Aurum – Gold in der zeitgenössischen Kunst PasquArt Biel 2008

Gold im Widerstreit zwischen Geld und Wert

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 17. September 2008

Meinte Gold einst Vollkommenheit, erleben wir es heute zwiespältig. „Aurum – Gold in der zeitgenössischen Kunst“ im Museum PasquArt spiegelt den Widerstreit von Geld und Wert.

Es war 2002 als Biel im Zeichen der Expo stand und auf der Arteplage der Pavillon „Geld und Wert“ Tausende animierte an der goldenen Oberfläche zu kratzen. Eine unversehrte Platte von damals markiert nun im Foyer des Centre PasquArt den Auftakt zu „Aurum“ und positioniert die Ausstellung so als eine Art Fortsetzung und wohl auch als Hommage an Harald Szeemann, der „Geld und Wert“ kuratiert hatte.

„Gold“ assoziieren wir mit einem Bouquet von Bedeutungen, von den Goldschätzen Aegyptens über die Goldbarren der Nationalbank bis zu den Goldmünzen Dagobert Ducks. „Aurum“ konzentriert sich, dem Profil des Museums entsprechend, auf die Auseinandersetzung heutiger Künstler und Künstlerinnen zwischen Peking, Moskau und Biel mit dem Thema. Der Ansatz  ist dabei vielfach ein kritischer, stuft Gold näher bei Materialismus ein als beim Licht der Sonne. Dennoch ragt vieles antennengleich in die verschiedenen zeitgeschichtlichen Deutungsebenen.

Wer durch die Ausstellung rennt und denkt „nichts als Gold“, der übersieht sowohl materiell wie inhaltlich, dass „nicht alles Gold ist was glänzt“. Analog früheren Themenausstellungen im PasquArt vermitteln indes Saaltexte zu allen 41 Kunst-schaffenden wertvolle Hinweise auf Beschaffenheit (Gold, Bronze, Messing, Karton), Denkansätze und Stellung der gezeigten Arbeiten im Werkkontext.

Die Ausstellung findet in Biel statt, nicht in Paris oder New York; das heisst spektakuläre Werke wie zum Beispiel Ingeborg Lüschers „Bernsteinzimmer“ waren für das lokale Budget unerreichbar. Dennoch darf man Kuratorin Dolores Denaro zweifellos attestieren, dass sie unter den gegebenen Möglichkeiten eine bemerkenswerte Ausstellung realisiert hat, auch wenn es nicht die einzig denkbare zum Thema ist.

Als Qualitätskriterium schält sich bald heraus, dass sich vor allem einschreibt, was die Janusköpfigkeit des Goldes zwischen kultischer und materieller Zuordnung  auf den Punkt bringt. Und da hat die Ausstellung einen klaren Höhepunkt: Das „Goldene Kalb“ von Not Vital in der „Salle Poma“. Das Lob hiezu gebührt in diesem Fall nicht nur dem ursprünglich aus Sent (GR) stammenden Künstler mit Jahrgang 1948, sondern auch der Kuratorin und dem Haustechniker.

Zeigte Vital die realistisch nachgebildete 18 Karat-Skulptur von 2001 bisher stets am Boden, steht sie jetzt  auf einem hohen, schwarzen „Altar“ und wird von einer (Theater)-Lampe so ausgeleuch-tet, dass sie einer Sonne gleich blendet. Ins Zentrum gestellt, spielt die schwarze „Salle Poma“ ihre sakrale Architektur aus und gibt viel Raum für den Tanz um das Goldene Kalb. Pikantes Detail: Gestern Dienstag wurde bei Sothebys in London Damian Hirsts „Goldenes Kalb“ von 2007 (ein Stier in Formaldehyd mit Goldhufen und –hörnern sowie goldener Sonnenscheibe) für 10.35 Millionen Pfund versteigert.

Vitals „Goldenes Kalb“ ist nicht zuletzt darum Höhepunkt, weil man ihm am Ende des Rundgangs begegnet und es somit quasi bündelt, was sich als Widerstreit zwischen Faszination, Gier und Missbrauch über eine Vielzahl von Stationen hin
weg vorbereitet. Gezielt erwähnt sei zum Beispiel die Objekt-Skulptur des Chinesen Liu Ding: Eine lebensgrosse Mädchenfigur, die auf einer überdimensionierten Kunststoff-Niere steht und uns einen goldenen Totenschädel entgegenhält. Der 32-Jährige nimmt damit ganz offensichtlich Bezug auf den ausbeuterischen Organhandel wie er in Asien teils verbreitet ist.

Oder:  Die ethonologische, kritische Arbeit der Genferin Marie Velardi (geb. 1977), die sich in „Wanta Wayana“ mit dem tödlichen Abbau von Gold in Französisch-Guyana durch den Einsatz giftigen Quecksilbers befasst. Oder auch der „Wagen“ des Bielers René Zäch (geb. 1946), der vier doppelachsig verbundene, mit Dukaten-Gold-Farbe bemalte Auto-Räder (aus Karton) auf Sockel hebt; als „goldenes Kalb“ der Gegenwart. Und nicht zu übersehen, das ironische „Schweizer Glück“ des Deutschen Andreas Kaiser (geb. 1967): Eine mit Luft kontinuierlich aufgeblasene Topographie der Schweiz aus Goldfolie.

Es gibt auch andere spannende Positionen auf dem Weg zum „Goldenen Kalb“ – zum Beispiel jene des Genfers Aurélien Gamboni (geb. 1979), der auf schwarzer Kohle das flüssige Gold, das man dem römischen Feldherrn Licinius Crassus zur Strafe in den Rachen goss, zur Skulptur erstarrt zeigt. Wenig Raum gibt die Ausstellung einer positiv besetzten Gold-Verehrung – offenbar interessiert das die zeitgenössische Kunst nicht. Eine ganz wesentliche Ausnahme, die quasi hinter das Gold zurückgeht und die Sonne einfängt, ist die computerbearbeitete Projektion der Waadtländerin Ariane Epars (geb. 1959), welche das morgendliche Sonnenlicht auf der mit Gold gearbeiteten Kunst am Bau-Arbeit der Künstlerin in Genf  bündelt und als enorme Lichtkraft sichtbar macht.

Info: Bis 30. November. Der Katalog im  Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg, erscheint Ende September. Rahmenprogramm, Kunstvermittlung etc. auf www.pasquart.ch

Themenausstellungen
Die jährlichen Themen-Ausstellungen im PasquArt werden von Dolores Denaro kuratiert (Ausnahme: „I need you“).
Der Auswahl der Künstler geht ein jahrelanges Sammeln von Ideen und Möglichkeiten voraus.
Frühere Themen waren „In diesen Zeiten“ (2003), „I need you“ (2004), „Helden heute“ (2005), „Branding“ (2006), „Surréalités (2007).
Die Themen sollen Kunst und  Gesellschaft verbinden und dadurch ein breites Publikum ansprechen.
Besonders Gewicht erfährt darum auch stets die Kunstvermittlung.

Kommentar:

Nicht alles Gold was glänzt

Die grossen Themenausstellungen sind das Aushängeschild des Museums PasquArt. Sie sind die „Lieblingskinder“ der Direktorin und bringen dem Haus – neben der Weihnachtsausstellung – die höchsten Besucherzahlen. Sie sind mit ein Grund, dass das PasquArt in die Vereinigung der Schweizer Museen aufgenommen wurde und die Durchführung des Manor-Preises Bern zugesprochen erhielt. Aber: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Rückhalt, den Dolores Denaro in der   regionalen Kunst- und der ihr zugewandten Kulturszene geniesst, ist zurzeit auf einem Tiefpunkt. Nicht ihr Programm wird in Frage gestellt, sondern „die Kälte“ des Hauses.   Die Direktorin grenze sich gegenüber allen Ideen von aussen ab, sei nicht flexibel, sehe nur „ihr“ Haus, gehe keine Kooperationen ein, habe nie Zeit, zeige sich nirgendwo tönt es unüberhörbar von allen Seiten. Dass das „Hausverbot“ für die Goldverkäuferin an der  Vernissage vom letzten Samstag von einigen nicht als Teil einer Performance, sondern für bare Münze genommen wurde, spricht Bände. Die Vorwürfe sind wohl nicht unberechtigt. Doch weil Denaro das Haus  sehr hierarchisch und wenig kompromissbereit führt, fokussiert sich alles bei ihr. Und dem ist sie angesichts ihrer Ziele einerseits, ihres enormen Arbeitspensums andererseits nicht gewachsen, kann es nicht sein; in einem Jahr, da ihre Assistentin in Mutterschaftsur-laub ist, die Stadt das Verwaltungsgebäude verkauft, sie lange nicht weiss, wie es weitergeht, schon gar nicht. Spätestens da fragt man sich, ob denn die Blickverengung auf Denaro als „Feindbild“ richtig ist, ob nicht  der Stiftungsrat, aber auch der sich als kulturelle Schirmherrin verstehende Kunstverein ebenso in die Pflicht genommen werden müssten. Denn wäre von da nach aussen mehr Führungswillen, mehr Mitverantwortung spürbar, könnte manches aufgefangen werden. Allerdings setzte das seitens  Denaro eine Bereitschaft zurückzustehen mit ein, was nicht gerade ihre Stärke zu sein scheint.

                                                                                                 Annelise Zwez