Helmut Federle im Kunsthaus Bregenz 2000

Malerei zwischen Oeffnung und Verweigerung

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 31. Dezember 1999


Der Stellenwert von Helmut Federle (geb. 1944 in Solothurn) ist hierzulande umstritten. Glauben oder nicht glauben, ist die Frage. Im Kunsthaus Bregenz zeigt der Künstler wenige Werke als raumfüllende One-man-show.

Das 1997 eröffnete Kunsthaus Bregenz des Schweizers Peter Zumthor ist durch die Kombination von reicher (Tages)-Lichtführung und reduzierter Architektur einmalig. Glas, Beton und Stein dominieren als Materialien. Das je nach Tageszeit und Wetterlage einfallende Licht scheint die einzige Wärmequelle zu sein. Das Programm des im Dreiländereck Schweiz/Oesterreich/ Deutschland situierten Museums wechselt zwischen Ausstellungen, welche den Dialog mit der spezifischen Raumqualität suchen (James Turell, Per Kirkeby, Wolfgang Laib) und Kontraststrategien (Lifestyle zwischen Kunst und Mode zum Beispiel). Die Ausstellung des in Wien lebenden Schweizers Helmut Federle gehört in die erste Kategorie.

Wer aufgrund der Präsentation des Künstlers im Schweizer Pavillon der Biennale Venedig 1997 eine eindringliche Potenzierung von geometrischer Malerei und kubusbetonter Architektur erhoffte, sieht sich vor Ort enttäuscht. Und zugleich auf das zurückgeworfen, was die zwischen Geometrie und Pinselgestus balancierende Malerei Federles mehr und mehr ausmacht: Die Verweigerung der Verführung.

Der Künstler stellt neben dem 14teiligen „Black Series X“-Zyklus auf Karton im ganzen Haus nicht mehr als 10 Werke aus, kleinere und grossformatige. Wer keine Lust hat, „Arbeit“ zu leisten, sich auf die grauen respektive „federlegrünen“, schwarzen, vereinzelt auch goldenen Rechtecke und Winkelbahnen einzulassen, hat die Ausstellung in kurzer Zeit gesehen – oder eben auch nicht.

Als Ergänzung zeigt Federle in mehreren Vitrinen ornamentbetonte Objekte aus seiner Sammlung an Kult-Gefässen und -Schalen aus verschiedenen Kulturen: der Song/Yuan Dynastie zum Beispiel (12. – 14. Jh. n. Chr.), der Mayas (5. – 9. Jh. n. Chr.) aber auch eine Keramik aus dem Goetheanum Dornach. Dabei gehe es ihm, so der Künstler, nicht um mögliche Formverwandtschaften, sondern um die Bewusstseins-Haltung beim Gebrauch der Objekte, die er sich analog für den Umgang mit seinen Werken wünscht.

Und da stellt sich die Gretchenfrage: Ist man bereit, sich zu öffnen, sich mit den eigenen (verletzlichen) Empfindungen in die hellen und dunklen Zonen der Malerei zu begeben oder bleibt die Angst manipuliert zu werden im Vordergrund. Glaubt man den (Leidens-)Weg, den der einstige Freund Martin Dislers gegangen ist. Einen Weg von expressiver Malerei in den 70er Jahren (eine Zeit, da „man“ nicht malte) hin zu einer immer stärkeren Reduktion. Ein Abstraktionsprozess, der sich am eigenen Ich vollzog, zum Beispiel indem er seine Initialen H und F zu geometrischen Leitformen machte. Bis er sich schliesslich auch davon löste und dem Betrachter heute Malfelder anbietet, in denen – so der Basler Kunstgeschichte-Professor Gottfried Boehm – individuelle und kollektive Erinnerungsfelder eins sind.

Federle nennt als entscheidenes Erlebnis für sein Leben nicht die (damals modischen) Reisen nach Indien 1968/69, sondern den Besuch der Mark Rothko-Kapelle in Houston (USA) 1971. Im Gegensatz zu den leuchtendfarbigen Werken Rothkos, welche einem als Betrachtende in ihre spirituelle Intensität geradezu einsaugen, sind Federles Werke oft spröde, mit trockener Dispersion auf Leinwand gemalt. Die Radikalität entspricht dem zuweilen arrogant wirkenden Auftritt des Künstlers. Doch wie weit ist das massgebend?

Wer sich entschliesst, sich auf die in wenige, in Mass und Zahl ausgewogene Felder unterteilten Grossformate einzulassen, erkennt als Erstes ihre Schichtung in sich überlagernde, primär horizontal/vertikale Pinselschriftstrukturen. Die Analogie zu den „Black Series“, die Verdichtung und Schichtung als Folge von Einzelschritten aufzeigen, fällt auf. Die Pinselzüge tragen Handschrift, so entsteht nicht eine geometrische Schichtung, sondern ein unregel-mässiges Auf und Ab von mehr oder weniger transparenten Bändern und Zwischenräumen innerhalb derHauptbegrenzungen.

Kaum sichtbare, aber zweifellos bewusst gesetzte Rhythmen bewirken bei intensiven Schauen eine Oeffnung von der Zweidimensionalität in eine scheinbare Räumlichkeit. Architektur entsteht, mit Gedankensträngen in ihrer virtuellen Ausdehnung erfühlbar; Zonen ohne Materie.

In anderen Bildern führt einem der Künstler in offenere Bereiche, die im Fall von „Death of a black snake“ (1999) den Eindruck von archäologischen Stätten aufkommen lassen. Undurchdringbarer sind die kleinen, goldenen Ikonen. Die Bilder sind widerständig, sie versprechen nicht eine heile Welt hinter dem Vorhang. Es entstehen im Gedankenraum keine Glücksgefühle, das Unheimliche bleibt. Und das ist wohl letzlich die Qualität der Bilder Helmut Federles oder, anders ausgedrückt, die positive Antwort auf die hierzulande kritischen Fragen.

Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.