Freche Frauen in farbenfrohen Gärten
Galerie Silvia Steiner Biel: Marianne und Roland Flück. Bis 29. März 2003
Sinnlich, weiblich, erotisch: Die Holzskulpturen von Marianne Flück. Geheimnisvoll, farbenfroh und ein wenig l’art pour l’art: Die Bilder von Roland Flück. Das Künstlerpaar stellt bei Silvia Steiner in Biel aus.
Sie stellten schon mehrfach gemeinsam aus, die Solothurner Bildhauerin Marianne Flück und ihr Lebenspartner, der Maler Roland Flück. In Biel, bei Silvia Steiner gastieren sie allerdings zum ersten Mal im Doppelpack. Nicht weil der seit 1984 im Abonnement in Biel ausstellende Maler plötzlich die Unterstützung seiner Frau bräuchte oder die Bildhauerin eine entscheidende Entwicklung vollzogen hätte. Nein, die Mutter von vier Teenagern hatte lange ganz einfach nicht genügend Arbeiten, um allzu oft öffentlich aufzutreten. Insofern ist die Vielzahl der durchwegs 2002 und 2003 entstandenen figürlichen Skulpturen das Besondere der aktuellen Ausstellung. Die gleichwertige Präsenz stellt aber auch gnadenlos die Frage nach der Qualität und der Wechselwirkung der beiden Künstler, die sich nicht nur privat, sondern auch künstlerisch intensiv begleiten.
Das Gemeinsame füllt quasi die Galerieräume: Die Lust auf Farbe. Doch während die ungemischten Rot, Blau, Grün und Gelb bei Marianne Flück „nur“ die Aufgabe haben, der geschnitzten Form Ausdruck zu geben, sind die vielfach abgestuften Farbwerte in den Bildern sich quasi selbst Thema. Anders ausgedrückt: Die Skulpturen zeigen sich in ihrer Farbigkeit ohne wenn und aber; sie sind und scheinen sich darüber zu freuen. In den Bildern ist die Farbe sehr viel komplexer eingesetzt. Hier geht es um Licht und wie unsere Augen dieses als Farbe wahrnehmen; es geht um die Umsetzung von Erkenntnissen, wie sie zum Beispiel in der Kontrastlehre von Johannes Itten beschrieben sind. Um die räumliche Wirkung von hell und dunkel, um den Wechsel von kalt und warm, um komplementäre Effekte von grün und rot, von blau und gelb usw. Anders als einst der Langenthaler Jakob Weder sucht Flück jedoch stets die Verbindung von Farbspiel und gegenständlichem Ausdruck; bisher zumindest.
Die starke Präsenz von Farbe lässt die Ausstellung als spannende Wechselwirkung zwischen Skulptur und Malerei erleben.
Daneben gibt es aber geradezu gegensätzliche Momente, die sich unter anderem stilistisch benennen lassen. Marianne Flücks körperbewusste Frauenfiguren haben ihre Ahnen in den expressiven Skulpturen eines Ernst Ludwig Kirchner und den frühen Frauenbildern einer Paula Moderssohn-Becker. Das heisst einer Paarung von Emotion und selbstbewusstem Ich-Ausdruck, übersetzt in eine postfeministische Zeit, die Frauenlust ohne masochistische Tendenzen geniesst: sinnlich, erotisch, verführerisch und mit einem sicheren Sinn für Volumen, Form und Farbe. Bezeichnend, dass es vor allem Frauen sind, die Marianne Flücks Skulpturen kaufen (dürfen die Männer etwa nicht?)
Roland Flücks künstlerische Ahnen hingegen sind im Postimpressionismus zu suchen, angereichert mit Tendenzen von Pop Art bis hin zu konzeptuellen Diskussionen um Malerei als Malerei. In den neuen Bildern drängt er die gegenständliche Ebene zurück zugunsten einer virtuellen „Projektion“, in welcher konstruktive und naturhafte Ebenen verschmelzen. „Secret Gardens“ nennt er sie. Es handelt sich um ornamentale Strukturen wie man sie sich als Relief an einem Gebäude vorstellen kann, die unter- und überlagert sind von blühenden Malven und anderen Ranken. Über ihre wechselnden Farbqualitäten scheinen sie sich durch den Raum zu bewegen; Himmel und Erde werden aufgehoben, Stofflichkeit und Spiegelung sind nicht mehr unterscheidbar.
Im Grossformat, das bereits an der Solothurner Weihnachtsausstellung zu sehen war, steigert der Künstler sein Konzept zum Chef d’oeuvre, da die nur hier angewandte Lasurtechnik die Fassbarkeit der Malschichten zusätzlich auflöst. In den Acrylbildern, in welchen die Ornamentalstruktur zuweilen insektoide Züge trägt, erreicht der Künstler nicht denselben Grad an geheimnisvoller Entstofflichung.
Das Kunstschaffen von Roland und Marianne Flück hat im Raum Olten/Solothurn/Biel reiche Resonanz; es sind Bilder und Skulpturen die man kaufen kann. In dieser traditionellen Verankerung mag indes der Grund liegen, dass man die beiden über die Region hinaus kaum kennt – zu weit ist der Weg zu den spartenübergreifenden, zeitgenössischen Strömungen.