Krieg Isabelle und Herve Graumann im CentrePasquArt

Alltägliches in ungleichen Kleidern

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 31. März 2007

Heute um 17 Uhr werden im Museum PasquArt die Ausstellungen Hervé Graumann und Isabelle Krieg eröffnet. Was sie verbindet, trennt sie gleichzeitig.

Sowohl Hervé Graumann (44) wie Isabelle Krieg (36) gehen in ihren Einzelausstellungen im Museum PasquArt von alltäglichen Gegenständen und Situationen aus. Doch während sie damit Botschaften formuliert, nutzt er sie, um die Strukturen der digitalen Welt in realen respektive erneut synthetischen Mustern sichtbar zu machen. Er mit einem Augenzwinkern, sie mit einer Ernsthaftigkeit, die an Kinderspiele erinnert.

Refuse to be depressed

«I refuse to be depressed or frustrated» – der Satz ist nicht etwa in grossen Lettern auf die Wände der Salle Poma geschrieben. Kleine, mittlere, zum Teil ellenlange Baumstämme von ca. vier bis zwölf Zentimeter Durchmesser schreiben den Satz in den Raum. Die Bäume sind kahl, verkohlt und ragen aus teilverspiegelten «Schlamm»-Inseln in die Luft. «Es ist Fallholz aus dem Wald», sagt Isabelle Krieg, «das ich mit meinem Team angezündet habe.»

Zur Szenerie inspiriert hat Krieg die vielpublizierte Foto von Flüchtlingen, die im Ersten Weltkrieg aus abgebrannten Zonen Belgiens flüchten. Anstelle von ihnen gehen nun wir, die Besucher, durch den Wald. Ein unerschrockenes Eichhörnchen, das auf dem «I» (Ich) sitzt, begleitet uns. Der inhaltliche Wandel, das Aufbegehren, Trotzen, sich dem Drama der Welt Entgegenstemmen – I refuse to be drepressd or frustrated – ist vielleicht das, was Kriegs Kunst im Innersten zusammenhält.

Krieg Macht Liebe

«Krieg Macht Liebe» heisst die Ausstellung der aufstrebenden, jungen Freiburger Künstlerin. Die in einer Vitrine ausgelegte Neue Zürcher Zeitung, in der mit schwarzen, weissen und roten Stecknadeln die Worte «Krieg», «Macht» und «Liebe» (sowie ihre Ableitungen) markiert sind, verdeutlicht: Es geht nicht um Isabelle Krieg, die Liebe macht, sondern – aber eben auch nicht nur – um die drei Welt-Begriffe. Für die Visualisierung hat sich die Künstlerin die grosse Gabe von Kindern bewahrt, die in Rollenspielen komplexeste Situationen mit Fantasie auf einfache Nenner herunterzubrechen vermögen.

Auf die Fenster der als Wohnräume inszenierten Säle des PasquArt-Altbaus hat die Künstlerin mit Tonschlick respektive Blut Vorhänge gemalt. «Die Fenster sind mir wichtig», sagt Krieg, «sie verbinden die von aussen kommenden TV- und Internet-Bilder mit den privaten Räumen, in denen es oft nicht anders zu und her geht als in den Kriegs-Räumen der Welt.» Das ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber die Künstlerin kennt da keine Berührungsängste und sucht in der Umsetzung auch nicht nach der ultimativen Vertiefung. Wer das vermisst, mag übersehen, dass Krieg ihre Kraft aus dem Machen bezieht und in Bildern, in denen es ihr gelingt, das «Drauf los» inhaltlich zu verdichten, eindringliche Appelle an Kopf und Körper aussendet.

Das gelingt ihr bezüglich der fünf Wohn-Räume insbesondere in der «Küche» und im «Esszimmer». In letzterem hat sie eine «emotionale Bombe» gezündet – die festliche Tafel, an welcher sich die Familien-Mitglieder eben noch zugeprostet haben, ist mit Brandlöchern verunstaltet, doch eigenartigerweise sind die von der Decke hängenden, farbigen Papierschlangen nicht verbrannt. Stehen sie dafür, dass Lust besser ist als Streit? Das wäre wohl eine allzu moralische Interpretation, aber man könnte ja mal über Krieg, Macht, Liebe nachdenken.

Graumanns Verführungen

Wer entdeckt, dass es bei Krieg Messer und bei Graumann Revolver gibt, dass hier wie dort Bälle, Knochen und Totenköpfe eine Rolle spielen, verleitet die Ausstellungen zueinander in Beziehung zu setzen. Doch die Gedanken münden schnell in eine Sackgasse. Die Kombination der beiden in der Programmation des Museums ergibt – leider – inhaltlich keine Steigerung.

Im Gegensatz zu Isabelle Krieg, die erstmals in Biel ausstellt, ist Hervé Graumann hier kein Unbekannter. Bis zurück in die Zeit von Andreas Meier hat der Genfer immer wieder im PasquArt ausgestellt und seine berühmte Installation «Raoul Pictor malt für Sie» ist Teil der Sammlung des Hauses.

Rhythmen und Abstraktionen

Wie die, erstaunlicherweise erste, Museumsausstellung des längst gesamtschweizerisch bekannten Künstlers zeigt, hat sich sein Schaffen in den letzten Jahren von der Anekdote (im besten Sinn des Wortes) entfernt zugunsten einer strukturelleren, gewissermassen abstrakteren Ausrichtung. Was schon in der Malmaschine von Raoul Pictor angelegt war – nämlich das Spielen und Sichtbarmachen von und mit Software-Parametern – steht jetzt per se im Zentrum.

Die Auflösung des Realen in digitale Zahlenrhythmen setzt der Künstler um in repetitive Muster. Doch er nimmt hiezu nicht Nullen und Einer, sondern jede Menge Gegenstände, Non-Valeurs wie sie die Konsumwelt millionenfach produziert. Und baut daraus Boden-, selten Wand-Installationen, die in ihrer Farbigkeit, ihrer Vielfalt, ihrem surrealen Overkill das Auge ästhetisch verführen. Ah und Oh könnte es einem entfahren, ähnlich wie beim Anblick eines Blumenbeetes. Doch was dort Natur, ist hier Künstlichkeit, und erst noch eine ohne kritischen Unterton. Warum soll künstlich nicht so schön sein wie natürlich? Doch halt, ist das nicht Glatteis, auf dem man sich hier bewegt?

Spazieren im Digital-Raum

Graumann arbeitet in Serien – die der «Pattern» hat er nun weidlich ausgelotet und die Gefahr der Repetition des Repetitiven in Installationen und Fotografien steht im Raum. Gut darum, dass Graumann in Biel auch seine jüngsten Untersuchungen im filmischen Digitalraum zeigt.

Er nimmt hiezu eine beliebige Fotografie – den Vorplatz eines Hauses, einen Garten mit blühenden Büschen, eine ländliche Szenerie mit einem Chalet – scannt sie ein und beginnt nun mit der entsprechenden Animations-Software, das zweidimensionale Abbild wieder in Räumlichkeit zurückzuführen. Wie in einer bewegten Raum-Collage – Graumann spricht von Video-Skulptur – eröffnet sich dem Betrachter der Gross-Projektionen eine neue, synthetische Raum-Realität. Die ungenügende Bildauflösung (Pixelzahl) bewirkt dabei, dass optisch alles in Bewegung scheint und man sich in einem fliessenden Transformationsprozess fühlt; eine Art animierte Video-Op-Art.

Es ist wohl die Übersättigung mit filmischen Kunst-Produktionen, dass einen die handfesten Installationen – bei Graumann wie bei Krieg – nachhaltiger und lustvoller zum Nachdenken anregen?