Monika Loeffel in der Kultur.Mühle Lyss_Besprechung

Pentadaktyloptera und andere Eintagsfliegen

www.annelisezwez.ch    Bieler Tagblatt 26. August 2008

In der Kultur.Mühle in Lyss zeigt die Seeländer Künstlerin Monika Loeffel Eintagsfliegen der Gattung „Pentadaktyloptera“ und weiterer Variationen aus der Comédie Humaine.

Annelise Zwez

Immer wieder überrascht die 1952 in Biel geborene Künstlerin Monika Loeffel  mit  Labyrinthgärten, die sich in facettenreichen Variationen von einer Versuchsanord-nung zu einer philosophischen Vision weiten.  Zum Beispiel von der pragmatischen Benennung einer Ein-Abend-Ausstellung („Joli mois de mai“) als „Eintagsfliege“ zur hintergründigen Auseinandersetzung mit der Bedeutung von  (Blick)-Schlagzeilen, Börsenkursen  und Todesfällen. Oder in der Abwandlung der Ephemeroptera (Eintagsfliege) in Pentadaktyloptera (so etwas wie Fünffingergeflügelte), um damit ihr umfangreichstes Projekt der letzten Jahre – 1452 Fotos von Händepaaren – auf seine Bedeutung in einem universellen Zeitrahmen zu hinterfragen. Nicht selten bedient sich Loeffel dabei der Ironie als „Transportmittel“.

Mag sein, dass sich die Künstlerin mit ihren Denk-Läufen im Detail manchmal etwas verrennt, doch in der visuellen Umsetzung vermag sie das Komplexe oft verblüffend einfach auf den Punkt zu bringen. Das zeigt die sich über vier Stockwerke hinweg ziehende Ausstellung in der Kultur.Mühle Lyss eindrücklich.

Schon rein durch ihren Umfang steht die  Kallnacher „Powershot-Collection“ im Zentrum. Während fast eines Jahres hat Monika Loeffel allabendlich bei den Kallnachern geläutet; mit der Bitte, ihre Hände – verschränkt oder einzeln, aber immer vor dem Bauch – fotografieren zu dürfen.  Und sie hat nicht nachgegeben bis sie, abgesehen von 50 Verweigerern, alle beisammen hatte: 1452 an der Zahl –Mädchen und Buben, Frauen und Männer,  Bauern und Bäuerinnen, auf dem Land lebende Städter usw. – Dann begann die Künstlerin sie zu sortieren – in Gelbe, Blaue, Rote, Schriftgelehrte, Gemusterte  – und in eine variantenreiche Präsentationsform zu bringen: mal klein, mal grösser, in Gruppen, vereinzelt, in Schachteln, Rahmen oder gar als „Schmetterlingssammung“ aufgepikst.

Standen bei der Erstpräsentation in Kallnach  die gesellschaftlichen, sozialen, demographischen Aspekte im Vordergrund, ist es jetzt in Lyss klar der Kunstkontext. Da stellt sich das Projekt in Relation zu unzähligen Porträt-Serien von Roni Horn bis Rineke Dikstra. Aber im Gegensatz dazu besticht Loeffels Werk nicht durch die Einzelaufnahme, sondern durch das Kippen des Individuellen in ein Kollektiv, nämlich ein ganzes Dorf. Dadurch treten Gedanken an Geburt , Tod, Wiederholung, Wandlung  und nicht zuletzt unser Sein als „Eintagsfliegen“ in den Vordergrund.

Monika Loeffels Werk ist formal sehr disparat – die Absolventin der Hochschule für Gestaltung in Basel kombiniert  nicht nur Objekt, Installation, Fotografie, Video und Schrift, sie „hüpft“ auch von Thema zu Thema.  Das ist  bezüglich Werk-Einheit nicht unproblematisch, dennoch besticht die Art und Weise, wie sie ihre Themen vertieft, nicht loslässt bis sie sie umrundet hat, mal um mal. Zum Beispiel auch in den jüngsten Arbeiten, den Blick-Schlagzeilen. Bibelsprüchen gleich überträgt sie die Eye-Catcher auf Kartontafeln, umfängt die Buchstaben mit goldenen Ornamenten und hängt sie in den Raum.

Um auch die Rückseite zu zeigen, worauf die Künstlerin in mittelalterlicher Schriftmalerei den Lauftext abgeschrieben hat. Die Aufwertung der „Eintagsfliegen“ zu kostbaren Schriftbildern wirft ein geradezu sarkastisches Licht auf unsere Gesellschaft. Im Vergleich dazu wirken die „Insekten“-Vitrinen mit winzigen Ausschnitten aus dem Bieler Tagblatt und anderen Zeitungen geradezu harmlos.  Doch die Künstlerin dreht ihren Blick auf Tagesaktualitäten auch in andere Richtung, fragt mit den auf Leinwand gemalten Vornamen der in einem Jahr in Kallnach, einer Woche in Biel und einem Monat in Lyss Geborenen und Verstorbenen  bereits wieder nach der Bedeutung von Moment und Zeit im Wandel der Epochen.

Info: Bis 7. September. Fr 19-21, Sa/So 14 – 17 Uhr.  Foto-Kalender 2009: 50 Franken.  Weiterhin: Installation „Royal 4“ in „Jetzt Kunst“ in Schüpfen (bis 21.9.).