Pius Knüsel und Urs Lüthi im Gespräch_Biel 2011

Sinn und Unsinn von Kunstsammlungen

 www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 24. Februar 2011


Zwei Prominente diskutierten im Centre Pasquart über Sinn und Unsinn von Kunstsammlungen. Ja, es brauche den Elfenbeinturm, sagte Urs Lüthi. Alles sammeln zu wollen sei eine Überforderung, konterte Pius Knüsel.

Es ist klar, warum die Stiftung Kunsthaus-Sammlung Centre Pasquart gerade heuer das Thema „Braucht ein Museum eine Sammlung“ zum Inhalt des jährlichen und stets öffentlichen „Gönner“-Abends machte. Zum einen wurde die über 1000 Nummern aufweisende Sammlung 2010 dank dem Legat Bruno Meier aufgearbeitet und harrt nun einer verstärkten Bewirtschaftung im Museumskontext. Zum andern beschloss die Ankaufskommission 2009 einen Marschhalt, um ein neues Sammlungskonzept auszuarbeiten, das indes noch nicht Gestalt angenommen hat.

So hoffte Heidi Schwab, seit 2005 Präsidentin der Stiftung, zweifellos auf Tipps vom Podiumsgespräch mit Pius Knüsel, Direktor der Pro Helvetia, und Urs Lüthi, einer der grossen Internationalen der Schweizer Kunstszene und Professor an der Hochschule in Kassel. Moderator Ruedi Helfer meinte zu Beginn, man könnte das Gespräch theoretisch kurz halten und nach einem vereinten „Ja, es braucht eine Sammlung“ gleich ins Bistro wechseln. Doch „Ja ist Ja ist nicht ja“, zeigte sich in der Folge alsobald.

Urs Lüthi – selbst mit seinen Werken an so prominenten Orten wie dem Centre Pompidou vertreten – votierte mit Nachdruck für hauseigene Museumssammlungen, seien sie von Weltbedeutung oder in einem Provinzmuseum verankert. Die Kunst brauche Schutz vor Kommerzialisierung, vor Modeerscheinungen – es müsse möglich sein, sie zu bewahren, um sie in immer wieder wechselnden Konstellationen neu betrachten zu können.

Pius Knüsel votierte nicht grundsätzlich gegen Sammlungen, meinte aber, dass es schon so viele gebe, dass noch mehr sammeln einer totaler Überforderung – vor allem auch seitens des Staates – gleichkomme. Er schlug darum als Idee vor, eine Sammlung auf 1000 Werke zu beschränken und jeden Neueingang mit einem Abgang zu quittieren. Die Nachwelt wäre dafür sicher dankbar. „Oh, nein“, erwiderte Urs Lüthi, das dürfe nicht sein, denn wir würden viel zu sehr der Mode nachhängen und mit einem solchen Prinzip spätere Wiederentdeckungen verunmöglichen.

Nicht so erstaunlich, wie aufs erste Hören hin scheinbar, erwies sich Urs Lüthis Votum, dass jeder Sammlungsverantwortliche zu überlegen habe, wo sein Haus stehe und wie er das Spezifische einer Region mit integrieren könne. Viele Sammlungsdirektoren schielen heute einseitig auf „globale“ Bedeutung lehnen eine solche Haltung ab. Es gilt hier zu bedenken, dass Urs Lüthi ursprünglich Luzerner ist und die Zeit um 1970 als Jean Christophe Ammann daselbst die „Innerschweizer Innerlichkeit“ erkannte, selbst miterlebt hat. Entsprechend hob er denn auch die Sammeltätigkeit Ammans am Museum in Frankfurt (ca. 1980-2000) als herausragendes Beispiel eines profilierten, nicht nach der Hitparade „Iglu (Merz) – Steinkreis (Long) – Suppendose (Warhol)“  tanzenden Konzeptes hervor. Selbstverständlich ist Lüthi da auch vertreten!

Nicht so ganz einer Meinung waren die beiden Gesprächs-Kontrahenten bezüglich der Verantwortlichkeit von Sammlungen. Lüthi plädierte ohne wenn und aber für eine Einzelperson; nur so könne eine Sammlung ein  unabhängiges, persönliches Profil entwickeln.

Pius Knüsel, der von Amtes wegen von einer Kommissions-Sitzung zur anderen rennt, zweifelte aufgrund seiner Erfahrung im Umgang mit Partikular-Interessen an der Umsetzbarkeit dieses Wunsches. „Was, wenn dieser Einzelne den Künstler X oder Y partout nicht ankaufen will…, fragte er.

„Ach“, so Lüthi, „es kommt ja alle paar Jahre wieder ein neuer“. Ihm sei lieber, wenn einer mal sage, der Lüthi, der sei nun wirklich schlecht und nicht kaufe, denn so sei die Chance beim nächsten umso grösser“. Am Rand sei bemerkt, dass es in der Vita Lüthi durchaus Auf und Ab in der Gunst der Fachwelt gab, etwa Mitte der 1980er-Jahre als er mit seinen „schmachtenden“ Sehnsuchts-Landschaften vielerorten das Wort „Kitsch“ erntete.

Eine brisante Frage stellte der Moderator gegen Schluss der Veranstaltung in den Raum: Was heisst der Abend zur Sammlung in Bezug auf die Wahl einer neuen Direktion für das Pasquart? –  Ein „Sammlungstest“ wäre sicher keine schlechte Idee im Bewerbungsverfahren, waren sich Podium und Publikum einig.