San Keller – Berner Manorpreistraeger 2008 – Pasquart Biel 2009

San Keller inszeniert San Keller

www.annelisezwez. ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 18. April 2009

San Keller ist der erste Berner Manor-Preisträger. Heute um 17 Uhr erhält er im Pasquart den Cheque. Vor allem aber wird die dazugehörende Museums-Einzelausstellung eröffnet.

Der in Zürich lebende Berner Künstler wurde schweizweit bekannt mit nicht selten Zivilcourage fordernden „Dienstleistungen“ wie  „San Keller schläft oder singt, tanzt, demonstriert für Sie!“.  Dann begann er den Ball weiterzureichen – forderte Freunde, Kritiker, Museumsbesucher auf, für ihn aktiv zu werden, für ihn die Fahne hochzuhalten, ihn zu „be-sitzen“ oder  als  Frageteam in einem Quiz à la Robert Lembke mitzuwirken.

Der Event-Charakter all dieser „Werke“ übertünchte oft den konzeptuellen Ansatz seiner künstlerischen Praxis. Kein Wunder darum, dass es San Keller –  mit 38 Jahren dem Clown-Alter entwachsen –  seit einiger Zeit schon ein Anliegen ist, diesen Umstand zu korrigieren. Dementsprechend ist die aktuelle Ausstellung keine Zirkus-Vorstellung, nicht einmal eine Performance gibt’s zur heutigen Vernissage.

Stattdessen präsentiert der Künstler als umfangreichste Arbeit leere Räume. Das „Parkett 1“ wurde neu gestrichen, mit Hydrothermographen ausgestattet und zeigt sich mit zur Seevorstadt hin geöffneten Fenstern. So dass Strasse und Museumsräume in ständigem Luft-Austausch stehen, was die Messgeräte klimatisch festhalten. „Oeuvre d’air“ nennt San Keller das „opus magnum“. Wer es etwas allzu einfach gestrickt findet, hat damit wohl nicht Unrecht. Denn darin eine konzeptuelle Visualisierung für das Ephemere von Aktionskunst, für künstlerische Ökonomie angesichts der Finanzkrise oder anders geartete Subversionen zu sehen, befriedigt nicht. Es fehlt der Kick, der die Leere in Fülle umwandelt; schade.

Gewinnbringender ist der Gang durch die „Galerie“-Räume. Hier spürt man die für Keller symptomatische, pointierte und oft unterschwellig ironische Verquickung von Biographie, Leben, Kunst und Kunstbetrieb. „Show Show“ heisst denn auch die Gesamt-Ausstellung. Konkret ist „Show Show“ der Titel eines Zwei-Kanal-Videos, das in einem Total von rund vier  Stunden durch gleichzeitig in der Schweiz stattfindende Ausstellungen wie jene von Tracey Emin in Bern, Alex Hanimann in Aarau oder Nedko Solakow in St. Gallen führt. „Wir Künstler sollten uns vermehrt mit der Kunst unserer Mitkünstler auseinandersetzen statt sie ständig als Konkurrenten zu betrachten“, sagt Keller.

Der Ansatz der beiden mit einer Handkamera aufgenommenen, ungeschnittenen Videos ist nicht  Kunstvermittlung, sondern das subjektive Gehen, Stehen, Schauen.  Sonderlich spannend sind die Videos nicht, aber sie bringen jene persönliche Qualität ein, die Kellers Gesamtwerk so sympathisch macht und die, wenn sie fehlt, die Gefahr von Luftleere beinhaltet.

Die neue Nähe zum Schaffen anderer Künstler kommt auch in weiteren Werken zum Tragen und kann möglicherweise als weiteres Kapitel nach den Eigen-Aktionen (ab 1997) und Mitwirkungsprojekten (ab ca. 2002) bezeichnet werden. Zum Beispiel im Katalog zur Ausstellung – ein Kunstwerk in sich – wo Keller abgebildet ist wie er in Künstler-Ateliers in der Manier von Freunden (z.B. Isabelle Krieg, Haus am Gern, Shirana Shabazzi)arbeitet. Oder auch in der für die Wanderausstellung „Lapdogs of the Bourgeoisie“ geschaffenen Fotoarbeit, die zeigt wie Eltern von Kunstschaffenden mit den Werken ihrer Kinder leben.

Das ironische Moment von Kellers Kunst kommt in der einzigen performativen Arbeit am treffendsten zur Geltung. Da wurden – gestern Freitag – KrikterInnen, Freunde, Sammler des Künstlers gebeten vor der Kamera Stellung zu nehmen zur Ausstellung. Ihre Gesten, ihr Sprechen ist nun auf einem Flachbildschirm zu sehen; was sie sagen, ist aber –wohlweislich? – nicht hörbar.
Insgesamt pendelt die Ausstellung einerseits zwischen dem Wunsch des Künstlers, sich selbst als „Schauspieler“ aus seiner Kunst zurückzuziehen – ein schwieriges Unterfangen für alle Performance-Künstler – und gleichwohl präsent zu sein.

Andererseits zwischen theoretischen Ansätzen und mitmenschlicher Relevanz. Letzters zum Beispiel in der Gegenüberstellung einer Reihe von Kuratoren-Konzepten für eine Ausstellung „San Keller“, die ohne jegliche Werke realisiert wurde, andererseits einem TV-Bildschirm, auf welchem, direkt neben einer Bettstatt, Dolores Denaro zu sehen ist, die einzuschlafen versucht, obwohl ihr die  Arbeit als Museumsdirektorin wieder einmal „schlaflose Nächte“ beschert.

Die Ausstellung von San Keller in Biel ist nur teilweise geglückt. Sie ist inhaltlich in vielem folgerichtig, lässt aber Kunstinteressierte, die Kellers künstlerisches Schaffen nicht schon lange kennen, zum Teil aussen vor.  Anders formuliert:  Sie hat eher Kunsthallen- als Kunstmuseumscharakter. Ein Kapitel „Übersicht“ würde manches für Manche leichter machen.

Info: Vernissage heute Samstag, 17 Uhr. Es sprechen: Dolores Denaro, Hans Stöckli, Philippe Nordmann und Pierre-André Maus. Bis 14. Juni.

San Keller

Kommt 1971 in Bern zur Welt
Lehre als Hochbauzeichner
Arbeit als Pflegehelfer später als Baarkeeper
Ausbildung an der Hochschule der Künste in Bern, später Zürich
Auftritte und Aktionen ab 1997
Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen , u.a. 2002, 04, 06 Eigenössische Preise für Freie Kunst
2003/04 Aufenthalt am P.S. 1 in New York, 2005 im Istituto Svizzero in Rom.
Anlässlich der Ausstellung „Branding“ erwirbt das Museum Pasquart den „Stammtisch“ für seine Sammlung (2006)
San Keller lebt in Zürich, ist mit Andrea Roca verheiratet und hat einen 8jährigen Sohn.

Bildlegenden:
Oeuvre d’air – Invervention Museum Pasquart Biel, 2009
San Keller arbeitet im Atelier von Mikry 3