www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 21. April 2011sports74.ru

Der „Joli mois de mai“ wird 10 Jahre alt. Gefeiert wird mit mehr als 80 Kunstschaffenden, Performerinnen, Musikern und anderen Aktionisten. Vom 27. April bis 29. Mai 2011 in der Alten Krone in Biel.

Wer erinnert sich noch an 2002? – Damals hatte man in Biel Angst, die Expo.02 würde der Stadt die Identität rauben und lancierte ein Kulturprogramm unter dem Titel „2002émotions“. Da die Bieler aber ihre Arteplage liebten und darum vorzugsweise am See verweilten, war die Aktion eher ein Flop. Wäre da, aus heutiger Sicht, nicht der „Joli mois de mai“. Denn aus der 2002émotions-Idee einer „Plattform für Bieler Künstler und Künstlerinnen“ in der Alten Krone entstand der „Jolimai“, der seither alljährlich eine Vielzahl von Kunstschaffenden zu Ein-Abend-Events in Form von Ausstellungen, Performances, Projektionen, Aktionen, Musik-Einlagen und vieles mehr animierte. Stets war und ist die Krone dabei auch ein Bistro, das zum Verweilen einlädt.

Veranstalterin des „Jolimai“ ist seit Anbeginn die Künstlergesellschaft „visarte“, Sektion Biel. Lange Zeit waren denn auch ausschliesslich die Mitglieder der Vereinigung zum Mai-Anlass eingeladen. Was darum vom Publikum kaum bemerkt wurde, weil in Biel – im Gegensatz zur übrigen Schweiz – die meisten Kunstschaffenden Mitglieder sind (aktuell nahezu 100). Seit einiger Zeit weicht die visarte die mögliche Enge zusätzlich auf; letztes Jahr indem die Bieler je einen Partner, eine Partnerin aus den Kantonen Neuenburg, Freiburg und Solothurn zum „Duett“ einluden. Und heuer ist alles offen, Hauptsache jeder Abend ist ein Team-Work, ein Auftritt zu dritt, zu viert, zu fünft…. und realisiert alles, nur keine stereotypen Ausstellungen mit Bildern, Nagel an Nagel. Für die  längst stadtbekannte Kulinarik sorgen dabei weiterhin Ueli&Susan Engel.

Aus heutiger Sicht gleichsam der „Vater“ des Jolimai, ist Robert Schüll, denn seit 2002 fotografiert er an jedem Vernissageabend – will heissen jeweils von Mittwoch bis Sonntag – und fügt eine Auswahl zu einer fiktiven  „Buch-Seite“, die schon am Tag danach den Vorabend in Erinnerung hält. Inzwischen umfasst Robert Schülls Dokumentation an die 220 Seiten! Schüll war und ist indes nicht nur als „Hoffotograf“ der beste Kenner des „Jolimai“, auch als Zeichner stand er mehrfach im Blickfeld und seit er Präsident der „visarte“, Sektion Biel ist, zeichnet er quasi als Veranstalter.

Die Geschichte des „Joli mois de mai“ ist eine Erfolgsgeschichte. „Blieb ich beim ersten ‚Jolimai’ manchmal zum Nachtessen in der Alten Krone, damit der Künstler nicht allein ist, darf ich heute sicher sein, dass jede Vernissage ein Stelldichein von Vielen sein wird“, sagte Schüll vor einem Jahr. Letzteres wird auch heuer so sein, denn noch nie beteiligten sich so viele und die Vorankündigungen klingen vielsprechend: „Das Doppelte Lottchen“, „Chaos@Chronos“, „Vive la Difference“ bis hin zu „Zeit-Sprung“, „Unversehen Solo“ und „Copie conforme“.

Trotz Erfolg: Der„Jolimai“ ist keine Veranstaltung mit überregionaler Bedeutung und hat das auch nicht im Sinn: Er ist vielmehr ein Stelldichein der Bieler Kunstszene, die sich damit sowohl in der Stadt zeigt, wie internen Austausch pflegt. „Es geht auch darum, dass wir uns untereinander kennen und wissen, wo die anderen künstlerisch stehen“, sagt einer der Teilnehmer. Dass dies Jahr für Jahr funktioniert, ist nicht selbstverständlich; wenige Städte in der Schweiz haben eine Kunstszene, die sich als Gemeinschaft versteht. Vielleicht ist es nicht vermessen zu behaupten, dies sei Ausdruck des vielbeschworenen „Esprit biennois“.

Die Qualität der einzelnen Veranstaltungen ist höchst unterschiedlich; es gibt ja auch keine Jury. Im BT stand auch schon mal: „Wo sind denn heuer die Highlights?“  Und schrieb klar und deutlich, „so nicht“, als ein Künstler seinen Platz einer Hobby-Illustratorin zur Verfügung stellte, weil die Qualität des „Jolimai“ eh nicht höher sei. Das gab Zoff. Doch gesamt gesehen stacheln sich die Kunstschaffenden seit Jahren gegenseitig an und gestalten ihren Abend als eigentliches Event, zeigen, was sonst nicht zu sehen ist, experimentieren im Duett oder laden die Besuchenden zur Interaktion ein. Erinnern Sie sich an „Asupi“? Als Antwort auf die Fussball-Bilder-Sammel-Manie veranstaltete Daniela da Maddalena eine Bilder-Tausch-Börse, die zum Erstaunen vieler zum Jolimai-Hit im Europameister-Jahr 2009 wurde.

Bleibend in die Erinnerung eingeschrieben haben sich weniger Ausstellungen im engeren Sinn als vielmehr die Performances – etwa Laurent Guenats akrobatische Wortspielerei rund um die Begriffe „transitif/intransitif“, Carla Etters und Patricia Laurelins „Streit“ um Gestricktes („Les Tricoteuses“), Danièle Holder-Bianchetti und Pia Marias Zeichnungsperformance und vieles mehr. Gespannt wartet man nun auf die Jubiläumsausgabe des kleinen Bieler Kunst-Festivals.

Rosinen aus dem Angebot

27. April: Umfrage zu „Was ist Kunst“ von und mit Benedikt Loderer.

6. Mai:  Auftritt von Ruedi Schwyn, Jean-Denis Zaech, Romain Cerlier

11. Mai: Trio mit Susan Mézquita, Maria Ritter, Jérôme Lanon

18. Mai: Quartett mit Philippe Hinderling, René Zäch, Arno Hassler und Momo/Sirup/Nick (Improvisationen)

21. Mai: „Benachbart“ mit sillypet, Marion Leyh&U.P. Schneider

29. Mai: Maskenball mit Madeleine Jaccard, Les Plumineuses und Milica Slacanin

Ingesamt: 25 Events mit mehr als 80 Kulturschaffenden

 

Bildlegende:

 

Der Erfolg des Jolimai kam erst mit der Zeit; Pat Noser ziemlich allein in ihrer Ausstellung von 2002 (Bild: Robert Schüll).