Felicity Lunn Centre Pasquart Biel Porträt 8_2011

Die Kunstvermittlung ist mir das Wichtigste


www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 26. August 2011

In wenigen Monaten wird Felicity Lunn (geb. 1963) „Bielerin“. Die Engländerin ist Ende Juli zur neue Direktorin des Kunsthaus Pasquart gewählt worden. Ein Porträt.

Seit 10 Jahren arbeitet Felicity Lunn als Kunstfachfrau in der Schweiz, einige Jahre auch in Freiburg i. Br.. Studien in Germanistik, Romanistik in Cambridge und Kunstgeschichte in Essex haben der Angelsächsin die Basis für eine Art Surfen in der europäischen Kultur gegeben. Gibt es das Englische in ihrem Denken noch?  Sie habe sich sehr stark angepasst, sagt sie, doch mitgebracht aus London habe sie die ihr bis heute massgebende Liebe zur Kunstvermittlung. Das mögen wir vielleicht nicht als „englisch“ erkennen, doch Lunn doppelt nach:  „England habe bezüglich Kunstvermittlung Pionierarbeit geleistet. Die Whitechapel Art Gallery, die sie geprägt habe, sei 1901 gegründet worden, um den Arbeitern und Immigranten im East-End Londons Zugang zu Kunst zu vermitteln. Diesen Geist habe es in erneuerter Form auch in den 1990er-Jahren noch gegeben. Und: „Kunst, die nicht vermittelt wird, lebt nicht“.

Gerade dieser Aspekt hat Felicity Lunn nach zwei für sie „lehrreichen“ Jahren als Kuratorin Schweiz/Europa bei der UBS Art Collection in Zürich bewogen, sich wieder um ein „eigenes“ Haus zu bewerben.  Sie sei als Leiterin des Kunstvereins Freiburg (2005-2008) sehr glücklich gewesen und habe ungern gekündigt, doch als aus finanziellen Gründen zwei Arbeitsstellen auf eine heruntergebrochen worden seien, habe sie das zusammen mit den Verpflichtungen ihrer in Zürich lebenden Kindern gegenüber nicht mehr bewältigen können.

Internationale Kategorien

Inzwischen sind die Söhne älter und in Biel war die Findungskommission der Meinung: „Sie ist die Beste“ (vgl. BT vom  26. Juli). Dass sie nun gerade in Biel tätig sein werde, sei Zu-Fall, aber sie sei schon jetzt fasziniert vom Charakter der Stadt. „Ich mag es, mich auf Neues einzulassen“, ergänzt sie in ihrer viel Offenheit ausdrückenden Art und Weise. Das sei ja auch schon so gewesen, als sie 2001 mit der Familie nach Zürich gekommen sei. Wir wollten einfach mal an einem anderen Ort leben, das sei vielleicht romantisch – möglicherweise sogar naiv – gewesen, doch Wandlungen im Leben zum Trotz bis heute gewinnbringend look at this site. In der kleinräumigen Schweiz, wo in der Kunstszene jeder jede kennt, sei es  einfach ein Netzwerk aufzubauen. Zugleich spürt man aber, dass Lunn in internationalen Zusammenhängen denkt. Dass Kunstinstitutionen in verschiedenen Landesteilen respektive Ländern zusammenarbeiten, sei für  sie eine bereits vielfach erprobte Selbstver-ständlichkeit und auch eine klare Zielsetzung für ihre Arbeit am Kunsthaus Pasquart, sagt sie. Dessen Programm wird dadurch zweifellos eine gewisse Internationalisierung erfahren. „Lokales, Nationales und Internationales“ müsse sich verschränken, war ihre Credo in den Gesprächen mit der Stiftung Centre Pasquart.

Felicity Lunn lebt in und mit der zeitgenössischen Kunst. Vom Studium her war das eigentlich noch nicht vorgegeben. Ihre Dissertation hat sie zum „Blauen Reiter“ geschrieben und in bleibender Erinnerung ist ihr die Emil Nolde-Retrospektive, die sie an der Whitechapel Gallery realisieren durfte. Doch das Erlebnisreichste sei halt schon die direkte Zusammenarbeit mit den Kunstschaffenden und denkt dabei unter vielem anderem an die erste grosse Ausstellung, die sie 1998 für den heute weltweit bekannten „realistischen“ Maler Peter Doig in London einrichten konnte.

Noch viele Unbekannte

Ob sie denn trotz Vorfreude auf Biel nicht etwas Angst habe vor der beengenden finanziellen Situation, die sie im Pasquart vorfinden werde, fragen wir. Das „Nein“ kommt nicht unbedacht; sie weiss, dass es von Hoffnung genährt ist, noch viele Unbekannte enthält und dass „Fundraising“ nur allzusehr  zu ihrer Arbeit gehören wird. „Aber“, so Lunn, „ich bin überzeugt, dass man mit neuen Ideen neue Geldgeber gewinnen kann“.

In die Programm-Karten lässt sie sich begreiflicherweise noch nicht schauen; erst in diesen Tagen finden die ersten Sitzungen statt. Da wird sie überhaupt erst erfahren, ob für 2012 bereits ein Programm vorgesehen ist…. Erstmals klingt im Gespräch so etwas wie Sorge an, doch schnell hellt sich das Gesicht wieder auf: „Sicher werde ich mittelfristig die Tradition der thematischen Ausstellungen weiterführen“ und verrät, dass in ihrem Kopf eine Ausstellung „herumgeistere“, die Kunstschaffende zeigt, die auf andere Künstler grossen Einfluss hatten, wie zum Beispiel Markus Rätz. Indirekt lässt sich da erkennen, dass ihr konzeptuelle Ansätze wichtig sind.  Gleichsam als Kontrapunkt  sagt sie aber ebenso: „Bestimmt wird sich im Programm auch meine Liebe zur Malerei spiegeln.“ Die Zukunft wird es zeigen; Vorfreude ist angesagt.