Ursula Hirsch Zürich Allg Künstlerlexikon 2010

Verlag K.G. Saur Leipzig

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez für  Allgemeines Künstlerlexikon Verlag K.G. Saur, Leipzig. Dezember 2010. Originaltext ungekürzt. Redaktorin: Renate Treydl.

 

Ursula Hirsch (geb. Hirschi), Schweizer Plastikerin, Installationskünstlerin, Wandmalerin, Kuratorin. 16. 08. 1952 in Zürich

Prägend für die Kindheit von UH in Zürich ist gutes Handwerk und biologischer Gartenbau. Vater Rudolf Hirschi ist Schmiedmeister bei den Schweiz. Bundesbahnen, Mutter Johanna betreut die vier Kinder und den Schrebergarten. Nachhaltig ist das Erbe der im Emmental lebenden Grossmutter Rosa Leibundgut, die als Kind mehrfach von Cuno Amiet porträtiert wird, Geschichten und Gedichte schreibt, den Garten zum Blühen bringt und in der Fabrik die Zelte des Zirkus Knie näht. Ihre Verbindung von Kreativität, Handwerk und philosophischer Weisheit wird für UH zum Leitbild. 1968/69 absolviert UH den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Zürich. Als ihr die Ausbildung zur Künstlerin verwehrt wird, bricht sie aus. Sie jobbt als Dekorateurin und Stoffdessinmalerin, besucht Kurse in Gestaltung und deutscher Sprache, schreibt Geschichten. 1976-82 führt UH Secondhand-Geschäfte und baut den Kleiderladen der Caritas auf. 1980 lernt sie ihren Lebensgefährten, den Architekten Heinz Baumann kennen.

Mit einem Stipendium reist sie 1982  zum Kunststudium nach Enschede/Holland. Nach Einstieg in Lampen-Design Wechsel an die Kunstabteilung. Förderung durch den Plastiker/Radierer/Lehrer Peeter Zoltin. Beschäftigt sich fotografisch und dreidimensional mit Licht und Schatten, ein Thema das bis heute immer wiederkehrt. Schon die ersten Stahlplastiken verbinden Konstruktives mit Figürlichem und Naturhaftem ( „De Fontain“, „Schadouw-Licht-Mens“). Die Fotografien evozieren immaterielle Lichträume. Diplom: 1985. Zurück in Zürich Abgrenzung von den „Zürcher Konkreten“, Betonung des Naturhaften und des menschlichen Masses.  Für die lyrisch-konstruktive   „Brunnenfigur“ (1986) erhält sie ein Eidgenössisches Stipendium. Die mehrteilige Stahl-Arbeit wird vom Kanton Zürich angekauft und im Areal der Kantonsschule Freudenberg platziert. 1987 Geburt von Sohn Linus und Beitritt zur „Visarte“. Die „rote Installation“, eine Abfolge geometrisierter Körperfiguren in Haltungen von kauern bis strecken, wird 1988/89 in St. Gallen, Zürich, Luzern und Enschede gezeigt. Gewinnt Kunst und Bau-Wettbewerb und wird zu „Eisen 89“ in Dietikon eingeladen, wo sie auf der Limmat den schwimmenden Luftkubus „Narziss“ zeigt. 

Das Leben mit einem Kleinkind bringt neue Denkfelder in UH’s Arbeiten, insbesondere Stadt und Land, Natur und Architektur. Für die Skulpturenausstellung in Môtiers schafft sie 1989 „Bachvereinigung“, eine ins Gelände eingelassene Stahlkonstrukt

ion, die Bergbach und Autobahn aufeinander treffen lässt (K).  Ab 1990 kommt Holz als Material hinzu, als erstes in „Klärung der Fahrt“ – eine Licht/Schatten-Skulptur am Beispiel des Gotthard-Tunnels, ergänzt durch Fotografie (1991). 1993 entsteht für die Triennale von Bex „le pain urbain“ – ein mit roten Stäben umgrenztes, quadratisches Weizenfeld (K). Zur Integration von Gesätem und Gepflanztem kommt 1994 der gesamte Farbfächer hinzu. Es entsteht im Bildungszentrum Zürichsee in Stäfa die erste Wandmalerei; 17 Farbakkorde von je 2 bis 16 m2 Fläche. Wird Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Zürcher Bildhauer (AZB).

Aus der Kombination der bisherigen Entwicklung entsteht gleichzeitig die von ihren Körpermassen ausgehende leuchtend gelbe, formal reduzierte Figur-Haus-Skulptur „Maturité“ aus Fichtenholzplatten. Sie ist Ausgangspunkt für die „archiplastischen“ Sitz-Skulpturen der Folgejahre, die Architektur, Figur und „sinnliche-platonische“ (UH) Kommunikation verbinden. Ab 1996/97 nennt sie sich konsequent Ursula Hirsch. 1997/98 absolviert sie ein Nachdiplomstudium in „Kunst und Bau“ bei Prof. Jenny an der ETH Zürich. Aus der Beschäftigung mit Figur, Leben und Architektur entsteht 1999 die 12 Lebensalter symbolisierende Stuhl-Reihe „Analogie eines Lebens von 84 Jahren“, die auch als Basis für eine performative Serie von Fotos dient und die Auseinandersetzung mit dem kommenden Tod der Eltern (2005/06) spiegelt. Erste bibliographische Bild-Text-Edition mit dem Schweizer Schriftsteller Gerold Späth (auch 2011). Um 2000 drängen sich neue farbtragende Materialien ins Werk. Es entstehen „Kostüme“, aber auch „gewobene“ Bildtafeln mit Lichtreflex-, Isolations- und anderen Bändern aus der Baubranche. Die „Sitz-Skulpturen“ werden zu eigentlichen, oft mehrstöckigen Haus-Modellen und münden 2008 in eine nunmehr linear „gezeichnete“, Lufträume umschreibende „HausinHaus“-Konstruktion, die 2011 in Winterthur in eine Installation mit Apfelbaum mündet.

2004/05 Weiterbildung in Frescotechnik am Centro Europeo in Venedig. Umsetzung in Kunst und Bau-Projekten, u.a. 2005 Seniorenzentrum Zug-Oberwil (13 Wandmalereien in 10 Räumen über 9 Geschosse). 2007 erfolgt ein Wiederaufgreifen des Pflanzlichen (Kräuter), des Erzählerischen (Schrift/Fotografie), der Körpermasse und neu auch von Biographischem. Es entstehen der Grossmutter gewidmete Bild-Text-Arbeiten und als Hommage an den Vater ein trichterförmiges, raumgreifendes, handgeschmiedetes „Karussell“ (2009) mit getrockneten Heil- und Un-Kräutern. 2009/10 wirkt UH als Kuratorin des Ausstellungskubus der AZB in Schlieren bei Zürich, zeigt daselbst  installative Duo-Arbeiten von untereinander befreundeten Schweizer Kunstschaffenden (K). 2011 Artist in Residence in der Kartause Ittingen (TG).

 

 

Werke der Künstlerin mit Standortnamen:

RAPPERSWIL Zeughaus, Sammlung Dr. Peter Bossard. STEINEN Alters- und Pflegeheim, Wandmalerei über 3 Stockwerke (2000). UNTERIBERG Alters- und Pflegeheim, Farbfelder über 3 Stockwerke (2004 und 2010). WETTINGEN Kulturweg/Kloster, Raumarbeit, 2 Wände, 2×3 (rote) Sockel (1991, K). WETZIKON  Kantonsschule, „Mandala“, verschiedene Metalle, farbiges Neon (1987). ZOLLIKERBERG UBS Zeit-Installation über 2 Etagen, Metall, Neon, Holz, Beton, Plexi (1989-2007). ZÜRICH Sammlung des Kantons. ZÜRICH-HÖNGG Primarschule, „Säen und Ernten“, Installation im Aussenraum, Metall, farbig, vielteilig (1996/2011). 

 

 

 

Ausstellungen

E: 1984 Zürich„Schautreppe“; 1989/1991 Galerie Nada Relic; 1995 Kunstautomat (Lichtinstallation); 1999 Galerie Wengihof; 2005 Metropol. 1985/89 Entschede (NL) Kunstsaal Markt 17.  1987/88 St. Gallen Galerie Bea Mitschjeta. 1992/2010 Brugg Städtische Galerie. 1992 WilKunsthalle. 1993 Bern Galerie Susanne Kulli. 2000 SchaffhausenKunsthalle Vebikus. 2001 AarauKunstraum. 2007 Adliswil Kulturraum (Edition). 2008 Zürich-SchlierenKunstkammer (K). G: 1986 KasselOrangerie „Licht-Mensch-Schatten“, auch Kunsthalle Zürich 1987 und Seedamm-Kulturzentrum Pfäffikon 1988 (K). 1990 Bad Ragaz Inst. „Elmerrot“ (K). 1992 Zürich Helmhaus „Stipendien der Stadt Zürich“; 2003/2006/2008 Uto Seebad „MoewenpickY@kunstY.ch“, „between city and forest “, „Volzart“ (K); 2007 Toni Halle, Kunstszene Zürich, „HausgrünHaus“; 2010 Helmhaus „AZB for ever“ (K); „Kunstetage“ (Visarte). 1996 Bex  Inst. „Tiefschlaf“ (K).  1998 Zürich-SchlierenS.i.S. Inst. „Night train“, mit AZB; dito 2010 „Swastika“ (Sitzskulptur). 2000 Benken Inst. „Couchette Cabriolet“ (K); 2007 Gemeindehaus „Madonna“ (K). 2008 Altendorf (SZ) „Kunst im Altbau“, Farblicht-Installation (K). 2010 Schaffhausen „25 Jahre Vebikus“.

 

Bibliographie:

– 1987: Roland Mattes in St.Galler Tagblatt, 10. 4.; auch 1992 – 1989: Conradin Wolf in Züri-Tipp (Tages-Anzeiger), 6. 1. ­- Daniel Benz in Limmattaler Tagblatt, 17. 4..1991: Volker Schunck in NIKE Nr. 38. – Hans Renggli in Züri-Tipp 5. 4.. 1992: Sabine Weder-Arlitt in Das Kunst – Bulletin Nr 10 –  Frank Nievergelt im Kat. „Notenblätter“, Kunsthalle Wil (SG). – 1993: Annelise Zwez in ARTIS, Dez./Jan. – Michael Kretlow in Berner Zeitung, 1. 12. 1995: Fritz Billeter in Tages-Anzeiger 4. 2.  -Martin Kraft in Zürichsee-Zeitung 6. 1. 1996: Martin Albers in Hochparterre Juni. 2000: Publikation „Analogie zu einem Leben von 84 Jahren“ 16 Karten und Heft A6 in Mappe, mit Texten (Eigenverlag).  – Annelise Zwez in Das Kunst – Bulletin Nr 6. 2001: Marlene Halter in Live, Aargauer Tagblatt, 31. 5. – Susanne Neubauer in Aargauer Zeitung 5. 6. – 2002: Martin Kraft in Züri-Tipp (Tages-Anzeiger), 28. 6. – Elisabeth Vetter und Ursula Hirsch in Applica 26. 4.- 2005: Gabi Rosenberg in Thalwiler Anzeiger 2. 4. – 2007: Sarah Ebling in Aargauer Zeitung, 24. 3. – 2009: Annelise Zwez in Das Kunst-Bulletin/November. – 2010: Hermann Heussi in Einsiedler Anzeiger, 22. 10. – Helene Arnet in Tages-Anzeiger 2. 12. – Jürg Altherr, Dagmar Reichert, Ursula Hirsch in Katalog PLASTISCH> 09/10. –

 

www.ursulahirsch.ch

 

 

Lexika: Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst (1998).                                                                                                                               Annelise Zwez