Peter Zacek Jörg Köppl Buchbesprechung

Vom Doppelstuhl zum west-östlichen Diwan

Annelise Zwez, Bieler Tagblatt, 8. Mai 2008

Seit 1996 sind Peter Zacek/Jörg Köppl markante Gestalten der Schweizer Performance-Szene. Jetzt geben der Bieler und der Zürcher in einem Buch Rechenschaft über ihr Tun.


Momentaufnahmen aus der Performance „stirnrose“, 2005. Bilder: Luzia Studer

Die klassische Performance ist eine Kunst, bei der sich Künstler skulptural im Raum bewegen. Genau da haben der 1962 in Wien und heute in Biel lebende Peter Zacek und der 1964 in Baden geborene Jörg Köppl vor gut 10 Jahren begonnen: Sie passten sich mittels Lederriemen in mit Scharnieren versehene Schalbretter ein und rollten als „Doppelstuhl“ über die Quaibrücke in Zürich. Oder: Sie legten sich wechselnd nackt respektive angezogen auf den Boden und zeigten auf ihren Körpern die Worte „Commerce overall“ und „Identity for free“; das war 1998 in Porrentruy, wo Zacek damals lebte (Köppl im nahen La Chaux-de-Fonds).

Das Problem der Performance ist ihre Gebundenheit an Ort und Zeit und die Schwierigkeit sie adäquat zu dokumentieren. In den letzten Jahren sind – vor allem von Basel ausgehend – immer wieder Versuche lanciert worden, die Geschichte der Schweizer Performance-Szene zu fassen; mit mässigem Erfolg. Zacek/Köppl haben jetzt die Form eines Buches gewählt. „Die Arbeit am Buch war für uns ein Aufräumen und Ordnen, um frei zu sein für die Zukunft“, sagen die beiden. Heute Abend (18 Uhr) ist in der Zürcher Galerie Hubert Bächler Buch- und Ausstellungsvernissage.

„Was man bei der Performance oft unterschätzt, ist die Präzision, mit der sie vorbereitet werden muss, um sowohl auf der visuellen wie der symbolischen Ebene Wirkung zu zeigen“, sagt Köppl. „Solar+“ mag es illustrieren: Die beiden – im Buch stets X und Y genannt – befestigten im Gesicht je zwei von Solarpannels gespeiste Elektrostimulatoren; so, dass sie beim einen ein muskuläres Kopfschütteln beim andern ein Zwinkern auslösten und es schien als würden die beiden kommunizieren. Das war 2004 im Kunsthof in Zürich.

Um diese Präzision sichtbar zu machen, wählten die beiden für ihr Buch eine sehr strenge Form der Dokumentation. Rayelle Niemann beschreibt jede der knapp 50 Performances auf einer Seite unter den Stichworten Gegebenheiten, Raum, Material, Ablauf, Folgen. Auf einer zweiten Seite werden sie mit ausgewählten Fotos illustriert. Geschichten oder Interpretationen gibt es keine. Einzig der Philosoph Tobias Huber ist mit einem sehr anspruchsvollen Text vertreten, in welchem er – maximal reduziert – sagt, eine gute Performance müsse ein Fremd-Körper sein.

Die richtigerweise rückwärts deklinierte Chronologie zeigt eindrücklich auf, wie sich Zacek/Köppls Interesse von der klassischen Performance zur sozialen Intervention wandelt. „Irgendwann hatten wir genug vom Zirkus“, sagen die beiden. Entscheidend sei 2000 die Einladung ins Centre culturel in Paris gewesen. Da gingen die beiden erstmals mit einem „Aufnahmestudio“ auf die Strasse und befragten Passanten, wie sie das später auch in Bern, Zürich und Arbon taten. Charakteristisch ist, dass die Fragen, die sie stellen kaum beantwortbar und zugleich sehr persönlich sind, zum Beispiel „wie fühlen sie sich unterwegs“? Für den Ausstellungsort entstehen daraus meist Audio-Installationen.

Einen weiteren Schritt löst die Einladung an ein Performancefestival in Serbien aus (2002). Sie stellen zwei Kisten auf, fordern die Passanten auf, „dobre vesti“ und „lose vesti“ (gute und schlechte Nachrichten) auf einen Zettel zu schreiben und einzuwerfen. Später lesen sie diese performativ vor. Obwohl sich Zacek/Köppl auch fürderhin nicht als politische Künstler verstehen, tritt durch die Orte, wo sie auftreten (2007 zum Beispiel in Jordanien) und Themen wie „Finding Passport“ (zusammen mit Nenad Bogdanovic) und „counting years“ eine weltpolitisch-soziale Komponente in den Vordergrund.

Die Freunde des Museums PasquArt erinnern sich vielleicht an die Performance in der Ausstellung „In diesen Zeiten“ (2004), als die Anwesenden just zu Beginn des zweiten Irak-Krieges aufgefordert wurden, sich entweder mit einer Cola-Büchse aus dem Tiefkühler oder einen Tee aus einem Samowar zu bedienen („West-Ôstlicher Diwan“).
Die aktionistischen Performances der letzten Jahre haben die klassischen nicht ganz verdrängt, 2005 zum Beispiel entwickelten die beiden die beeindruckende Performance „stirnrose“, bei welcher sich die beiden in extremer Abhängigkeit einzig am Kopf berühren (belasten) und sich dabei drehen und wenden „wie eine Rose“.

Das Buch wird im Rahmen einer Einzelausstellung in Zürich präsentiert. Im Zentrum stehen Zeichnungen, die während des gemeinsamen Denkprozesses – sei es in Zürich oder Biel – im Hinblick auf neue Performances entstehen. „Wir denken extrem visuell“, sagen die beiden und betonen so indirekt die Präsenz der Performance als Ausfächerung der bildenden Kunst und nicht etwa des Theaters.  Zugleich werden auch ausgewählte Fotos gezeigt.

Info: Die Ausstellung in der Galerie Hubert Bächler (Müllerstr. 47, 8003 Zürich) dauert bis 1. Juni. Mi-Fr 13-18, Sa 12-16 Uhr.

Links: www.koeppl-zacek.net und www. galerie-hubert-baechler.ch

Köppl/Zacek
Die Publikation „Köppl/Zacek“ 1997-2007“ umfasst knapp 200 Seiten.
Für die Gestaltung zeichnet Ilia Vasella, Zürich
Verlag: „clandestin“, Biel-Bienne
Die signierte Vorzugsausgabe  enthält eine Originalzeichnung.
Die Texte sind in deutscher, französischer und englischer Sprache enthalten.
Der Preis beträgt 43 Franken.
In Biel wird das Buch im Rahmen des „Joli mois de mai“ in der Alten Krone vorgestellt (Sonntag, 8. Juni).