Bieler Fototage (1997-2006)

Eine Erfolgsgeschichte

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 16. August 2006

In einem Zirkuszelt gab die Gruppe „Fous d’images“ am 20. September 1997 den Startschuss zu den ersten Bieler Fototagen. Ein Rückblick aus Anlass des 10-Jahr-Jubiläums.

Es war ein Coup, vor zehn Jahren, die Aktivitäten des Bieler Photoforums mit einem unabhängigen Festival der Fotografie überregional auszuweiten. Denn noch hatte die Fotografie nicht die künstlerische Anerkennung von heute und die Idee Kultur als Event zu lancieren, stand erst am Anfang. Die Bieler Fototage gehören darum zu den ältesten ihrer Art. Initiantin war die Gruppe „Fous d’images“ mit den Bieler „Fotoverrückten“ Mirei Lehmann, Francis Siegfried, Vincent Juillerat und Olivier Evard. Das Budget war minimal, der Enthusiasmus umso grösser. Das Quartett war zur richtigen Zeit am richtigen Projekt, denn die Fotografie war international eben daran, sich vom Korsett der „angewandten Kunst“ zu befreien und sich vermehrt öffentlich zu positionieren.
So wundert es nicht, dass Olivier Evard in einem Interview im Bieler Tagblatt sagte: „Als ich bei der Agentur Métis Images in Paris Xavier Lambours anrief, zeigte er sich sofort interessiert“. So kamen die Fototage von 1997 zu ihrem Aushängeschild; ein „Glücksfall“ mit Ereignischarakter war aber auch die auf einem „Du“-Heft basierende, für Biel erweiterte Kollektivschau „Erinnerung an Vietnam“. Bereits die ersten Fototage haben neben dem Photoforum (im alten PasquArt) verschiedene Standorte. Überdies sind sie von einem reichhaltigen Vortrags- und Workshop-Programm begleitet; etwas, das später eher in den Hintergrund tritt. Das Presse- und Publikumsecho ist für eine Erstauflage gross, vor allem in der Region Biel/Bern und in der Westschweiz. In der übrigen Deutschschweiz vermögen sich die vier Romands kaum Gehör zu verschaffen. 

Die Zweitauflage – nun bereits mit Vincent Juillerat und Stefano Stoll als Co-Direktoren – legt die Basis für die kommenden Jahre. Dass das Centre PasquArt 1998 wegen Umbauarbeiten nicht zur Verfügung steht, führt zur glücklichen Idee, die Fototage in ungenutzten Räumen in der Altstadt durchzuführen; etwas, das vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wird. Charakteristisch wird nun auch eine thematische Ausrichtung. „Nord-Süd“ heisst diese 1998, mit Akzenten bei Algerien und Marokko, „Wenn die Bilder stehen bleiben“ im darauffolgenden Jahr. Mit der sensationellen Präsentation des frühen Fotoschaffens von Stanley Kubrick gelingt den Fototagen 1999 der Ausbruch aus der Fotoszene, hin zu einem erweiterten Publikumssegment, wobei auch das offene, Film und Fotografie hinterfragende Thema zum Quantensprung beiträgt. Das Thema wird indes nie zur Fessel – „coups de coeur“-Ausstellungen erlauben Blicke um die Ecke, 1999 zum Beispiel auf die poetische Bildsprache Gilbert Garcins. Die Ausrichtung ist international – wichtig sind den Kuratoren Erstausstellungen in der Schweiz. Das bedeutet indes nicht ein Ausklammern der Region – 1997 sind Marco Paoluzzo und Stöh Grünig mit dabei, 1998 Jeanne Chevalier, 1999 unter anderem Clemens Klopfenstein.

Die Ausgaben von 2000 und 2001 festigen den Erfolg; jährlich kommen mehrere tausend Besucher nach Biel, um ein gutes Dutzend Ausstellungen, verteilt auf die Museumsmeile und die Altstadt, zu sehen; darunter seit 1998 auch immer ein von Komitee-Mitglied Francis Boillat betreutes Kinderprojekt. „Subjektiv-objektiv“ heisst das Thema zur Jahrtausendwende; einer der Höhepunkte sind die rund um die Welt mit sozialem Engagement realisierten Fotoreportagen des Ungaren Paul Almasy (1906-2003). 2001 steht im Zeichen von „Landschaft(en), die Natur der Dinge“. Das Echo ist weiterhin gut, doch die einseitig frankophone Ausrichtung stösst mehr und mehr auf Kritik.

Die Situation spitzt sich zu. Das Phänomen, dass ehrenamtlich realisierten Kulturprojekten nach fünf Jahren der „Schnauf“ ausgeht, greift auch in Biel. Vincent Juillerat und Stefano Stoll möchten von der Stadt Biel endlich mehr (finanzielle) Anerkennung. Im Expo-Jahr finden zwar Fototage statt – doch in redimensionierter Form und in fadenscheiniger Verbindung mit Aktionen, welche die beiden auf der Arteplage in Neuenburg realisieren. Dann nehmen sie den Hut, just als die Stadt Biel die Subventionen verdoppelt. Stefano Stoll amtet inzwischen als Delegierter für Kultur der Stadt Vevey, während Vincent Juillerat neben seiner Unterrichtstätigkeit daselbst Kodirektor des internationalen Festivals Image06 ist. In Biel wählt das Komitee im Frühjahr 2003 die Basler Kunsthistorikerin Barbara Zürcher zur neuen Direktorin der Bieler Fototage, nunmehr mit einem 40%-Pensum.

Waren Juillerat/Stoll „fous d’images“, ist Barbara Zürcher „süchtig“ nach Geschichten. Es gelingt der Kulturmanagerin in kürzester Zeit in Biel Fuss zu fassen und schon im Herbst 2003 eine Kleinausgabe der Fototage zu lancieren (Thema: „Mode und Körper“). Sie komponiert (auch in den folgenden Jahren) ihre Festivals bewusst weniger international, hat stattdessen Fotoschaffende aus der gesamten Schweiz auf ihren weltweiten Expeditionen im Blickfeld. „De la vie à la mort – de la mort à la vie“ zeigt 2004 klar den emotionalen Impakt, den sie sucht und auch 2005 in „on the road again“ überraschend vielfältig einzubringen vermag. Neu kommt mit Barbara Zürcher auch der Einbezug der Bieler Bevölkerung – erinnert sei an Interviews zum Thema Mode, an die Sammlung von Hochzeitsfotos von 2004. Internationale Anerkennung erfahren die Fototage neuerdings durch (verkleinerte) Zweitstationen, sei es in Berlin, im Haus der Kunst in Altdorf oder – demnächst – in Südafrika. Die Jubiläumsausgabe 2006 mit dem Titel „Die Rückkehr der Physiognomie“ steht mit ihrem 10-Jahr-Rucksack unter einem guten Stern (1. Sept. bis 1.Okt. 2006).

Anhang:
Das liebe Geld
Die Fototage starteten 1997 mit viel Engagement, guten Pressepartnern, aber kaum Geld. Später nahm Biel 20 000 Franken ins Budget auf, der Kanton Bern zog mit und erste Sponsoren konnten gewonnen werden. Die Situation blieb aber fragil. 2003 verdoppelte Biel die Subvention auf 40 000 und 2006 auf 60 000 Franken. Der Kanton Bern trägt 20 000 Franken bei. Zu den Geldgebern (Gesamtbudget 2006: 180 000 Franken) zählen ferner zahlreiche Stiftungen (u.a. Pro Helvetia) und Sponsoren (u.a. Banque Bonhôte). Das gesamte Komitee arbeitet weiterhin ehrenamtlich.