„Helden heute“ im Centre PasquArt in Biel 2005

Wonder Woman küsst Shooting Star

www.annelisezwez. ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 1. Oktober 2005

«Helden heute» heisst die grösste je vom CentrePasquArt realisierte Themenschau. 50 Superstars sind versammelt; Antihelden inklusive.

In der Antike war ein Held, wer die Welt veränderte. Heute ist der Begriff nicht mehr zu definieren, die Medien küren Superstars und Wonder Women wie es ihnen beliebt. «Helden heute» zeigt anhand von 50(!) künstlerischen Positionen, vor allem aus der Schweiz und Europa, wie weit das Feld ist und wie mannigfaltig sich Kunstschaffende heute dem Thema widmen.

Es ist eine Parforce-Leistung, welche das kleine Team des Bieler Museums erbracht hat. Noch nie hatte eine Ausstellung in Biel in diesem Mass internationalen Charakter. Die bekanntesten Namen: Marina Abramovic, Candida Höfer, Gilles Barbier, Tracey Moffat, Douglas Gordon. Aber auch Prominenz aus der Schweiz ist da: Roman Signer, Antoinette Chiarenza, Daniele Buetti, Moser/Schwinger, Ana Axpe, Com&Com, Christoph Draeger. Und last but not least, Chris Weibel und Urs Dickerhof aus der Region Biel-Seeland.

Schon vor fünf Jahren habe sie begonnen ein Dossier «Helden» anzulegen, sagt Kuratorin Dolores Denaro. Aufgestockt um aktuelle Recherchen, habe sie schliesslich 100 Möglichkeiten vor sich liegen gehabt. Daraus wurde schliesslich die nun realisierte Ausstellung. Auch mit «nur» 50 Positionen ist sie so umfangreich, dass sie die Besucher fast wie ein Blitzlichtgewitter überflutet. Dolores Denaro mag die latente Überforderung des Publikums geahnt und möglicherweise darum Claude Lévêque die Salle Poma zugewiesen haben. Der Franzose zeigt daselbst nämlich einen Container, in den sich von Paparazzi verfolgte Shooting Stars temporär zurückziehen können.

Um der Ausstellung Struktur zu geben, ist sie in Kapitel unterteilt, welche die disparaten Heldenbegriffe etwas bündeln. Den Start macht in den Galerien die virtuelle Manga-Heldin «Ann Lee», die Pierre Joseph (FR) als Label gekauft hat und nun einen Text des tunesischen Philosophen Mehdi Belhaj Kacem rezitieren lässt. Die Low-Culture-Figur und der High-Culture-Text irritieren sich gegenseitig. Als Heldinnen erscheinen daselbst auch die «Sisters in the sky» von Simone Aarberg Kaern (DK) oder die «Donne illustri» von Irene Andessner. Weiter geht es mit Helden der Geschichte, Politik und Religion, der Welt der Stars, den Superhelden, den Grössen des Sports, Beauty & Fashion und nicht zuletzt den Antihelden, die in der fordernden Schau nicht nur Mitleid, sondern auch Lacher bewirken.

Als Beispiel sei Sloan Le Blancs «Hoover contre Kaisui» genannt, zwei Staubsauger der genannten Marken, die sich für ihre Unternehmen «duellieren». Zu den Antihelden gehört auch der geteerte und gefederte Cowboy von Gilles Barbier (FR), der sich mit letzter Kraft auf einer über zwei Fässern liegenden Bahnschiene hält. Es ist eine der wenigen skulpturalen Arbeiten in der Ausstellung, die, dem Thema entsprechend, von Fotografien, Fotocollagen und Plakaten, Animationsfilmen, Videos und wenig Malerei respektive Zeichnung bestimmt ist.

Die Ausstellung verfolgt keine These, sie ist eine Plattform, die ausbreitet. Die Spannweite und die Qualität der Arbeiten überzeugen dabei über weite Strecken. Ersteres heisst zum Beispiel, dass das Thema «Helden» auch über Näherinnen von amerikanischen Flaggen in einer US-Firma herbeigezoomt werden kann (Anne-Julie Raccoursier/CH). Zweiteres ist eher subjektiv; eine positive Überraschung sind zum Beispiel die beiden Arbeiten von Chris Weibel (Tüscherz). Die aus Medienbildern collagierte und animierte Projektion einer Vielfalt von sich die Hände schüttelnden Politikern, die sich zu irgendwelchen «Heldentaten» gratulieren, überzeugt ebenso wie die lapidaren «Meister Proper» im Kapitel «Superhelden».

Eine spannende Arbeit ist auch jene von Urs Dickerhof in der «Sportwelt». Das 1967 (!) unter dem Eindruck der damals aktuellen Vietnamkrieg-Diskussionen entstandene Pop-Art-Bild «American Football» geht der Frage nach, was Sport- und Kriegshelden voneinander unterscheidet (oder auch nicht).

Die wenigen Beispiele zeigen, dass jedes Werk, jede Werkgruppe eine Geschichte hat und auf je eigene Art dem Thema von «Helden heute» nachspürt. Kleine Texte helfen beim Einstieg, dennoch ist es unmöglich, die Facetten der Ausstellung auf einmal zu fassen. Weniger wäre wohl mehr, würde unmittelbarere Erlebnisse bewirken als Ausschnitte (zum Beispiel ein Papstbild aus einer Reihe von 33), die es intellektuell zu ergänzen gilt. Das eigens für Biel kuratierte Beispiel von Com&Com («The Making of Heroes») zeigt es eindrücklich.