Skulpturen von Cy Twombly im Überblick_Kunstmuseum Basel 2000

Taucht das Wertlose in mythisches Weiss

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 26. April 2000

Twombly (1928) gehören auf dem Kunstmarkt zu den teuersten. Das Betrachten der Skulpturen im Kunstmuseum Basel zeigt, wie schwierig es ist, Materie und Geist ganz zu trennen.

Lässt man alles Wissen um Geld und Macht draussen vor der Tür, ist ein Rundgang durch die bisher grösste Skulpturen-Ausstellung von Cy Twombly im Kunstmuseum Basel wie ein Gang durch lichterfüllte Architektur. Seit den Anfängen in den 50er Jahrentaucht der 72jährige Amerikaner seine fetischartigen Plastiken in weisse Farbe. Damit wandelt er die „armen“ Materialien, die er braucht, in kostbare. Die klaren, einfachen, oft aufragenden Formen in spannungsvoll-harmonischen Proportionen werden zu Altären. Und sie sind in der Inszenierung von Katharina Schmidt, der Direktorin des Kunstmuseums Basel, auch so präsentiert: Hehr und heilig. Wäre nicht das stets präsente Alarmsystem, das jede Armbewegung in Skulptur-Nähe in unangenehme Töne verwandelt, es wäre wohl mucksmäuschenstill in den Räumen.

Cy Twombly wurde 1928 in Virginia geboren. Schon sehr früh fasziniert ihn die Kunst, die in den USA in dieser Zeit noch ganz auf Europa ausgerichtet ist. Er hat das Glück, dass seine Lehrer zeitgenössisch denken (was in den 40er Jahren noch nicht selbstverständlich ist). Beeindruckt ist Twombly unter anderem vom Dadaismus Kurt Schwitters, dem Expressionismus eines Chaim Soutine und dem feinnervigen Surrealismus eines Alberto Giacometti.

Früh reist er – zusammen mit seinem Studienkollegen Robert Rauschenberg – nach Kuba, später nach Spanien, Nordafrika und Italien. Twombly verbindet all diese Einflüsse in Zeichnungen und Skulpturen, stösst damit aber noch nicht auf grosses Echo. Er ist zu weit weg vom Main Stream. Wenig ist erhalten, doch das Wenige zeigt im Rückblick das Wesentliche: Twombly sucht nicht nur in dadaistisch-surrealer Art und Weise rohe Alltags-Gegenstände in eine Form zu bringen, sondern zugleich die Tradition der Kunst als etwas Grosses mit hineinzunehmen. So schafft er eine ganz eigene Ästhetik zwischen „low“ und „high“. Schon 1948 dient ihm dazu die weisse Farbe.

1957 übersiedelt Cy Twombly nach Rom, wo er seither wohnt, ohne freilich die Verbindungen zu Amerika je aufzugeben. Mit der Freiheit amerikanischer Mentalität durchforstet er nun die europäischen Mythen und liest europäische Lyrik; Rilke vor allem. Diese Bezüge sind freilich nicht das Entscheidende. Die Essenz der Kunst Twomblys liegt in der Fähigkeit, die emotionellen Werte, welche die Mythen prägen, in eine „Schrift“ zu verwandeln, die ebenso reduziert und abstrakt, wie offen, wie unmittelbar sprechend ist. Und dies in einem Stil, der sowohl die Erbärmlichkeit des Menschen beinhaltet (die „armen“ Materialien) wie die menschliche Sehnsucht, diese zu überwinden, einbindet.

Interessant ist hiezu ein die Basler Ausstellung begleitender Text von Hartwig Fischer, der die formale Nähe Twomblys zu Giacometti aufzeigt. Doch die Nähe ist nicht einfach Plagiat. Twombly vermag das bei Giacometti noch dem Menschenbild Gewidmete in niederschwellige Stofflichkeit zu übersetzen, das „existenzielle Pathos“ umzukehren, ohne dabei das Moment der „Grösse“ zu verlieren.

Die Anfänge Twomblys liegen in der Skulptur, doch angesichts des bescheidenen Echos, hört der Künstler schon 1957 damit auf und konzentriert sich in den folgenden 20 Jahren fast ganz auf Zeichnung und Malerei (wobei das eine nahe beim andern ist). Diese besteht im Wesentlichen darin, einem Seismograph gleich, körperliche, geistige, menschliche Regungen in spurenähnliche, skripturale Bild-Notate zu übertragen. Früh erkennen führende Galeristen in Italien wie in Amerika, dass Twombly ein Pionier der subjektiven Äusserung ist, wie sie in den 60er breit an Bedeutung gewinnt. Kombiniert mit dem römisch-griechischen Hintergrund seiner Arbeiten, der Europa-Sehnsucht der Amerikaner und anderen Faktoren mehr, wird Twombly zu einer Kult-Figur des Kunstmarktes.

Das lässt die Preise in die Höhe schnellen. Sie bewegen sich heute zwischen 1/2 bis 1 Million Dollar für eine repräsentative Arbeit. Das zurückgezogene Leben des Künstlers ist dabei der Legendenbildung nur förderlich. Dass unsere Gesellschaft schliesslich den materiellen Wert nicht mehr von der künstlerischen Bedeutung zu trennen vermag, ist indes äusserst problematisch. Die Frage ob Twomblys Arbeiten überhaupt noch etwas anderes sein können als „goldene Kälber“ muss – trotz der unwidersprochenen Intensität der Arbeiten – gestellt werden.

Der Skulptur, wie sie nun in Basel erstmals losgelöst von den Wandarbeiten im Überblick gezeigt wird, hat bisher wenig zu dieser Entwicklung beigetragen. Zwar beginnt der Künstler aufgrund eines veränderten Umfeldes 1976 wieder intensiv dreidimensional zu arbeiten. Doch erst die sakrale Inwertsetzung durch Harald Szeemann im Rahmen der Ausstellung „Spuren,Skulpturen und Monumente ihrer präzisen Reise“ im Kunsthaus Zürich (1985) lässt auch die Skulpturen zu Kultobjekten werden. Der Künstler freilich – ob Strategie oder nicht, ist schwer zu sagen – hat bisher nur wenige Arbeiten dem Markt übergeben. So kommt es, dass die meisten in Basel ausgestellten Skulpturen aus dem Besitz des Künstlers stammen.

Katalogbuch, u.a. mit einem ausführlichen, relativ langweiligen Text (deutsch/englisch) von Katharina Schmidt. Edition Cantz, München.