Andrea Good Saur Lexikon Leipzig 2008

www.annelisezwez    Originaltext für Saur Leipzig, Lexikon aller Künstler aller Zeiten, geschrieben  Dezember 2007

Andrea Good,Schweizer Foto-Künstlerin. Nutzt verdunkelte Räume als Camera obscura für grossformatige Langzeit-Belichtungen städtischer und landschaftlicher Motive. * 18. Dezember 1968 in Zürich


Wächst in einer Kleinunternehmer-Familie in Zürich auf. Nichts deutet auf Kunst. Erst nach einer kaufmännischen Ausbildung und ersten Erfolgen als Bankfachfrau (u.a. in Paris), bricht sich die Neugierde Bahn. 1991-94 Schule für Erwachsenenbildung mit Matura-Abschluss. 1994/95 Medizin-Studium. 1996 Aufenthalt in Barcelona; beginnt zu fotografieren. 1997-2000 Ausbildung zur Fotografin an der Berufsschule Zürich. Bereits während der Schule Aufträge und Auszeichnungen: 1999 Werkbeitrag des Kantons Zürich, 1. Preis in  Wettbewerb für Theaterfotografie. Faszination: Mit der Kamera in andere Welten schauen.

Wegweisend ist ein Schulprojekt mit Ausstellung in Schiffscontainern. Ihre Gruppe funktioniert den 2 Tonnen schweren Container in eine Camera Obscura um und „fotografiert“ damit, von Eisenbahn-Wagen aus, den Zürcher Güterbahnhof und andere Industrieanlagen. Anschliessend kauft Andrea Good den 6 x 2.5 x 2.5 Meter grossen Container – er bleibt über Jahre hinweg ihre „Kamera“, vielleicht die weltgrösste. Mit Überzeugungsarbeit verschafft sich AG Bewilligungen für ungewöhnliche Standorte:  Mitten in der Stadt Zürich, entlang von Autobahnen, im Skigebiet Hoch Ybrig. Wichtig ist AG der belebte Ort, der im technik-bedingten Resultat zu seltsamer Stille gerinnt, da die Langsamkeit der Belichtung jegliche Kurzzeitigkeit ausblendet.

Je nachdem ob AG  Farb- Fotopapiere mit oder ohne Filter in den dunklen Container montiert, werden die in Spezialmaschinen entwickelten, rund 1.27 resp. 1.83 x 4  Meter langen „Negative“ blau- oder orange- bis rot-tonig. Berechnungen und persönliche Erfahrung bezüglich der Lichtverhältnisse bestimmen die Belichtungsddauer zwischen Minuten, Stunden und Tagen in Relation zur Grösse des 1.2 bis 8 Millimeter grossen Licht-Lochs. Der Kanton Zürich und private Stiftungen unterstützen die Projekte mit Werkbeiträgen.

Der Aufwand, so AG, sei unbequem, bündle indes die Spannung hin zum Gelingen (oder Misslingen). 2001/03 Einzelausstellungen in der Galerie semina rerum in Zürich. 2003 Heirat mit dem Musiker und Konzertveranstalter Silvio Gardoni; Geburt von  Orell (2005 Sales, 2007 Eleonora). Im Rahmen von Bollwerk International in Freiburg, erstes interaktives Projekt mit Porträt-Sitzungen im öffentlichen Raum, begleitet von Videoaufnahmen.

2004 Aufenthalt in der Cité Internationale des Arts in Paris. Da sie keine Bewilligungen für den Container erhält, verwandelt AG Hotel-Zimmer in Camera Obscuras, was die Möglichkeiten der Standorte, Höhen (Stockwerke), Formate unverhofft vergrössert. Tourismus-Motive wie  der Eifelturm oder der Louvre werden in einen Zeit und Realität entrückten, „nächtlichen“ Zustand versetzt. Wesentlich sei, so AG, dass das Leben trotz der bildlichen Auflösung als eine Art Hauch, manchmal auch als sich überlagernde Andeutungen, spürbar bleibe und dem Abbild dadurch eine Art versteckte Dimension gebe. 2005 geht AG einen Schritt weiter. Sie verwandelt die Kirche St. Arbogast in Oberwinterthur in eine Dunkelkammer, die während eines Gottesdienstes durch die Öffnung eines kleinen Licht-Lochs zur Camera Obscura wird und die Aussenwelt sowie Teile der Architektur im Innern abbildet; auf 4 Fotopapierbahnen von total 676 x 732 Zentimeter. 2006 „porträtiert“ AG Strassen und Plätze in Zürich von  temporär unbenutzten, verdunkelten Büros aus, wobei sie die Wirkung  von Nah-, Fern- und Aufsicht bei der Bildkonzeption miteinbezieht. Seither weitet AG ihr Schaffen kontinuierlich durch bewusstes Wählen spezifischer Standorte.

Werke des Künstlers mit Standortnamen: BERN Kunstsammlung Nationalbank. ZÜRICH Kantonale Sammlung, Sammlung Bank Julius Bär, UBS, Credit Suisse. Verkaufsgeschäfte von Navy Boots (Bahnhofstrasse, Marktgasse, Nüschelerstrasse).

Ausstellungen E: Zürich: Galerie semina rerum, 2001, 03, 05, 06/07, 08. G: Zürich: „Wasserschloss“, Städtisches Wassersilo, 1999; Galerie Schedler, 2001; „Wald/Explosionen“, Helmhaus, 2001/02 (Kat.); Winterthur: „Innen/aussen“, Galerie modo, 2001;  „Das unsichtbare Bild“,  zwischen Kunst und Kirche, Kirche St. Arbogast. Freiburg: Belluard Bollwerk Festival, 2003. Langenthal: „Loch statt Linse“, Kunsthaus, 2003 (Kat.). Arbon: „Im Sog des Unberechenbaren“, Thurgauer Kulturwanderungen, 2008.

Bibliographie: Printmedien: Urs Tillmann in „Reflexe“  1/1999. Philipp Meier in „Neue Zürcher Zeitung“, 17.11.1999. Judith Stofer in „Zürcher Kirchenbote“ 11/2005. Nadine Olonetzky in „NZZ am Sonntag“, 22. 10. 2006. Dominique von Burg in Kunstbulletin (Zürich) Jan./Feb. 2007. Fernsehen: 10 vor 10, SF DRS, 14.3.2002, Kulturplatz SF DRS, 9.8.2006. Internet: www.andreagood.ch