Von Bruce Nauman bis Runa Islam Zentrum Paul Klee 2006
Die Irritation des Gleichgewichts
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Mittelland Zeitung 1. Juli 2006
Mit Werken von Bruce Nauman bis Runa Islam treten erstmals zeitgenössische Kunstschaffende in Dialog mit dem Kosmos von Paul Klee
Schon der überdimensionierte, labile Wegweiser vor dem Zentrum Paul Klee an Berns Stadtrand macht deutlich, dass das Gleichgewicht das gestörte und wieder ausbalancierte ein zentrales Anliegen von Paul Klees Kunstschaffen ist. So lag es auf der Hand, dass es Tilman Osterwold zum Leitfaden der ersten thematischen und ersten zeitgenössisch ausgerichteten Wechselausstellung in dem vor einem Jahr eröffneten Paul Klee-Museum machte.
Er tut dies ganz im Sinne Klees, der in seinen Bildern physische Ungleichgewichte durch formale Interventionen ausglich, dabei aber stets die psychische Komponente mit im Visier hatte. Darum ist die Ausstellung Irritation des Gleichgewichts in keiner Weise mit der legendären Equilibre-Schau im Aargauer Kunsthaus von 1993 zu vergleichen. Der konstruktiv-geometrische, später in die Minimal Art mündende Strang fehlt gänzlich. Stattdessen treten Künstler und Künstlerinnen wie Bruce Nauman, William Kentridge, Anna und Bernhard Blume, Roman Signer, Cornelia Parker oder Runa Islam auf. Sie alle bearbeiten Fragen des Gleichgewichts, rücken dieses aber durch die Wahl der verwendeten Gegenstände oder durch figürliche Inszenierungen in die Nähe des Menschen, des Lebens, des Alltags. Wie wenig es braucht, um Form in Emotion kippen zu lassen, zeigen zum Beispiel die stehende und die in labilem Gleichgewicht darauf liegende Fahrstuhlkabine von Serge Spitzer; fast automatisch geht man als Besucherin aus Sicherheitsgründen nicht zu nahe heran.
Es sind 15 hochkarätige Installationen, Fotoserien und Videos, welche das Thema umschreiben. Für Klee sei nur das Beste gut genug, hat man den Eindruck und muss sich gleichzeitig innerlich wehren gegen die museale Kälte, mit welcher die Werke im nicht gerade gemütlichen Sous-Sol des Renzo Piano-Baus präsentiert sind. Dabei ist eines der im Kontext spannendsten Werke klein und unscheinbar: Das 1981 unter der Regie von Samuel Beckett produzierte Fernstehstück Quadrat I und II, das in einer Ecke auf einem simplen Fernsehmonitor zu sehen ist. Es sind drei Figuren rot, blau, gelb die auf einer Quadratfläche umhereilen und versuchen, sich nicht zu berühren und nicht in das Loch in der Mitte zu fallen. Eindrücklich ist die Arbeit hier, weil sie Paul Klees Hang zur Dynamik der Linie, des Hin und Her auf dem Papier, der Form und Antiform aufzunehmen scheint ohne sich dessen bewusst zu sein.
Die Ausstellung ist sehr bewusst inszeniert; es gilt auf die Nachbarschaften zu achten zum Beispiel den Dialog zwischen einem Video von Bruce Nauman von 1968, in welchem Gehen respektive Stehen an der senkrechten Wand geprobt wird und einem Holztisch von Roman Signer von 1993, der auf drei Beinen steht und das vierte als Gewichtsausgleich liegend auf sich trägt. Oder die Gegenüberstellung von virtuellem und realem Fallen in den Fotos von Teresa Hubbard/Alexander Birchler respektive Ryuji Miyamoto.
Geradezu symbolisch steht Irritation des Gleichgewichts für einen Generationenwechsel. Zentrums-Direktor Andreas Marti und Tilman Osterwold verabschieden sich damit und übergeben die Bühne Juri Steiner (37) als Direktor und einer neuen, noch zu wählenden künstlerischen Leitung.
Link: www.zpk.org