Neue Kunst-Bücher: Martin Ziegelmüller, Ruedi Schwyn

Kratzende Kommentare, fragende Annährungen

Bilder und Wörter in einem Buch zu vereinen, ist immer noch eine gute Möglichkeit, einem Künstler auf die Spur zu kommen. Jüngste Beispiele aus der Region: Martin Ziegelmüller und Ruedi Schwyn.

Annelise Zwez

„Wenns jetzt gut gehen soll, dann muss die Vernetzung funktionieren…. Was geht auf der Leinwand vor, was liefert das Gedächtnis nach?…Was tut die Hand? Wie verhält sich die Farbe? Dieses Grau wird beim Trocknen noch etwas nachdunkeln, meldet der Mallotse. Dort drüben pastos, sonst wird der Eindruck zu luftig.“ – Die besten Passagen im neuen Buch von  und zu Martin Ziegelmüller (Waldgut-Verlag) sind jene, in denen der Seeländer Künstler unmittelbar vom Malen erzählt; das kann kaum einer so spannend wie er.

Martin Ziegelmüller ist ein Vollblutmaler – aber er war und ist immer auch einer, der gerne spricht. Sei es mit fiktiven Besuchern, wie William Turner, den er nachts im Angesicht der Stadt Freiburg zu sich holt. Der Engländer malte 1841 dasselbe Motiv wie Ziegelmüller in letzten Jahren. „Die ultramarinfarbene Reklame in der Nähe des Bahnhofs würde ihn sicher begeistern“, heisst es da etwa. Aber auch angesichts realer Besucher spricht Ziegelmüller: Beim Porträtieren, einem weiteren wichtigen Kapitel der letzten Jahre. Die „Selbstgespräche“, schreibt er, „müssen das Modell auf Distanz halten und es davon ablenken, dass ich es unverschämt beobachte….und mich ermahnen, mich nicht in Kleinkriege zu verlieren, sondern beim Generalangriff zu bleiben“.

Martin Ziegelmüllers neues Buch – eine Fortsetzung des 2001 erschienenen „Maler auf dem Drehstuhl“ – ist kein Katalog. Es enthält wohl zahlreiche Bild-Reproduktionen, doch sind diese eher Illustrationen als künstlerisch nachvollziehbare Abbildungen. Dem Künstler ist das wohl recht so, denn was zählt, ist  bei Künstlern seines Schlags, das Original. Im Zentrum steht stattdessen das Malerleben, das Erzählen und das Reflektieren. Erstaunlich ist, wie sorgsam der Künstler neuerdings mit jüngeren Positionen umgeht; so betont altersweise – der Künstler feierte kürzlich den 70sten Geburtstag (das BT berichtete) – dass man den kratzbürstigen Ton, den er auch sich selber gegenüber anwendet, fast schon vermisst. Oder hat er das Wettern bewusst an den Vorwort-Schreiber delegiert? Peter Killer, bekannt für seine reaktionäre Haltung gegenüber der aktuellen Kunstszene, nimmt jedenfalls kein Blatt vor den Mund. Anstelle des „heiligen Feuers“ dominiere heute die „Coolness“, schreibt er, und die sei von den Künstlern, Convience Food gleich, einzig auf potentielle Kundschaft ausgerichtet. Indem er von „wir“ schreibt („der Ziegelmüller und ich“) entsteht da eine irritierende Kontradiktion. Man halte sich also besser an die saftigen Selbstreflektionen des Künstlers oder an Dorothee Freiburghaus‘ köstliches „Tagebuch einer Porträtierten“.

Ruedi Schwyn: Einlagerungen

„Ich fülle einen Raum mit einer Haltung, von der ich glaube, es sei die meine. Vermutlich handelt es sich aber eher um eine Form, die ihre Gestalt zwischen mir und dem Geschiebe der Geschichte findet“, heisst es in einem der Tagebuchauszüge von Ruedy Schwyn im Buch „Einlagerungen“ (Edition Clandestin). Auch dieses Buch ist kein Katalog. Es ist auch kein Erzählband, sondern eher ein Porträt eines Künstlers, der mit der Region eng verbunden ist und sich zugleich in Spanien „zuhause“ fühlt. Abbildungen von Werken, von Fundstücken, von temporären Installationen begegnen Texten, die weniger Kommentare sind als vielmehr empfundene Parallelen (zum Beispiel von Urs Dickerhof oder Valentin Hauri). Einzig Andreas Meier geht in seinem Vorwort auf die Vielseitigkeit des 55-jährigen Bieler Künstlers als Zeichner, als Maler, als Objektkünstler, als Performer, als Musiker, als Bühnenbildner, als Lehrer ein. Das Buch gilt jedoch primär dem bildnerisch Tätigen, der in der äusseren Beschaffenheit der Natur mit grosser Vorsicht ihr inneres Spiegelbild sucht und hinterfragt: „Vergiss was du gesehen hast bevor es zu spät ist“ steht auf Abbildung der Installation „Sehstapel“ von 2004.

 

Fussnote:

 

Sowohl „Der Maler – le peintre Martin Ziegelmüller“ wie „Einlagerungen – Incrustations“ sind durchgehend zweisprachig (Übersetzungen:Hélène Cagnard, Véronique Zussau). Druck: W. Gassmann AG (Ziegelmüller), „witschidruck“ (Schwyn). Erhältlich: u.a. in der Buchhandlung Lüthy. Ziegelmüller: 55 Franken, Schwyn: 38 Franken. Im Kunstkeller in Bern wird morgen Mittwoch, 19 – 21 Uhr, die Ausstellung „Martin Ziegelmüller – 70 Jahre“ eröffnet.