Bridget Riley Aargauer Kunsthaus 2005

Wenn Malerei die Augen hinters Licht führt

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 28. September 2005

Bridget Riley war um 1965 ein Star der Op-Art. Konsequent hat sie ihr Werk seither vorangetrieben. Mit Erfolg. Das Aargauer Kunsthaus ist wie geschaffen für die erste grosse Schau in der Schweiz seit 1970.

Der Kontrollblick von der Seite lässt keine Zweifel: Die grossformatigen Bilder von Bridget Riley sind regelmässig gemalt und flach. Obwohl unsere Augen im Vorbeigehen meinen, die Wellen bewegten sich im Wind. Lange hat man in unseren Museen keine Op-Art mehr gesehen. Wenn man nun in Aarau, wo das Werk der Engländerin zur Zeit als Retrospektive gezeigt wird, begeistert ist von der Wiederbegegnung, so hat das nicht nur mit dem Phänomen der Op-Art zu tun. Es liegt vor allem daran, mit welch sinnlicher Konsequenz die heute 74-Jährige ihr geometrisch-konstruktives Werk weiterentwickelt und zu einem durchdachten Fest des Sehens gemacht hat. Es kommt hinzu, dass die Architektur des neuen Aargauer Kunsthauses (Herzog & De Meuron) mit ihrer Lichtdurchlässigkeit ein zusätzliches Spiel mit den Werken treibt.

Der Direktor des Aargauer Kunsthauses, Beat Wismer, ist seit langem Fan der Künstlerin. In der das Aargauer Haus international positionierenden Ausstellung „Karo Dame“ (1995) waren daselbst erstmals wichtige Werke Rileys zu sehen. Gerne hätte er die Retrospektive der „Tate Modern“ in London für die Neu-Eröffnung des Hauses (2003) übernommen, doch die Dame hatte die Tate-Schau nicht als „Travelling Exhibition“ vorgesehen. Aarau ist glücklich, jetzt die in Australien und Neuseeland gezeigte Retrospektive als einzigen Europa-Standort präsentieren zu können; um frühe Werke erweitert. Dahinter verbirgt sich einen Künstlerinnen-Haltung, die nicht bereit ist, das eigene Werk einfach dem Markt zu übergeben, sondern jeden Schritt, jede Öffentlichkeit auf ihre Richtigkeit hin prüfen will. Riley hat auch nie Bilder „produziert“, obwohl sie längst nur noch die Konzeption macht und die Ausführung Assistenten überlässt. Wichtig ist ihr das Denken, das Finden, das Vernetzen des Eigenen im Kontext der Kunstgeschichte und der Philosophie.

Das wiederum stellt die Frage, warum Bridget Riley ihr Werk so vorsichtig positioniert? Eine Einladung des „Haus konstruktiv“ in Zürich zum Beispiel lehnte sie ab. Aarau sagte sie jetzt zu. Vielleicht weil hier einmal eine wichtige Ausstellung stattfand, die Piet Mondrian und Ferdinand Hodler als „Gefährten“ zeigte. Somit Geometrie und Natur. Und genau das ist auch Bridget Riley wichtig. Sie sagt, prägend sei für sie ein Schwimm-Erlebnis gewesen, als Licht das ruhige Wasser vor ihr quasi in Bewegung versetzt habe. Die Wellenbilder der 70er- und 80er-Jahre haben genau da ihre Entsprechung, sind also nicht einfach gemalte Op-Art-Phänome, sondern Ausdruck der Faszination, was Wahrnehmung, was Sehen mit den Parametern unserer Augen (und unserer Erinnerung) sein kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Riley intensiv mit Mondrian, aber auch mit Paul Klee auseinandergesetzt hat.

Bridget Riley setzt den Anfang ihres selbständigen Werkes auf das Jahr 1960. Die Ausstellung in Aarau setzt aber mit Werken von 1959 ein, als sich Riley intensiv mit dem Pointillismus (der Auflösung der Landschaft in Farbtupfer) auseinandersetzte. Die Wahrnehmung, präziser, die Empfindung angesichts der Wahrnehmung der Natur ist dass Essentielle ihrer Kunst. Die Rhythmen der Geometrie, die Nachbarschaften der Farben, die (späteren) Schichtungen von Schwüngen und Gegenschwüngen sind nicht „l’art pour l’art“, sondern Mittel zum Zweck. Und das ist in der Ausstellung in Aarau vielleicht nicht erklärbar, aber mit einer Art Echolot spürbar.

Dass sie sich 1960 radikal der Op-Art zuwendet, und zwar zunächst während fünf Jahren mit schwarz-weiss-Bildern, liegt wohl zum einen im Geist der Zeit, andererseits aber in der Eigenart der Op-Art, die Wahrnehmung aus sich selbst aktiviert. In einer Werkbeschreibung sagt Riley, am Anfang hätte sie ihre Bilder so lange hochgeschraubt bis die Wahrnehmung in Empfindung gekippt sei. Später dann (ab ca. 1984) habe sie die Parameter umgekehrt, sie habe nun die Empfindung an den Anfang gestellt und dann das Bild dafür gesucht. Entsprechend ist ihr späteres Werk auch nicht mehr der Op-Art zuzuzählen, sondern einem intuitiven Spiel mit Farben, Geometrie und Rhythmus, das sich in den jüngsten Werken erstaunlicherweise dem Spätwerk von André Matisse nähert, wenn auch sehr viel strikter im Aufbau und sehr viel bewusster bezüglich der Wahrnehmungs-Facetten, die in jedem gültig erklärten Bild aufscheinen.

Umfangreicher Katalog.