www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 15. April 2011dekor-okno

Sechs Monate weilte das Performance-Duo Zacek/Köppl in Kairo. Und realisierte dort das Video „The Gated Community“, das nun im Rohzustand im Espace libre zu sehen ist.

„Eigentlich sei nicht vorgesehen gewesen, dass das Video, das er mit seinem Performance-Partner in Kairo realisieren wollte, etwas mit Ägypten zu tun habe, sagt Peter Zacek. Doch dann hätten sich die Hunde eingemischt, die Skyline sei aufgetaucht, die Geräusche der Stadt. Und jetzt sei angesichts des politischen Umbruchs sowieso alles symbolisch.

Seit 14 Jahren treten der Bieler Peter Zacek (geb. 1962 in Wien) und der Zürcher Jörg Köppl (geb. 1964 in Baden/AG) als Performance-Duo in Erscheinung. Dabei hat ihre Arbeit zwei Stränge: Einen ausgesprochen körpertonten und einen gesellschaftsbezogenen, Menschen vor Ort direkt ansprechenden. Man erinnere sich der Qual der Wahl als es zu Beginn des 2. Irakkrieges in einer Installation von Köppl/Zacek im Pasquart zwischen Coca-Cola und Tee aus dem Samowar zu wählen galt.

Das in Kairo realisierte Projekt gehört zur Gattung der Körper-Arbeiten. Erstmals zeigt ein Video indes nicht die Dokumentation eines Live-Auftritts, sondern ist eine auf das Medium Video ausgerichtete Performance. Die Basis bildet die sowohl im Innen- wie im Aussenraum angewandte Kamera-Installation. Diese ist so angelegt, dass das Aufnahmegerät stets von einem Fixpunkt aus rotiert und so das Bewegungsfeld der Performer eingrenzt. Darüber hinaus arbeiteten die beiden Künstler intensiv mit Überlagerungen, sodass sie sich im Film zu begegnen scheinen und doch nur in die Luft greifen.

Im Espace libre zeigt das Duo einen Querschnitt durch die aufgenommenen Szenen; auf nicht weniger als sechs Flachbildschirmen. Mit der wilden Anordnung der Monitore, improvisierten Lichtquellen, Holzkonstruktionen, Spiegelfragmenten und einer Art Schnittpult wird der Zustand zwischen Produktion und fertigem Video visualisiert. Mehr als eine Illustration ist die Installation nicht, sie verdeutlicht aber den langen Weg vom Konzept über die Filmaufnahmen bis zur Schnittarbeit. Das fertige Video hat am 8. Mai in der Galerie Hubert Bächler in Zürich Première und wird in Biel zur Finissage am 29. Mai gezeigt.

In den einzelnen, durch monochrome Zwischenhalte getrennten Sequenzen, sind die beiden Protagonisten zu sehen wie sie mit einer Leiter hantieren, sich mit ihren Händen befassen, Grimassen schneiden, Schnüre auslegen, sich stehend und liegend drehen und wenden. Aber eigentlich ist das alles nicht so klar, denn durch die semitransparenten Überlagerungen wird dem Film jegliche Eindeutigkeit genommen, die Künstler sind doppelt, drei- und vierfach da, kommunizieren und tun es gleichzeitig doch nicht, respektive nur virtuell. Man kann als Betrachterin nur ahnen, welche Präzisionsarbeit dahinter steckt. Am bildlich Fassbarsten ist die Horizontlinie, die, der Kamera-Installation entsprechend, ständig kreist, mal Bäume, mal die Skyline Kairos zeigt. Lebendig wirken auch die Esel, die da gerade weiden und die Hunde, die dem Treiben wedelnd zuschauen. Die Geräusche sind ab und zu identifizierbar: Ein Flugzeug, Hundegebell, Rufe eines Muezzins.

Der Titel der Arbeit heisst „The Gated Community“. Damit sind in Ägypten und andernorts Wohn-Siedlungen gemeint, die aus Sicherheitsgründen von einer Mauer umgeben sind. Hier ist der von der Kamera begrenzte Handlungsspielraum gemeint, real und natürlich auch in einem inhaltlich-übertragenen Sinn. Dass es hierbei um die Spannung zwischen realer und virtueller Ebene, um aussen und innen, letztlich um Wahrheit und Lüge geht, macht die Bild-Oberfläche, die sich ständig dreht und alles in Schwebe hält, in faszinierender Weise deutlich.

Gespannt wartet man nun auf die Bündelung des Film-Materials zum kompakten Video.

Info: Mittwoch, 20. April und 18. Mai je 19 Uhr, Live-Performance-Abende mit Köppl/Zacek. Der erste zeigt ältere Konzepte, der zweite eine neue Performance.

 

 

Seit einem Jahr wird der Espace Libre der „visarte“ Biel vom Künstler, Musiker und Kulturanimator Monsignore Dies kuratiert. Er hat in dieser Zeit spannende Ausstellungen gezeigt. Besonders erwähnt sei „Frühlingssterben“ von Pavel Schmidt mit sieben Strassenbau-„Stampfern“ und sieben Klo-Schüsseln. Dies benannte den Espace in „Aufbahrungsraum“ um; zum einen weil daselbst (oder in der Nähe) zu Pasquart-Spitalzeiten Verstorbene aufgebahrt waren, vor allem aber auch, weil sich Dies der Punk-Szene nahe fühlt und gerne etwas provoziert. Die Farbe schwarz gehört ebenso dazu wie die Zensurbalken auf den Einladungskarten. So weit so gut, umsomehr als die künstlerische Qualität stimmt. Hoch anzurechnen ist Dies auch, dass er den zuvor oft harzigen Dialog mit dem Museum zu aktivieren vermochte und viele Zusatz-Veranstaltungen – vor allem kulinarische und musikalische – lancierte. Publikumsmässige Misserfolge steckte er (fast) kommentarlos weg und freute sich auf die nächste Aktion. Das ist Engagement.

Dennoch fragt man sich, ob es sinnvoll ist den Frei-Raum einer Künstlergesellschaft über mehrere Jahre gleich auszurichten, ob es nicht auch ein Publikum gibt, das die Totenköpfe langsam satt hat, vielleicht auch mal wieder einer Künstlerin (solche traten bei Dies bisher nicht auf) oder ganz allgemein einer anderen „Sprache“ begegnen möchte. Man wird den Verdacht nicht ganz los, für die „visarte“ Biel sei die Fortführung des Konzeptes ganz einfach die praktischste Lösung. Spätestens in einem Jahr sollten indes die Weichen neu gestellt werden.

 

Alles beginnt am 25. Dezember 1996. Peter Zacek und Jörg Köppl – der eine in Porrentruy, der andere in La Chaux-de-Fonds wohnhaft – zeigen im „Message salon“ von Esther Eppstein in Zürich „bemannte drehung“.

Auf einer drehbaren Plattform ist ein Büro eingerichtet.  X trägt Engelsflügel und eine Prismabrille, Y einen Sturzhelm. Y schreibt auf der Schreibmaschine einen Reisebericht. Kontinuierliche Veränderungen an der Konstruktion bringen die Situation in eine absturzgefährdete Balance.

Ein Vergleich mit „The Gated Community“ zeigt zugleich Erweiterung, Entwicklung und Veränderung im Performance-Oeuvre von Köpp/Zacek aber auch eine Art „roten Faden“.  

 

Bildlegende:

Peter Zacek und Jörg Köppl präsentieren das Rohmaterial des Films  „The Gated Community“ im Espace libre als Installation (Ausschnitte). Bilder: azw