Denis Savary Le Narrenschiff Videos Pasquart Biel 2010

Unterwegs im Narrenschiff des Lebens

 www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vomj 12. Juni 2010

Der 29-jährige Denis Savary gilt als Versprechen für die Zukunft. Fürs Museum Pasquart hat er seine Video-Arbeiten zu einem unterschwelligen Erzählstrom verbunden.

Es ist bereits Tradition, dass Caroline Nicod – Pasquart-Direktorin ad interim – alljährlich eine Ausstellung eines Kunstschaffenden aus der Romandie kuratiert. Leider wird „Le Narrenschiff“ von und mit dem 29-jährigen Waadtländer Künstler Denis Savary die letzte sein; Nicod verlässt das Pasquart per Ende Juli aus persönlichen Gründen.

Savary ist bekannt für Ausstellungen, in denen er sich mit der Geschichte des Ortes oder der Menschen, die früher da lebten, auseinandersetzt, quasi ihren Geist lebendig werden lässt. Aktuell in der Villa Bernasconi in Grand Lancy (GE). Am Rand klingt diese Vorgehensweise auch in Biel an, indem der Blick aus dem Korridor-Fenster des Pasquart praktisch nahtlos in die Video-Projektion in der Salle Poma übergeht und überdies Filmpodium und Video-Kunst in Dialog treten.

Im Kern geht es dem Absolventen der Ecole cantonale d’art de Lausanne (Ecal) jedoch darum, seine Videoarbeiten (2006 – 2010) als unterschwelligen Erzählstrom zu zeigen, um so einen ihn selbst betreffenden, roten Faden herauszuschälen.

Stichworte, die einem spontan dazu einfallen sind „Bild“, „Malerei“, „Romantik“, „Ahnung“, „Gebäude“, „Langsamkeit“, „Echtzeit“, „Ton“.  Die Ausstellung analytischer betrachtend, fällt die eingewobene Präzision auf. So ist die Ausstellung zunächst einmal durch das ganze Haus hindurch hörbar. Im Korridor von Parkett II ist auf sechs TV-Geräten „Le Frau“ zu sehen. Savary liebt Wortspiele: „Frau“ ist nicht Frau, „Le Frau“ ist der Name eines Naturschutzparkes im Südwesten Frankreichs. Zu sehen ist aber eine Frau mit grossem Hut und rotem Shirt, die einer unterhalb stehenden und darum unsichtbaren Besuchergruppe von der Natur im Park erzählt, begleitet von einem Chor von Vogelstimmen, der sich aus dem leicht asynchronen Abspielen der Videos ergibt. Das zeitlich variierte, sechsfache Abspielen steht in Analogie zu den sechs Video-Arbeiten in den weiteren Räumen der Ausstellung.

Sprachspiel auch beim Ausstellungstitel. „Le Narrenschiff“ (nach Sebastian Brant), meint hier nicht primär die Basler Moralsatire von 1494, sondern eine Art Lebens-Raum des Wahn-Sinns, und vor allem die Nähe des deutschen Narren und der französischen „narration“.

In der Übersicht ist auffallend, das die Videos näher beim Bild als beim Film sind: Zum Beispiel ein Park mit Schloss, Teich und wenigen, sich in der Ferne bewegenden Menschen; eine Turmruine in Gegenlicht und eine kaum wahrnehmbare Figur, die am Turm hochklettert, mit jedem Loop von neuem.

Liest man auf den Infoblättern nach, so ergibt sich, dass Savary seine Videos kaum bearbeitet; Echtzeit ist für ihn essentiell und ebenso eine emotionale Beziehung zum Ort; er filmt aus dem Fenster im Haus seiner Eltern, aus dem Atelier, nach langem Verweilen.

Dass ihm, dem jungen Künstler, dies wichtig ist, während Parallel-Ausstellerin Ise Schwartz, fast 40 Jahre älter, den dauernden Wandel sucht, ist spannend…und bezeichnend. Und vielleicht einer der Gründe für Savarys Erfolg.

Echtzeit, Langsamkeit bedeutet keinesfalls Langeweile, denn Saverys Haltung bettet sich in die seit langem bekannte welsche Tradition der suggestiven Film-Erzählung (man denke an Moser/Schwinger, Emanuelle Antille, Alexia Walther) und macht die Betrachtenden so zu Komplizen des mit der Kamera schauenden Künstlers.