstgeschichte-Band geblättert. Dasselbe gilt auch für die letzten Impressionisten.

Aber: Der Gedanke, hier ein Schnäppchen zu machen, selbst Kunst zu entdecken und dies für 99, vielleicht auch 199, 399 oder 599 Franken, ist so verlockend, dass sich – zumindest am letzten Samstagnachmittag –  eine grosse Schar von Menschen geradezu um die Bilder streitet. Wenn dann nur nicht die Ernüchertung folgt, wenn er oder sie feststellt, dass das Rahmen der erworbenen Arbeit teurer ist als das Bild selbst…

Infos: Der KunstSuperMarkt ist neu an der Schöngrünstrasse 2. Bis 7. Jan. Mo-Fr 14-20, Sa/So 11-17 Uhr.  Link: www.kunstsupermarkt.ch