Guido Nussbaum Stiftung Hans Trudel Haus Baden

Nach wie vor Weltkugeln

Annelise Zwez, Aargauer Zeitung, 25. April 2008

Guido Nussbaum malt die Welt und kippt dabei Ungeliebtes zuweilen ins Meer. 62 Variationen umfasst seine Ausstellung im Hans-Trudel-Haus in Baden.

Die Reaktion auf die Ausstellung von Guido Nussbaum (geb. 1948 in Muri) in der Galerie Hans-Trudel-Haus war am Eröffnungsabend durchzogen. Der Künstler nennt es selbst beim Namen: „Nach wie vor Weltkugeln“. Seit bald 20 Jahren malt der in Basel lebende Aargauer Blicke auf den Globus; von hinten von vorne, von oben von unten, vereinzelt, verdoppelt, überlagert, mal schwarz und violett, mal grün und rosa, mal goldig und blau.

Das ist nicht mehr so spektakulär sein wie die „Preisbilder aus dem kalten Krieg“ (1982) oder die raffinierten Drehmechanismen der Bilder auf den Bildern in den Bildern (um 1995). „Die Sache mag ja in der Anlage etwas dünn sein“, sagte der Maler einmal, „aber man muss sehen, was ich daraus mache“. Gerade das ist der springende Punkt.

Guido Nussbaum: Sphärenregression, Acryl auf Leinwand, 2007Die kleinen und grossen „Weltkugeltondi“ (Rundbilder) sind – genau betrachtet – so raffiniert wie die Werke Nussbaums schon immer. Dabei geht es nur am Rande um die „Strafaktionen“ gegen die USA, die auf gewissen Karten nicht (mehr) existieren oder – umgekehrt – als „Schandfleck auf rotem Grund“ erscheinen. Massgebender ist der konzeptuelle Aspekt. Nussbaum nimmt den Globus als Modell, das er – wie einst die Maler im Akt-Saal – drehen, wenden oder neu belichten kann.

Er macht uns damit bewusst, wie sehr die Welt ein Vorstellungsmodell ist, wie wir fixe Formen von Kontinenten im Kopf haben, aber bereits hilfslos vor Inselgruppen und Landstrichen stehen, wenn die Pole verschoben sind, die Meere nicht mehr blau und die Länderformen – ähnlich der Praxis der Naturwissenschaften – „wie bunte Smarties“ in allen Farben erscheinen. Letzteres ist allerdings eher selten, vorherrschender ist die Reduktion auf zwei gleichwertige Farben. Wichtig sind Nussbaum auch die Glanzlichter, welche die Lichtführung im Bild definieren und die er meist im linken oberen Viertel einzeichnet, damit sich zusammen mit der Verdunkelungszone unten rechts eine Wölbung andeutet.

Man könnte mit Leichtigkeit sagen, dieser Maler sei von gestern, mit Projektionen liessen sich die mittels vorgezeichneter Raster mühsam in die Proportionen der Bildfläche übertragenen Formen wesentlich einfacher und präziser einzeichnen. Aber dann wären es keine „Nussbaum“ mehr – da wäre nicht mehr der Künstler, der mit entwaffnender Ehrlichkeit von seinen Mühen beim Malen, beim Sehen, beim Wahrnehmen erzählt und in keineswegs virtuoser Pinsel-Handschrift vom Phänomen des Bildes als (Denk)-Vorstellung berichtet. Man soll spüren, dass man denken muss, um zu begreifen, sagt er und formuliert damit wahrscheinlich das Credo seiner Kunst.

Guido Nussbaum, der gestern seinen 60ten Geburtstag (nicht) feierte, ist als Sohn eines Bahnwärters in Muri aufgewachsen und hat seine „Büezer“-Herkunft immer hochgehalten respektive demonstriert, etwa wenn er mit verflecktem „Übergwändli“ an Heiny Widmers Vernissagen im Aargauer Kunsthaus auftauchte. Konsequenter-weise war er Mitglied der kommunistischen Partei, in Basel zeitweise sogar deren Präsident. „Heute ist das nur noch eine Sekte“, sagt er indes mit Wehmut und: „Als Alt-68-er ist man heute ein Trauernder“. Das keineswegs verhärmte Verharren in der Kartographie ist also schon auch ein wenig Rückzug, aber gleichzeitig ist es auch eine ganz eigene Strategie gegen die temporeiche Globalisierung des Lebens auf den immer selben Kontinenten.

Nussbaum hat den Maler Hans Rudolf Fitze (geb. 1956 in Staufen) als Gast eingeladen. Dessen grossflächig gemalte „Camera obscura“-Blicke auf die Landschaft verraten eine nicht unähnliche Haltung.

Bis 25. Mai 2008