Luigi Archetti Galerie Elisabeth Staffelbach 2004

Als wäre die Galerie ein Mischpult

Der Zürcher Künstler Luigi Archetti (48) ist im Aargau wohlbekannt – als Maler, als Musiker, als Mitglied des Aargauischen Kuratoriums. Die Malerei, die er bei Staffelbach in Aarau zeigt, ist (fast) eine Installation.

Man muss nicht wissen, dass er auch ein experimenteller Musiker ist, wenn man ihm als Maler begegnet. Und er sagt auch, die erstmalige Präsentation seiner Malerei als „Bild-Bau-Stelle“ in der Galerie Elisabeth Staffelbach in Aarau sei die Folge eines Buchprojektes, in dem er sein bildnerisches Werk als Schichtung von Gleichzeitigkeiten und nicht als Chronologie zeigen wolle. Dennoch ist das eine das andere und das dritte zugleich. „Links“ heisst die Ausstellung.

Grundsätzlich trifft man auf den bekannten Archetti, der Farbschichten ausstreicht, schleift, übermalt; aber die Schichten decken sich neu vielerorten nicht ab, sondern türmen sich zu Stapeln farbiger Papiere, breiten sich als Farbstücke auf Tischen aus, stehen als dickere und dünnere Objekte an die Wand gelehnt oder auf Konsolen nebeneinander oder versetzt hintereinander. Fast kann man die Lust nicht zähmen, die Ordnung mit den Fingern zu hinterfragen. Doch das ist nicht erlaubt. Das „Klavier“, so sagt Archetti, müsse gestimmt bleiben. Die Augen sollen sich im Raum neue Bilder schaffen, vom Tisch an die Wand, von links nach rechts, von oben nach unten; die Proportionen der Objekte und die wässrigen Blau, die fahlen Grün, die hellen Ocker verschmelzen. Der Maler als Lieferant der Töne für die Kunstbetrachter am Mischpult!

Aus einer geheimnisvollen, gelb gelöcherten Box knistert es. Als würde jemand mit einem Stück Plastik spielen, es drehen und wenden, knüllen und zupfen. Wie er malt, so tönt er. Archetti gibt sich mehr denn je als Erforscher von Analogien. Er will die Zeit von A nach B aufbrechen und sie mehrschichtig zum Raum fügen; empirisch und konzeptuell zugleich.
Auch in den Zeichnungen, die er in die Mehrteiler einbaut, zeigt er das – Zeichnungen, halb gescannt, entfärbt und gedruckt, halb von Hand bearbeitet. Da ist eine Frauenfigur, mit Strichen ummantelt, perspektivisch zu einem Stück Architektur gemacht und im Innern mit etappierten Leitungen in ein fliessendes System eingebracht. Halt gibt es weder am Rand noch in den Objekten rundherum.

Trotz Hang zur Grenzenlosigkeit vermeidet Archetti jegliche Romantik – selbst Arabesken leitet er von Elektrokabeln ab und nicht etwa vom Barock; eingefügte Fotoausdrucke zeigen es. Und die Materialien – von der Dosenfarbe über die Styroporblöcke bis zur grossformatigen Kellco-Platte – holt er sich beim Baummeister, nicht beim Künstlerbedarf. Wie Malerei gebaut ist, wie unsere Bildmaschine funktioniert und Klang-Körper entstehen, interessiert ihn. Wenn jemand daraus und darin Welt-Bilder schaffen will, freut es ihn gleichwohl.