„South Meets West“: Kunst aus Afrika in Bern

Kunsthalle und Historisches Museum Bern. Bis 25.06.2000

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt April 2000

Das temporäre „Joint Venture“ zwischen Berns Historischen Museum und der Berner Kunsthalle – einander am Helvetiaplatz immer schon gegenüberliegend – ist mehr als eine Raum-Erweiterung für die Ausstellung „South Meets West“ mit 14 zeitgenössischen Künstler/-innen aus dem südlichen und westlichen Afrika. Es geht bei dieser von der Eidgenössischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit mitgetragenen Veranstaltung ebenso um Geschichte, und somit um (Kultur)Politik, wie um bildende Kunst. Angesichts des Begleitkataloges, der die erste Station der Ausstellung im National Museum in Akkra (Ghana) im November 99 reflektiert, frägt man sich gar, ob es bei „South Meets West“ überhaupt um künstlerische Inhalte und Gestaltungsformen gehe. Denn vor lauter Fragen wie das Betriebssystem Kunst den afrikanischen Kontinent besser einbetten könnte, wird die Analyse der ausgestellten Werke völlig ausser Acht gelassen. Eine absolut unverständliche Haltung, denn das Ausserordentliche von „South Meets West“ ist die künstlerische Qualität, die eingefleischte Clichés nachhaltig Lügen straft.

Seit den 80er Jahren reisten immer wieder prominente europäische Ausstellungsmacher nach Afrika, um zeitgenössische afrikanische Kunst zu suchen. Und sie scheiterten letztlich fast alle daran, dass sie mit einem „Ethno“-Blick unterwegs waren und das „Exotische“ dann doch nicht als gleichwertig zur europäisch-amerikanischen Kultur einstuften. Bernhard Fibicher, Leiter der Kunsthalle Bern, geht, in Zusammenarbeit mit dem ghanesischen Kunsthistoriker Joe Nkruma, einen anderen Weg. Nicht dem ländlichen, unterentwickelten Afrika gilt der Blick, sondern den urbanen Zonen, die über ihre Kunstschulen und Universitäten längst im globalen Diskurs stehen. Man denke an Johannesburg, Kapstadt, Accra usw., aber auch an afrikanische Künstler, die heute in London oder Paris arbeiten. Die Verwendung bei uns üblicher Medien – von der Oelmalerei über die Fotografie bis zum Video – wird dementsprechend nicht als „unafrikanisch“ abqualifiziert, sondern einzig auf inhaltliche Dichte und Intensität hin beurteilt. Warum sollte der Einbezug afrikanischer Urformen in die europäische „Moderne“ (man denke an Picasso) salonfähig sein, nicht aber die Verwendung bei uns gängiger Medien in Afrika.

Geschickt setzen Fibicher und Nkruma auf eine Vielfalt von Positionen, die ganz verschiedene Haltungen verkörpern respektive entlarven. Das traditionelle Afrika ist ebenso da wie Videoarbeiten, die auch in London, Paris oder New York hätten entstehen können, zum Teil auch tatsächlich in der Diaspora geschaffen wurden.
Die Spannweite reicht von nervigen, mit Sacktuchstreifen umwickelten Draht-Figuren (Dominique Zinkpe), die in humorvoller Art und Weise mit der Legende allgegenwärtiger Naturgeister abrechnen, bis zum Video von Tracey Rose (Kapstadt), welches das Thema des Kampfes als Boxen bis zur orgiastischen Erschöpfung zeigt. Zu den Highlights gehören die Arbeiten von Goddy Leye, die mit uns vertrauten, jedoch einfachst genutzten Methoden afrikanische Themen anteilnehmend, ästhetisch und kritisch zugleich visualisieren:.Ein auf braun-weiss reduziertes Video mit jungen Mädchen zum Beispiel, die sich – vor einem Teppich aus leuchtend farbigen Bonbons – mit viel Charme weissen Männern anpreisen, … oder eine Fernsehstation mit gestörtem (weil nicht bezahltem) Empfang hinter ornamental angeordneten Kaffeetassen und einem Sack mit Würfelzucker …

Im wahrsten Sinne unter die Haut geht das 12-Kanal-Video von Kendell Geers im Hauptsaal der Kunsthalle, das als Loop aus einem US-Brutalofilm einen enthäuteten – und somit weder schwarzen, noch weissen – zähnebestückten, klappernden Mund zeigt. Das Thema der Hautfarbe und der damit verbundenen Existenzsituation bestimmt auch die mit Tiermasken bestückten, aus asch-grauem Gips gegossenen „Bom Boys“ (Strassenkinder) von Jane Alexander. All diese und zahlreiche weitere Arbeiten sind so eindringlich, dass sie unabhängig von ihrem sozialen und geographischen Kontext als bildnerische Verdichtungen für sich selbst stehen. Problematischer sind die kulturpolitischen Ansätze, wie zum Beispiel der „Museumsshop“ von Meschac Gaba, in dem der in Amsterdam lebende Künstler die Kunst seiner Freunde aus Afrika, aber auch Europa, verkauft.

Bernhard Fibicher schreibt in seinem Text, man könnte eine Ausstellung mit afrikanischer Kunst kuratieren wie man wolle, immer sei es falsch. Die durch die Ausstellung präsentierte These, nur uns hier unmittelbar packende Arbeiten könnten den Weg zu neuem (positiv besetztem) Schauen öffnen, ist indes überzeugend.