Martin Ziegelmüller in der Galerie Vinelz

Wie ein Knie zu neuen Bildern führt

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 16. April 2008

Als der Maler Martin Ziegelmüller im Spital nicht schlafen konnte, schaute er sich „Biel by night“ an. Die Bilder davon sind jetzt in der Galerie Vinelz zu sehen.

Als Martin Ziegelmüller im Januar 2007 ein „neues Knie“ erhielt, sass er nachts stundenlang am Fenster des Spitals und schaute auf die Stadt Biel hinunter. „Um ein neues Motiv malen zu können, muss ich es zuerst sehr, sehr gut kennen“, sagt er. Unweigerlich denkt man an die unzähligen Juralandschaften, die der heute 73-Jährige Vinelzer in den letzten Jahrzehnten gemalt hat. Noch während des Aufenthaltes im Spitalzentrum entdeckt er eine kleine Dachterrasse; von da möchte er Biel malen. Nachts. 

Mit einer Bewilligung kehrt er ein halbes Jahr später mit schwarz gestrichenen Papieren und wenig Farben zurück auf die Dachterrasse. Mit einer Stirnlampe und einer Klemmleuchte für die Farbpalette. Einmal kommt er abends um 22 Uhr, ein anderes Mal um Mitternacht oder dann morgens um fünf Uhr.

Ein Teil der damals entstandenen Skizzen sind jetzt in der Ausstellung des Künstlers in der einst von ihm selbst mitbegründeten Galerie Vinelz zu sehen. Zusammen mit Tag-Aquarellen und einer stattlichen Zahl von Nachtbildern auf Leinwand. Die Nacht fasziniert die Maler seit Jahrhunderten oder, präziser ausgedrückt, das Licht der Nacht. Vor Zeiten war es nur der Mond, der Licht verbreitete. Heute ist es vor allem das künstliche Licht, das die Nacht zum Wechselspiel von hell und dunkel macht. Martin Ziegelmüller hat schon in den 1970er-Jahren „Bern by night“ gemalt, damals aber noch Brücken, Türme und Häuser betonend.

Dann – vor einigen Jahren – entdeckte er Freiburg bei Nacht und ging hin und malte, fast nur schwarz, weiss und gelb. Jetzt nicht mehr die Architektur betonend, sondern die hellen Lichtpunkte im vagen Koloss „Stadt“.

 Ähnlich ging er nun bei Biel vor, wagte es aber deutlich mehr Farbe einzusetzen. Schon aufs Dach des Spitals nahm er neben weiss und gelb auch rot und blau mit und setzte es zurückhaltend ein. Die Papierarbeiten veränderten sich im Atelier nurmehr wenig. Die Leinwände hingegen entstanden auf der Basis der Erinnerung im Atelier. „Das Malen ist ein ständiges hin und her, sagt der Maler, wie viel Stadt muss ich zeigen, wie viel darf  ich auf Farbtupfer, auf Lichtschimmer reduzieren.“

Alle Bieler Bilder sind vom selben Standort aus konzipiert, aber einmal ist der Ausschnitt kleiner, dann der Blick leicht gedreht, dann wieder hat der Maler die Totale im Visier. Einmal ist es frühabends, einmal mitten in der Nacht, einmal frühmorgens. Die Unterschiede sind nicht spektakulär; wie der Künstler muss man auch als Betrachterin das Motiv erschauen, um sich darin zu bewegen.

Die Bilder sind auch nicht virtuos – das sind sie bei Ziegelmüller nie. Er kämpft heute noch tagelang um jedes Bild, um die Spannung zwischen gegenständlich und ungegenständlich, zwischen strukturierenden Horizontalen, Vertikalen und Diagonalen, um Farbrhythmen und –kontraste. „Ich mag es nicht, wenn ältere Maler wissen ‚wie man malt’, ich brauche noch heute die Auseinandersetzung“, sagt er.

Martin Ziegelmüller hinkte dem Mainstream der Kunst immer etwas hinten nach, stritt um die Abstraktion als man in Amerika bereits zur Pop Art überging und galt in Kunstkreisen dementsprechend immer als Traditionalist. Das ist nicht falsch, aber wie Martin Ziegelmüller dieser Tradition immer wieder neue malerische Vortwärtsschritte abgerungen hat, wie er sich auch mit 73 Jahren immer noch fragt, was denn ein Alois Lichtsteiner in seinen Bergbildern anders sehe als er, das macht sein Werk bis heute durch und durch authentisch. Nicht zuletzt weil er auf seinem Niveau einer der letzten seiner Gattung ist.

Zu sehen sind in Vinelz nicht nur Biel-Bilder, sondern auch eine Reihe von Landschaften, die als Ahnung das „Grosse Moos“ erkennen lassen, primär aber Himmel und Erde, Wolken, Licht und Horizont auf Mass und Licht im Wechsel mit dem Pinsel hin befragen. Es sind durchwegs ältere Bilder, die ihn nicht befriedigten, die er jetzt noch einmal von Ballast zu befreien und so noch einmal näher an Malerei an sich heranzuführen vermochte.

Last but not least ist da auch noch ein Grossformat, das einmal ein Chasseral-Bild war bis es der Künstler letztes Jahr an einem „radikalen Tag“ übermalte und daraus – in wochenlangem Prozess – eine Landschaft entstehen liess, die das überschwemmte „Moos“ von einst und jetzt  eindrücklich zusammenführt.

Info: Die Ausstellung dauert bis 4. Mai. Sie ist Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.