Zum Tod von Ueli Michel

In die Haut der Farben packte er sein Leben

Ueli Michel war ein leidenschaftlicher Künstler, sensibel und kompromisslos. Ob er die Intensität des Lebens, die Malerei in der Farbe suchte, immer wob er sich selbst in das, was er tat. Das war seine Kraft und – wie uns sein abrupter Tod nun lehrt – auch seine Tragik. Die farbbetonte, zugleich expressive wie in ordnende Felder gebundene Malerei des 47jährigen fand in den letzten Jahren grosses Echo. Seine im Malauftrag intensiv bearbeiteten, zuweilen mit Fotografien hinterlegten Bildtafeln wurden ebenso in Deutschland wie in Italien, der Schweiz und darüber hinaus gezeigt. Grosse Kunst am Bau-Aufträge (u.a. in Wohlen und Zofingen) weiteten das Feld. Trotzdem ist Ueli Michel nun in Italien während den Vorbereitungen für seine zweite Ausstellung im Zentrum „Arte Monte Antico” in der Nähe von Florenz freiwillig aus dem Leben geschieden. Das Äussere war nicht das Innere. Und im Rückblick klingt so manches an, was man vielleicht nie ganz verstanden hatte.

Ueli Michel ist in Beinwil am See aufgewachsen, durchlief die Schulen für Gestaltung von Zürich und Bern bis zum Abschluss als Zeichenlehrer. Seine allererste Ausstellung fand 1980 auf Einladung von Heiny Widmer im Foyer des Aargauer Kunsthauses statt. Die Bilder und Radierungen, die er zeigte, zeugten von der für Ueli Michel zeitlebens typischen Identifizierung mit Zeit und Ort. In Landschaften und Fundobjekte malte und kratzte er die Spuren und Rhythmen seiner Existenz im ländlichen Densbüren, wo er damals wohnte. Dann zog er nach Basel und abrupt wechselte sein Stil.

Das Leben, die Liebe, die Sinne setzen sich mit Haut und Haar ins Zentrum. Es war die Zeit des Neo-Expressionismus deutscher und – für Ueli Michel – vor allem auch italienischer Prägung. Schiffe, Köpfe, Tiere, Figuren formte er in den pastosen Grund sattfarbenen Malerei. Als 1984 Annina zur Welt kam entstand einer der schönsten Zeichnungszyklen: Das Rad, der Baum, der Tanz des Lebens und die Wehen der Geburt.

Durch regelmässige Ausstellungen, aber auch durch seine Tätigkeit als Zeichenlehrer an der Neuen Kantonsschule in Aarau, blieb Ueli Michel – partiell – ein Aargauer Künstler. Was stets auffiel: Zu seinen Vernissagen strömten die Leute in Scharen. Ueli Michels offene, ehrliche Art, sein Freund sein Wollen machten ihn selbst zum Freund. Doch der Blick in die Welt und die Zwänge des Lebens machten es nicht einfach. Familie, Kunst, Markt, Zeit – wie sollte man da die Ideale halten. Ueli Michels Bildthemen wurde härter und kritischer, entfernten sich mehr und mehr vom Erzählerischen zugunsten einer „Sprache”, die sich allein durch Gestus, Auftrag, Farbklang und Farbsubstanz definierte. Nur in den Titeln blieb er anfänglich eindeutig. Dass eine Basler Bank einmal ein Bild ankaufen wollte unter der Bedingung, dass er den Titel ändere, zeigt die Spannung.

So wurde die Farbe und der Prozess des Malens selbst zu seinem Refugium. Er malte, spachtelte, kratze die Farbe wieder ab, legte neue darüber, vermischte die Pigmente mit Ingredienzen. Doch dies nicht in wildem Gestus, sondern im definierten Geviert, stets auf der Suche nach der Horizontalen und der Vertikalen. Die Emotionalität und die Ordnung. Das Grün, das Rot, das Blau, das Gelb, das Weiss wurde nie ganz monochrom, die Farben liessen das Dahinter stets erahnen. Vor allem in den letzten Jahren gewährten Ueli Michels Bilder jedoch wieder vermehrt Einblicke. Sei es, dass er die Oberflächen transparenter gestaltete, helle Zonen im Untergrund durchschimmern liess, sei es, dass er Fotografien (Naturelemente, Strukturen, Alltagssituationen) unterlegte oder – in Zusammenarbeit mit Schriftstellern – Worte integrierte.

Ob gegenständlich oder ungegenständlich, immer wollte Ueli Michel in seinem Schaffen und in seinem Leben sich selbst bleiben. Dass er mit sich rang und litt, zeigte vielleicht seine unendlich hagere Figur. Warum er nun zum Schluss kam, er sei daran gescheitert, wird er uns nicht mehr sagen. Aber in seinen Bildern ist die Antwort wohl enthalten.