22 Bieler Kunstschaffende bei Steiner in Erlach 2011

Gartenzwerg, zeig mir deinen Pinsel

www.annelisezwez.ch        Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 14. März 2011

22 Kunstschaffende von Biel bis La Neuveville begegnen sich in der Galerie Mayhaus in Erlach. Mit der Ausstellung will Junior-Galerist Ilja Steiner einen Akzent setzen.

Wenn sich in einer Ausstellung ein pausbäckiger Zipfelmützler in Szene setzt, ist Pavel Schmidt nicht weit. Es wäre zynisch „Gartenzwerg, zeig mir deinen Pinsel“ als Kommentar des Künstlers zur neuen Situation in der Galerie Mayhaus in Erlach zu interpretieren, doch latent reizt es, umsomehr als Schmidt vier weitere Werke ausstellt, die er „Ziehen, Stossen, Poussez, Tirez“ nennt. Um eine Galerie neu zu lancieren, braucht es  tatsächlich unerschrockenen Zwergenmut, Stoss- und Zieh-Kraft, auch wenn im Fall des Mayhauses dem 21-jährigen Galeristensohn Ilja Steiner einiges an Know-How in die Wiege gelegt wurde und das Haus eine lange und renommierte Tradition als Kunst-Ort hat.

Vater René Steiner verfolgt seit Jahren ein Projekt, das er „Fil Rouge“ nennt und das aktuell rund 300 Kunstschaffende internationaler, aber auch regionaler Herkunft mit der Galerie vernetzt.  Die aktuelle Ausstellung unter dem Titel „Begegnungen“ ist quasi ein Extrakt davon und hat, wie Ilja Steiner sagt, zum Ziel,  die Galerie künftig stärker mit den besten Künstlern der Region zu verbinden. Das ist sinnvoll, denn da besteht seit Längerem eine Lücke, vor allem was die Verbindung zum Kunstmarkt anbetrifft.

Vater René und Sohn Ilja haben nicht zuletzt deshalb sämtliche 22 nun Beteiligten in ihren Ateliers besucht und mit ihnen die Werke für die aktuelle Ausstellung ausgewählt.

Auch wenn der Überblick unvollständig ist, bildet der Kreis von Luo Mingjun über Gian Pedretti bis René Zäch, von Urs Dickerhof über susanne muller bis Wolfgang Zät doch ein spannendes „Who is Who“ der Region. Die wirklich junge Szene fehlt freilich, mit Ausnahme von Matthias Wyss, Aurélie Jossen und Sophie Hofer.

Die ausgestellten Werke bilden allerdings auch ein Stück Realität ab, das heisst, nicht von allen sind Highlights zu sehen und erstaunlich viele Arbeiten haben Insider zuvor schon hier und dort gesehen. Martin Ziegelmüller zum Beispiel sind seine kommenden Museums-Austellungen in Bern und Langenthal wichtiger, Luo Mingjun hatte gerade eine grosse Schau in Basel und zeigt darum Älteres, M.S. Bastian ist seit seiner Ausstellung bei Silvia Steiner „ausverkauft“ und darum „nur“ mit einem Werk aus der Sammlung der Galerie vertreten usw. Es gibt aber nichtsdestotrotz Überraschendes und Beglückendes: susanne muller konterte den latenten Zwang, Galeriekonformes zu zeigen und präsentiert einen köstlichen Bericht ihrer letztjährigen Reise nach China in Form von hängenden Zeichnungen und „wandernden“ Kamelen. Und von Gian Pedretti ist ein neueres Grossformat auf Leinwand ausgestellt, das den 85jährigen im Vollbesitz seiner malerischen Kräfte zeigt, ja sogar über die Kombination unterschiedlicher Kraft- und Grössenverhältnisse eine ungeahnte Dimension in die schwarz-weisse Berg-Landschaft einbringt.

Staunen löst auch die neue Serie der brennenden Häuser von Jerry Haenggli aus, die in einer Mixed-Media-Technik zwischen Fotografie, Malerei und Collage gestaltet sind, vor allem aber die Spannung zwischen innerer Glut und äusserer Zerstörungsgewalt neu definieren. Eine überzeugende Fortsetzung ihres noch jungen Werkes zeigen auch die neuesten Arbeiten von Aurélie Jossen. Die sechs federleichten, fragilen „Fusssohlen“ aus Dornenranken lösen unweigerlich ein Wechselbad von Assoziationen und Gefühlen aus und auch die rotgefärbten, hölzernen Beine mit den übergrossen Füssen unter dem Titel „assieds-toi un peu“ sind von äusserst ambivalenter Poesie.

Einen willkommenen Akzent setzen die beiden Zeichnungen auf Zeitungspapier von Erica Pedretti von 2009, darunter insbesondere die „Eve gênée“ waren doch in letzter Zeit nur mehr selten neue bildnerische Werke der 81-Jährigen zu sehen. Dass sie am 3. April (15 Uhr) überdies mit einer Lesung auftritt und diese eine Zusammenarbeit mit der „Stedtlibibliothek“ darstellt, ist erfreulich. Es ist aber auch ein Zeichen von Ilja Steiner, der das Mayhaus stärker mit Erlach und Umgebung in Verbindung bringen will. Das wird an der Finissage (12. Juni) die „Interaktion“ der in Tschugg aufgewachsenen Sophie Hofer untermauern.

22 Kunstschaffende aus der Region: Das gibt nicht zuletzt Einblick in das, was die Künstler hier beschäftigt und in welchen Medien sie arbeiten. Es sind die Zeichnung, die Grafik, die  traditionelle respektive experimentelle Fotografie, die Malerei, die Collage, die Installation, die Animation, die Skulptur – somit ein breites Spektrum wie heute üblich. Auch inhaltlich ist das Spektrum weit, reicht von der traditionellen Umsetzung von Landschaftlichem bis zum ironischen Neon-Schrift-Kommentar „Na, noch da?“ von Haus am Gern. Dennoch ist es eine Galerie-Ausstellung und nicht eine aufmüpfige Off-Space-Experimental-Inszenierung, die sich für eine Nomination für den „Swiss Exhibition Award“ aufdrängen würde.

Link: www.galerie-steiner.ch 

 

 

Begegnungen

In der Ausstellung begegnen sich Werke von 22 Kunstschaffenden aus Biel, La Neuveville, Prêles und Vinelz.

Es sind dies:

Martin Ziegelmüller, Jerry Haenggli, Luo Mingjun

Aurélie Jossen, Pat Noser, M.S. Bastian

Urs Dickerhof, Haus am Gern, Ise Schwartz

susanne muller, Erica Pedretti, Heini Stucki

Pavel Schmidt, Sophie Hofer, F&D Cartier

Wolfgang Zät, Liselotte Togni, René Zäch

Fredie Beckmans, Matthias Wyss

Daniela da Maddalena, Gian Pedretti

Dauer: Bis  12. Juni 2011

Offen: Samstag/Sonntag 14 – 19 Uhr

 

 

Bildlegende (bei beiden Bildern nebeneinander):

 

Die „Begegnungen“ in Erlach beinhalten auch ein Aufeinandertreffen der Generationen, hier von Gian Pedretti (geb. 1926) und Aurélie Jossen (geb. 1983). Bilder: azw

 

Wenn beide Bilder einzeln:

Gian Pedretti (geb. 1926) ist mit einer grossen Berglandschaft von 2009 in der Ausstellung „Begegnungen“ in Erlach vertreten. Bilder: azw

 

„Assieds-toi un peu“ ist der Titel der aus der Wand „wachsenden“ Skulptur von Aurélie Jossen (geb. 1983).